Kreis Wesel. Der Landtag beleuchtete das Pro und Contra einer Rohstoffabgabe. Die Angst davor ist groß. Ein Gesetzentwurf soll in der Staatskanzlei liegen.

Ist es tatsächlich der Sargnagel für die Bauwirtschaft im Allgemeinen und die Kieswirtschaft im Besonderen? Oder ist es endlich die große Chance für einen Wirtschaftskreislauf in NRW, der Ressourcen schont, die Kiesabbaumengen im Kreis Wesel reduziert und den Einsatz von Recyclingbaustoffen bedeutsam erhöht? Die von der Landesregierung geplante Rohstoffabgabe hat bereits mehrere Runden in der Politik gedreht, in Form gegossen ist sie aber noch nicht, auch wenn ein Entwurf mittlerweile in der Staatskanzlei liegen soll. Langsam wird die Zeit knapp, am 1. Januar 2024 soll der sogenannte Kies-Euro an den Start gehen.

Eine Anhörung des Wirtschaftsausschusses im NRW-Landtag hat sich nun erneut damit beschäftigt. Auf Antrag der FDP kamen die Landtagsfraktionen und Experten zusammen, um noch einmal über die Vor- und Nachteile des sogenannten Kies-Euros zu sprechen. Wirklich neue Erkenntnisse konnte es nicht geben. Noch ist nicht klar, wie die Rohstoffabgabe inhaltlich austariert sein wird. Und die Argumente für und wider eine Rohstoffabgabe sind längst bekannt.

Kiesabbau: Bau- und Rohstoffverbände warnen vor dem Kies-Euro

Inständig warnten so auch Interessenverbände erneut vor den Folgen einer nur auf NRW bezogenen Steuer, die den Unternehmen ihrer Meinung nach einen unwiederbringlichen Wettbewerbsnachteil einbringen würden. Für einige gehe es schlicht um die Existenz, sagte der Hauptgeschäftsführer des Baustoffverbandes Vero, Raimo Benger. Zumal man die Mitgliedsunternehmen nicht zwingen müsse, auf Recyclingbaustoffe zu setzen. Vielmehr komme es auf einen Bewusstseinswandel an, sagten Niklas Möring vom Bauindustrieverband NRW und Stefan Schmidmeyer vom Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE). Bei einer großen Baumaßnahme im Norden NRWs etwa sei der Einsatz von Recyclingbaustoffen kategorisch ausgeschlossen worden. Das dürfe es nicht mehr geben.

Die Instrumente, um das Baustoff-Recycling voranzutreiben, seien vorhanden, man müsse sie nur konsequent anwenden, sagte Stefan Schmidmeyer. Das betreffe auch die Einstellung der öffentlichen Hand bei Baumaßnahmen. Man müsse sich schneller des Potenzials bewusst sein, das Sekundärrohstoffe hätten und endlich die notwendigen Strukturen dafür schaffen, unkompliziert und bürokratiearm. „Die Technik haben wir, aber es fehlen die Anlagen.“ Raimo Benger kündigte den Versuch einer Selbstverpflichtung der Vero-Mitgliedsunternehmen an, um mehr auf Recyclingbaustoffe zu setzen, ohne eine Rohstoffabgabe einführen zu müssen.

„Lassen Sie uns zusammensetzen und gemeinsam etwas entwickeln“, sagte Benger, und man konnte spüren, wie groß der Druck ist, um den Kies-Euro doch noch abzuwenden. „Man will uns für etwas zur Abgabe zwingen, was wir ohnehin wollen“, sagte der Vero-Geschäftsführer. Zumal sich der Staat mit der Rohstoffabgabe selbst „ins Knie schießen würde“, weil die öffentliche Hand Hauptkunde der Bauindustrie sei und die steigenden Kosten für Brücken, Wohnungen, Energiewende und Straßen tragen müsse.

Rohstoffabgabe auf Kies und Sand: Welches Land Vorbild sein könnte

Dagegen sprachen Wissenschaftler und Volkswirte aus verschiedenen Instituten von einer großen Chance. „Die Zeichen stehen jetzt auf zirkuläre Wirtschaft“, sagte etwa Stefan Schaller vom Thinktank CSCP in Wuppertal. Selbstverständlich müsse man bei Einführung der Rohstoffabgabe die Grenzregionen in NRW wegen möglicher Wettbewerbsnachteile im Blick haben,aber je früher man sich bewege desto besser sei man auf eine wirtschaftliche Entwicklung vorbereitet, die ohnehin fortschreite.

Wie die Metamorphose zu einer ressourcenschonenden und ökologischeren Bauindustrie gelingen kann, erklärte Professor Henning Wilts vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie anhand des Beispiels Großbritannien. Dort habe die vor rund 20 Jahren eingeführte „Aggregates Levy“ genannte Rohstoffabgabe dazu geführt, dass der Anteil von Recycling-Baustoffen bei mittlerweile 30 Prozent liege – etwa doppelt so hoch als derzeit in Deutschland.

Die Befürchtung, dass eine Rohstoffabgabe zu unerschwinglichen Preisen beim Hauskauf führen könnte, versuchte Gerald Knauf vom Wissenschaftsladen Bonn zu zerstreuen. Bei einem durchschnittlichen Betonbedarf von 200 Tonnen für den Bau eines Einfamilienhauses liege die Mehrbelastung je nach Höhe der Rohstoffabgabe bei einem „mittleren dreistelligen Bereich“, schätzte Knauf.

So unterschiedlich die Betrachtungsweisen auch waren, in einer Sache waren sich alle einig: Die Bau- und Rohstoffwirtschaft muss sich wandeln, genauso wie das öffentliche Bewusstsein. Ob mit oder ohne Kies-Euro, darüber wird der Landtag in den kommenden Monaten entscheiden müssen.

>>> Die Rohstoffabgabe <<<
Knapp dreieinhalb Monate bleiben der Landesregierung noch, um den eigenen Zeitplan einzuhalten, die Rohstoffabgabe auf die Beine zu stellen und den notwendigen Gesetzesentwurf auszuformulieren.

Einige Fragen sind noch offen, zum Beispiel, ob Spezialsande wie Quarzsand von der Abgabe betroffen sein oder ausgenommen werden sollen. Ebenso ist noch die Höhe der Abgabe ungeklärt. In Großbritannien liegt die Rohstoffabgabe laut Wuppertalinstitut derzeit bei etwa 2,30 Euro pro Tonne.