Herne. . Der kleine Ismail hatte es eilig. Noch vor dem Eingang des Marienhospitals in Herne erblickte der Junge am Nikolaustag das Licht der Welt. Der Taxifahrer und eine Allgemeinmedizinerin wurden spontan zu Geburtshelfern. Weil die Eltern gehörlos bzw. schwerhörig sind, ist unklar, ob Ismail hören kann.
Als Eckhard Mattheus um 10.05 Uhr den Auftrag von der Zentrale erhält, kann er nicht ahnen, dass die kurze Fahrt von der Kreuzkirche bis zum Marienhospital die aufregendste seines Berufslebens werden wird. Keine halbe Stunde später liegt ein Neugeborenes auf dem Rücksitz seines Taxis. Der kleine Ismail konnte es am Nikolaustag offenbar nicht mehr abwarten, bis seine Eltern den Kreißsaal erreicht hatten. Noch vor der Eingangstür erblickte er das Licht der Welt. Mutter und Kind sind wohlauf.
„Schnell fahren, das Baby kommt“, habe der werdende Vater gerufen, nachdem er seine Frau auf Händen ins Taxi getragen habe, erzählt Mattheus später. „Ich war so aufgeregt“, sagt der 59-Jährige. Seit 1983 fährt er Taxi, einen solchen Fall hat er noch nie erlebt. „Zum Glück habe ich ein Großraumtaxi, in ein kleines hätte die Frau ja gar nicht reingepasst“, sagt Mattheus.
Schon nach wenigen Minuten erreicht der rollende Kreißsaal das Marienhospital. Die Fruchtblase ist längst geplatzt, die Mutter schreit während der Fahrt vor Schmerzen. An der Klinik angekommen rennt Eckhard Mattheus ins Foyer und bittet um Hilfe.
Säugling war schon blau angelaufen
Christine Feier arbeitet an diesem Morgen in der Aufnahme. „Normalerweise sind meine Patienten über 18“, sagt die Allgemeinmedizinerin und lacht. Doch das ist in diesem Moment unwichtig.
„Als ich am Auto ankam, konnte ich das Köpfchen schon erahnen“, erzählt Feier. Weil er offenbar zu lange im Geburtskanal lag, ist der kleine Ismail bläulich angelaufen. Christine Feier hilft ihm auf die Welt und hält ihn kopfüber, damit er Schleim und Fruchtwasser abhusten kann. Ismail schreit. Ein gutes Zeichen. Eltern und Pfleger sind erleichtert.
Schon wenig später liegt Sanija Berisha mit ihrem Neugeborenen auf dem Zimmer. Die Strapazen sieht man weder der 23-Jährigen noch dem kleinen Ismail an. Es ist das dritte Kind von Sanija und Arsen Berisha – alles Söhne. „Ich wollte eigentlich ein Mädchen, hat nicht geklappt“, sagt der 32-Jährige und lacht.
Noch ist unklar, ob Baby Ismail hören kann
Vor 22 Jahren wanderte er aus dem Kosovo aus, vor drei Jahren kam seine Frau aus Mazedonien nach Deutschland. Sie ist gehörlos, er schwerhörig, ebenso wie der älteste Sohn Blerim (3). Auch der nun mittlere Sohn Roberto (1) ist gehörlos, ob Ismail hören kann, lässt sich noch nicht eindeutig sagen.
Doch das spielt auch noch keine Rolle. Die junge Familie muss sich erst mal von diesem aufregenden Nikolaustag erholen. Genau wie Eckhard Mattheus. „Ich mache heute Abend eine Flasche Wein mit meiner Frau auf“, sagt er. Die aufregendste Taxifahrt seines Lebens wird er so schnell nicht vergessen. Die Fahrtkosten (5,40 Euro) hat ihm der Vater sogar noch bezahlt. Und eine Putzkraft des Krankenhauses half bei der Reinigung des Taxis.