Herne. . Ein Projekt der Agentur für Arbeit bringt Schüler ins Praktikum – und eröffnet ihnen die Chancen auf eine Ausbildung. Damit sollen ganz gezielt auch Schüler erreicht werden, deren Noten ihnen nicht unbedingt die Tür ins Unternehmen öffnen.
Wenn Filiz Erben aus Wanne-Eickel und Benjamin Birkefeld aus Bochum-Weitmar (beide 16) mit leuchtenden Augen und voller Begeisterung von ihrem Praktikum schwärmen, dann klingt das nicht einstudiert. Den beiden Teenagern ist ihre ehrliche Begeisterung für den zweiwöchigen Schnupperkurs im Berufsleben einfach anzumerken. Und mit ein bisschen Glück können sie auch beide im Anschluss eine Ausbildung zur Verkäuferin/zum Verkäufer in „ihrem“ Edeka Aktivmarkt an der Bielefelder Straße in Holsterhausen machen.
Filiz (Klasse 10, Mont-Cenis-Gesamtschule) und Benjamin (Klasse 10, Liselotte-Rauner-Schule Wattenscheid) gehören zu den 70 Schülern von neun Gesamt-, Haupt- und Realschulen, die am Projekt „Auf den zweiten Blick die erste Wahl“ teilnehmen. Das Projekt mit dem originellen Namen wird im zweiten Jahr von der Agentur für Arbeit Bochum gestemmt. „Die Zielgruppe sind Schüler, die wegen ihrer Noten nicht unbedingt von einem Arbeitgeber eingeladen würden. Oder weil sie schlichtweg von der Hauptschule kommen“, sagt Jutta Brandt-Koppka, die bei dem Projekt die „Arbeitnehmer“-Seite vertritt. Das Vorurteil, dass Hauptschüler nicht leistungsfähig seien, sei leider immer noch weit verbreitet.
Hans-Jürgen Vogel ist vorerst für zwei Wochen der Chef von Filiz und Benjamin. Und der Geschäftsführer des Edeka Aktivmarkts ist so angetan von den beiden, dass die Zeichen sogar auf Doppel-Einstellung im Anschluss an das Praktikum stehen: „Sie passen beide sehr gut auf, sind sehr pünktlich, passen sich dem Team an und sie stellen Fragen. Viele Fragen, und das ist sehr wichtig für uns.“
Aufgaben wie die "echten" Angestellten
Filiz und Benjamin arbeiten nach einer Woche Praktikum beinahe genau so mit wie die anderen Angestellten. Die Schüler helfen bei der Warenannahme, sortieren anschließend und räumen die Waren ein. „Wir lernen alle Abteilungen kennen und das gefällt mir sehr gut. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich ausgenutzt werde, und das ist mir ganz wichtig“, freut sich Benjamin. Und auch Filiz findet es „hier voll gut“. Ihr mache einfach alles Spaß – vom Vorsortieren der Artikel bis zum Einräumen.
Von den 20 Projekt-Teilnehmern aus dem letzten Jahr sind heute immerhin sechs junge Menschen in einem Ausbildungsverhältnis. Schüler, die „ohne den zweiten Blick nicht erste Wahl bei ihrem jetzigen Ausbilder gewesen wären“, ist sich Jutta Brandt-Koppka sicher. Und auch Thomas Keyen, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Bochum, zweifelt die gängigen Einstellungskriterien an: „Was sagt eine Vier in Mathe über die Einzelhandelsfähigkeiten aus? - Nichts!“