Wanne-Eickel. .

Der elfjährige Junge aus Wanne-Eickel schämte sich, weil sein Zeugnis schlechter war, als das seines Bruders. Eine Dortmunderin entdeckte Mehmet nachts schlafend auf einer Parkbank in Lütgendortmund.

Mehmet ist müde. Er will die Journalisten nicht sprechen. Der Elfjährige verkriecht sich in seinem Zimmer. Die vergangenen Tage waren zu viel Aufregung für ihn. Er schämt sich. Der Junge hat ein mittelgroßes Abenteuer hinter sich.

In fünf Minuten wolle er nach Hause kommen, hatte er am Sonntag noch seinem Bruder gesagt. Mehmet kam nicht. Er lief einfach los. Weg von zu Hause. Wohin und woher, das wird wohl nie ganz ‘rauszufinden sein. Mehmet kann sich selbst nicht so ganz erinnern.

Jungen im Fernsehen wiederentdeckt

Eine Frau sieht ihn am Montag gegen 22.45 Uhr am Busbahnhof Lütgendortmund. Zu spät für so einen kleinen Jungen, denkt sie sich und schickt ihn nach Hause. Später schaut die Frau im Nachtprogramm Wiederholungen der Nachrichten an. 150 Polizisten waren am Tag ausgeschwärmt, um Mehmet zu finden. Ein Hubschrauber stieg auf, Hunde suchten die Spuren des Elfjährigen. Die Dortmunderin sieht im Fernsehen auch ein Foto von Mehmet. Das ist der Junge vom Busbahnhof! Sie alarmiert sofort die Polizei.

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Eine Streife findet Mehmet gegen 3.45 Uhr schlafend auf einer Parkbank. „Müde und unversehrt“, heißt es später im Polizeibericht. Mehmet muss knapp 20 Kilometer zu Fuß marschiert sein, wenn er keinen Umweg genommen hat. Und das durch Straßen, die selbst Erwachsene nachts besser meiden.

Zuerst bekommt er etwas zu essen

Der Junge wird zur Polizei nach Bochum gebracht. Das ausgehungerte Kind bekommt dort erst einmal etwas zu essen. Vater Abduraman Yayla eilt zur Wache. Der 45-Jährige ist erleichtert: „Wir sind so froh, dass er zurück ist.“

Bei der Polizei sieht man keinen Grund, Mehmet die Geschichte vom langen Fußmarsch nicht abzunehmen. „Der Junge wurde zum Sachverhalt befragt. Das ist schon glaubhaft“, sagt Polizei-Sprecher Axel Pütter. Und was die Polizei vor allem beruhigt: „Es ist glaubhaft, dass an ihm keine Straftat verübt wurde.“

Vor dem Haus der Familie an der Wanner Hauptstraße darf Papa Adburaman Yayla jetzt Glückwünsche entgegennehmen, als ob es sein eigener Geburtstag wäre. Das Klappern auf den Holztreppen hinauf in die Dachgeschosswohnung hört kaum auf. Ein Nachbar sieht sich bestätigt: „So leicht kann hier nichts passieren. Wenn man 20 Jahre hier lebt, weiß man, wer hier langgeht. Da verschwindet kein Kind.“

Realschüler war nicht für schlechte Noten bekannt

Mehmet muss zu Hause erklären, warum er ausgerissen ist. „Er muss sich geschämt haben“, sagt Vater Yayla, der neben Mehmet noch drei weitere Söhne und eine Tochter hat. „Sein Bruder Betullah hatte ein besseres Zeugnis.“

Die Aufregung war wohl vergebens. Denn so schlecht scheinen die Noten des Realschülers gar nicht zu sein. „Er ist normal gut“, sagt Abduraman Yayla, der seinen Sohn als „immer zuverlässig“ kannte. Das Zeugnis wird die Familie erst in den nächsten Tagen zu sehen bekommen. „Da war noch ein Fehler drauf.“

Abduraman Yayla versteht nicht, warum sein Sohn solche Angst vor der Rückkehr nach Hause hatte. „Für uns ist Schule doch gar nicht so wichtig. Für uns ist Arbeit wichtig.“ Er will mit Mehmet nicht schimpfen. Hauptsache sei doch, dass der Elfjährige jetzt wieder zu Hause sei. „Jetzt braucht er Ruhe“, sagt der Vater.

Und auch die 16-jährige Schwester des Jungen, die den ermittelnden Beamten als Dolmetscherin zur Seite stand, versichert: „Mehmet bekommt keinen Ärger. Wir sind nur glücklich.“