Herne. Die Bahn reißt die Brücke an der Rottbruchstraße in Herne ab. Der Geisterbahnhof ist bei Lost-Place-Fans beliebt. Was kommt danach?
Man muss im Vorbeifahren schon genau hinschauen. Hinter dem Geländer auf der Brücke Rottbruchstraße führt eine steile Betontreppe nach unten. Die Stufen enden im hohen Gras. Der Weg führt direkt auf eine rostige Bahnbrücke. Noch eine Etage tiefer rauschen die Autos auf der A43 entlang. Auf der Brücke hielten bis 1990 mal Züge, quer über der Autobahn. Mit dem Ausbau der A43 müssen alle Brücken neu gebaut werden. Dann soll bald auch der alte Bahnhof verschwinden. Aber wann? Das Vorhaben ist extrem kompliziert.
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Bahnhof Rottbruchstraße: Lost-Place für Eisenbahn-Freunde
Für Eisenbahn-Fans ist der Halt Rottbruchstraße ein Lost Place. Der Haltepunkt war in dieser Form ein Unikat. Auf drei Etagen übereinander kreuzen sich Autobahn, Bahnlinie und innerstädtische Straße. Der Bahnhof wurde allerdings nicht mehr benötigt, als die Bahnverbindung zwischen Bochum und Herne eingestellt wurde. Nach dem Bau der U35 war ab 1990 die Bahnstrecke aus Sicht der Verkehrsplaner verzichtbar. Über den Abzweig verkehren seitdem nur noch Güterzüge.
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Die Schilder wurden nach mehr als zwei Jahrzehnten irgendwann abgenommen. Jetzt soll mit der Brücke auch der Haltepunkt verschwinden. Die Bahn muss die Brücke ersetzen. Aber der Zeitplan steht komplett in den Sternen. Das Projektteam der Deutschen Bahn (DB) befinde sich „aktuell noch in der Planungsphase“, sagt eine Bahn-Sprecherin: „Die Vorplanung für das Projekt ist bereits abgeschlossen; derzeit läuft die Entwurfsplanung, in der unterschiedliche Bauvarianten geprüft werden.“
Aber wie reißt man eine Verkehrskonstrukt mit drei Etagen und mehreren Verantwortlichen einfach ab, wenn zeitgleich der Verkehr weiter fließen soll? „Das Team versucht dabei insbesondere die Auswirkungen auf den Bahn- und Straßenverkehr möglichst gering zu halten“, sagt die Bahnsprecherin. „Sobald diese Planung abgeschlossen ist, kann die Bauleistung ausgeschrieben werden. Erst nach Vergabe an eine Baufirma kann sich die DB konkreter zum Zeitplan äußern. Die Bauarbeiten werden eng mit der Autobahn GmbH abgestimmt.“
Kleine, aber wichtige Verbindung auf die West-Ost-Trasse
Es steht fest: Die Bahn braucht die neue Brücke an dieser Stelle. Der Schwenk Rottbruchstraße ist die einzige Möglichkeit, direkt von der Nord-Süd-Verbindung, Richtung Osten abzubiegen. Ohne das Gleis müssten die Züge bis Wanne-Eickel oder Recklinghausen fahren und dort wenden.
Die neue Brücke soll voraussichtlich ohne Bahnhof gebaut werden. Dennoch ist ein Bahnhof in diesem Bereich wieder Thema geworden, seit es die neue Linie zwischen Bochum und Recklinghausen gibt. Der RE 41 fährt seit einigen Wochen von Bochum über Recklinghausen nach Haltern und kommt dabei nur einen Steinwurf vom Abzweig Rottbruchstraße vorbei. Der Zug hält allerdings nicht auf Herner Stadtgebiet.
Der neue Haltepunkt unweit des alten ist allerdings weiter Thema. Der VRR will den Halt in Herne mit in die Netzplanungen 2040 aufnehmen. Dabei sollen auch weitere neue Verbindungen um Herne und Wanne-Eickel untersucht werden, hieß es zuletzt beim VRR. „Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, was die Robustheitsplanung der DB ergibt“, sagte ein Sprecher. Dabei will die Deutsche Bahn die Tauglichkeit des bestehenden Netzes für einen Ausbau überprüfen. Dann sei beispielsweise die Frage, ob man ergänzend zum bestehenden Netz das System ausbauen muss und wie umfangreich dieser Ausbau dann seien müsse.
Brücken-Abbau und Neubau bringt A43-Projektleitung auf die Palme
Der Abbau der Brücke Rottbruchstraße hatte jüngst A43-Projektleiterin Carola Ziebs auf die Palme gebracht. Ursprünglich sollte der Stahlriese samt Haltepunkt bereits 2022 abgerissen werden. Aber es scheitere an der Bahn. Für Ziebs war zuletzt komplett offen, wann überhaupt gebaut werden kann. Sowohl die innerstädtische Brücke als auch die Bahnbrücke sollen abgerissen werden.
Das Problem: Die Bahnbrücke wird von der Bahn gebaut. Für die Straßenbrücke ist allerdings die Autobahn GmbH in Abstimmung mit der Stadt zuständig. Beide Projekte müssen aneinander angepasst werden. Und genau das ist die Herausforderung.
Lost-Place-Fans nutzen bis zum Abriss die besondere Lage des Bahnhofs. Das Betreten ist allerdings streng verboten. So stabil die Brücke ist, so instabil sind die Brüstungen hinter der Absperrung. Auch der Zuweg über die Gleise von der Westseite ist gefährlich. Hier verkehren auf drei Gleisen Züge mit bis zu 100 Stundenkilometern.