Herne. Die WAZ hat sich auf Nostalgie-Tour begeben und fünf Kaugummi-Automaten im Herner Stadtgebiet ins Visier genommen. Die meisten Exemplare haben die beste Zeit ihres Daseins bereits hinter sich. Wind, Wetter und Gewalt haben den Spendern von Süßigkeiten und Spielzeug zugesetzt. Wir haben getestet, was sie trotzdem noch leisten.
Die Rundreise zu den Kaugummi-Automaten unserer Stadt beginnt bei „Paul“ an der Königstraße/Ecke Heisterkamp. Das Teil am Eingang zum Biergarten der Gaststätte hat schon bessere Tage gesehen. Wind und Wetter haben dem rot-blauen Metallkasten übel mitgespielt, der Lack ist großflächig abgeplatzt, die Oberflächen sind von Rost übersät. Die geschmolzenen Stellen in den beiden Sichtfenstern machen das Bild des Automaten-Wracks perfekt. Jemand hat mit Hilfe eines Feuerzeugs versucht, an die bunten Innereien des Dinosauriers zu kommen. Doch die hat der Kasten nicht preisgegeben.
In seinem Bauch schlummern nach wie vor die Schätze, die Kinderherzen höher schlagen lassen. Das linke Fach hält für 20 Cent mit etwas Glück (?) eine kleine Plastikfigur in einer transparenten Kapsel bereit. Hinter der geschmolzenen Plastikscheibe sind aber fast nur giftgrüne Kaugummikugeln zu erkennen. Und genau so eine liegt auch nach dem Einwurf des Geldstücks und dem Drehen an dem Knauf im Uhrzeigersinn hinter der Klappe. Im rechten Fach: Digimon-Figuren für 50 Cent. Dass den Kasten mal jemand aufgefüllt habe, hat Gastwirt Paul noch nicht beobachtet. Und auch keine daran rumkokelnden Kinder.
Brillant-Ring für 50 Cent
Der zweite Automat ist in einem wesentlich besseren Zustand und hängt nur 300 Meter weiter an der Dorneburger Straße 12. Im linken Fach wird für 50 Cent der „Puzzle Ball“ angeboten. Ein bunter, kugelförmiger Schlüsselanhänger, wie sich beim Ziehen herausstellt. Im rechten Behälter gibt’s für 20 Cent eine Kugel „Assorted Fruit Flavour Bubblegum“ in den Farben rot, gelb, grün, blau oder weiß. „Ich habe noch nie gesehen, dass er aufgefüllt wird“, sagt ein Mitarbeiter des benachbarten Imbiss’. „Aber Kinder wollen bei uns oft Geld dafür gewechselt haben.“ Wir übrigens auch. Danke.
An der Bielefelder Straße 127 hängt eine verwesende Leiche. Der Automat ist leer, die Gitter in den beiden Sichtfenstern zeugen davon, dass er in der Vergangenheit oft um seinen Inhalt erleichtert worden ist. Im linken Teil des entkernten Automaten liegen benutzte Papiertaschentücher, im rechten klebt eine undefinierbare Masse. Schnell weiter auf die gegenüberliegende Straßenseite. Zwischen der Nummer 116 und 118 finden wir ein Exemplar mit drei Fächern. Für einen Euro wird uns ein Handy-Anhänger von Spongebob in Aussicht gestellt, für 20 Cent bekommen wir „wunderschöne Ringe“ und für schlappe 50 Cent gibt’s einen Brillant-Ring. Statt Handy-Gedöns bekommen wir einen gelben Plastikring in Herzform. Dort, wo ein „super schöner Ring“ rauskommen soll, kullert uns ein tiefviolettes Kaugummi entgegen und der Brillant-Ring ist zum Einen nur aus Blech, zum Anderen hat sich das darauf aufgeklebte Piratenmädchen gelöst. Zum Glück ist es in der Kapsel nicht verloren gegangen.
Schrott und Schokolade
Die Rundtour endet mit dem Luxus-Modell. Ganze vier Fächer umfasst der Kaugummi-Automat, der an einer Garage an der Holsterhauser Straße/Ecke Schürenkamp hängt. Von links nach rechts: „Funky Jumping Beans“ – 10 Cent, Mini-Skelett – 20 Cent, Pokemon-Ringe und anderes – 50 Cent, Handy-Anhänger „Scooby-Doo’s Freunde“ – 1 Euro. Eine springende Bohne soll es sein. Stattdessen hüpft eine in Alufolie gewickelte Schokokugel aus dem Fach. Auch beim kleinen Knochenmann beißen wir auf Granit. Hier bleibt die Kugel mit dem Skelett einfach im Behälter hängen, weil sie zu groß für die Öffnung ist. Na toll...
Bilanz: Wie zu erwarten, kam nur Schrott mit einer geringen Halbwertzeit aus den Automaten. Ob die Kaugummis und die Schokolade bekömmlich waren, werden wir nie erfahren, weil sich keine Versuchsperson fand. Einzig der gelbe Plastikring wusste zu überzeugen. Darüber könnte sich ein kleines Mädchen tatsächlich freuen.
Mancher Automat wirft nur 20 Euro im Jahr ab
Dass es Kaugummi-Automaten noch gibt, grenzt für viele an ein Wunder. Wenn über sie gesprochen oder geschrieben wird, dann ist das Wort „Nostalgie“ nicht weit. Ob die Nachfrage denn nicht nachgelassen habe, wollen wir von Paul Brühl, dem Geschäftsführer des Vereins Verband Automaten Fachaufsteller (VAFA) wissen. „Jein“, lautet die Antwort aus Langenfeld. „Es gibt Plätze, die brummen“, so Brühl, der den Verband vor zwei Jahren übernommen hat. Viele Automaten würden gerade mal 20 Euro im Jahr abwerfen, andere dafür 700 Euro, „aber das ist schon viel.“
Die Branche ist schwer zu packen. Die auch in Herne vertretene Firma Floht Automaten aus Wuppertal ist zwar seit März 2013 online beim Verband Automaten Fachaufsteller (VAFA) als „Aufsteller von Wandschachtautomaten mit Kaugummi und Capsule“ gelistet, taucht abgesehen davon aber nicht im Internet auf. Telefonnummer? Fehlanzeige. Die gibt es vom Mitbewerber Bieber aus Lich zwar, aber bei mehreren Versuchen hebt niemand ab. Das spiegelt sich auch in Foren-Einträgen wieder, unter anderem von Hauseigentümern, die einen Vertrag mit dem Unternehmen abgeschlossen haben.
Automaten-Aufsteller meist nur kleine Betriebe
Brühl spricht von „solchen und solchen“ Anbietern, kann aber verstehen, dass jemand, der nach einer einwöchigen Befüllungstour nach Hause kommt, keine Lust hat, 250 Mails zu lesen. Brühl selbst war 18 Jahre lang Geschäftsführer eines Automaten-Aufstellers. Solche Firmen seien in der Regel „ganz kleine Betriebe“, zehn Mitarbeiter seien schon viel. Wie viele Automaten in Deutschland, geschweige denn in Herne hängen, darüber kann man laut Brühl nur spekulieren. Zwischen 200.000 und 500.000 sollen es jedenfalls bundesweit sein.