Herne. „Ich bin fast ausgeflippt“: Eltern der Kita Am Weustenbusch sind schockiert. Die Stadt gibt ihre Kita als Träger ab. Was das für sie bedeutet.

Für die Eltern kam die Nachricht völlig unerwartet: Die Stadt Herne gibt die Trägerschaft der Kita Am Weustenbusch zum 1. August ab. Nach der Kita Langforthstraße ist es bereits die zweite Kita, von der sich die Stadt kurzfristig trennt, um das Personal in eine neu eröffnende städtische Kita wechseln zu lassen. Neuer Träger wird ein in Herne bisher völlig unbekannter Akteur: der Internationale Bund (IB).

„Ich bin fast ausgeflippt, als ich davon gehört habe“, beschreibt Karina Majer, Elternbeiratsvorsitzende der Kita Am Weustenbusch, ihre spontane Reaktion, als sie am Montag in kleiner Runde über die Pläne der Stadt informiert wurde. „Dass das gesamte Personal weggeht, ist eine Katastrophe!“ Ihr Sohn Lev (4) sei erst im Sommer eingewöhnt worden, was nicht leicht gewesen sei, und nun stünde ihnen dasselbe Prozedere erneut bevor. Denn auch wenn der IB die Kita, deren Räume sich seit einiger Zeit in Containern befinden, samt Ausstattung übernehmen soll, die Erzieherinnen und Erzieher bleiben nicht, sondern wechseln in die neu entstehende Kita „Am Berg“.

„Ich war sehr zufrieden in der Kita, aber so, wie das jetzt gelaufen ist, damit bin ich überhaupt nicht einverstanden“, sagt Karina Majer. „Das wird auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Es wird überhaupt keine Rücksicht genommen – wie schon bei der Kita Langforthstraße.“ Die Mutter spricht gar von einem „Vertrauensbruch“.

Träger-Wechsel in Herner Kitas - Lesen Sie auch:

Am Dienstagmorgen erhielten die übrigen Eltern ohne Vorankündigung und somit völlig unerwartet ein Schreiben, in dem sie über den Trägerwechsel informiert wurden. Darin wird der IB als „renommierter Dienstleister in der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit vorgestellt. Tatsächlich wird es zwar die erste Kita des IB im Ruhrgebiet sein, sagt Sachgebietsleiterin Melanie Brüchner auf WAZ-Anfrage. Bundesweit betreibe der IB aber bereits mehr als 130 Kindertageseinrichtungen. In Herne sei der IB bisher eher im Bereich der beruflichen Bildung, sozialen Arbeit und mit einer Integrationssprechstunde aktiv. „Wir möchten künftig aber mehr Kitas aufbauen, auch in Herne, weil der Bedarf einfach da ist“, so Brüchner.

Den Übergang möchte der IB den Kindern möglichst leicht machen. So werde der Container genau so gemietet, wie er jetzt dort steht, inklusive Mobiliar, sodass die Kinder alles so wiedererkennen würden, wie es derzeit ist, betont Brüchner. Die künftige Kita-Leitung, eine gelernte Erzieherin, die unter anderem bereits als Leitung einer OGS mit Kindern gearbeitet habe, solle zudem bereits ab der kommenden Woche in der Einrichtung hospitieren, um die Kinder kennenzulernen. Zudem erhalten die Eltern die Option, entweder Am Weustenbusch zu bleiben oder mit dem Personal nach Bickern zu wechseln.

„Die Eltern haben mich bombardiert. Sie sind sehr, sehr sauer“, sagt Karina Majer. Denn auch sie fühlen sich – wie schon bei der Kita Langforthstraße – von der Stadt vor vollendete Tatsachen gestellt. Diese habe angegeben, selbst erst seit zwei Wochen vom Trägerwechsel zu wissen, sagt die Elternvertreterin. Aber das könne nicht stimmen: „Warum wurden dann für den Sommer nur zwei neue Kinder aufgenommen?“ Das sei doch schon im Wissen um den Wechsel geschehen, davon ist Karina Majer überzeugt.

Am Donnerstagnachmittag sollte es eine Vollversammlung geben, bei der die Eltern weitere Informationen erhalten sollen. Immerhin geschieht dies, anders als bei der Kita Langforthstraße, bevor der Ausschuss am kommenden Mittwoch über den Trägerwechsel entscheidet. Dort werden sie unter anderem erfahren, dass die bisher dreigruppige Kita unter neuem Träger zunächst nur mit zwei Gruppen an den Start gehen soll. Seien noch Plätze zu vergeben, würde auf die bestehende Warteliste zurückgegriffen, sagt Brüchner vom IB.

Aber noch etwas ärgert die Elternbeiratsvorsitzende: „Uns wurde immer gesagt, dass die Kinder nur vorübergehend in den Containern untergebracht sind.“ Möglichst zeitnah sollten sie in einen Neubau einziehen, der auf dem brachliegenden Gelände entstehen sollte, wo die ehemalige Kita Am Weustenbusch stand, bevor sie abgerissen wurde. Doch bei der Sitzung mit Stadt und Kita-Leitung sei ihnen gesagt worden, dass dies nie der Fall sein werde. Die Kita Am Westenbusch, dann unter der Trägerschaft des IB, solle in den Containern bleiben, erzählt Karina Majer fassungslos. Und auf dem Brachgelände solle neu gebaut werden – für einen anderen Träger.

„Auf dem ursprünglichen Gelände der Tageseinrichtung ,Am Weustenbusch‘ wird eine sechsgruppige Einrichtung in freier Trägerschaft entstehen. Geplant ist eine Fertigstellung im dritten Quartal 2025“, teilt die Stadt auf Anfrage dazu mit. Die Einrichtung „Am Weustenbusch“ sei ein wichtiger Standort. „Die Bedarfe an Kinderbetreuung in diesem Einzugsgebiet sind sehr hoch. Eine Aufgabe des Standortes kam für die Stadt Herne nicht in Betracht“, so Stadtsprecherin Anja Gladisch. „Leider kam es zu Verzögerungen bei dem geplanten Neubauvorhaben am alten Standort der Tageseinrichtung.“ Und nun trennt sie sich also davon.

Auf diesem Brachgelände der ursprünglichen Kita Am Weustenbusch in Herne soll eine neue Kita gebaut werden.
Auf diesem Brachgelände der ursprünglichen Kita Am Weustenbusch in Herne soll eine neue Kita gebaut werden. © WAZ | Kathrin Meinke

Die Kita ist bereits die zweite Kita, die binnen kürzester Zeit von der Stadt als Träger abgegeben wird. Müssen nun Eltern anderer städtischer Kitas fürchten, bald ein ähnliches Schreiben zu erhalten? Möchte sich die Stadt auch aus anderen Kitas als Träger zurückziehen? „Derzeit ist nicht geplant, weitere Tageseinrichtungen in städtischer Trägerschaft an einen Träger zu übergeben“, sagt Anja Gladisch dazu.

Das ändert für die nun betroffenen Eltern aber nichts. „Man fühlt sich hintergangen“, sagt Mutter Anita Camiletti. Die Container sollten durch einen Neubau ersetzt werden, das sei von Anfang an so kommuniziert worden. Michelle Walter hat erst ganz frisch den Betreuungsplatz für ihre Tochter Kate ab Sommer bekommen. Nie sei die Sprache davon gewesen, dass es einen neuen Träger geben werde, immer sei sie davon ausgegangen, dass ihre Tochter, so wie ihr Sohn Tyga, der bereits die Kita besucht, in ein neues Gebäude wechseln würden. Nun sei ihr Sohn niedergeschlagen, weil er hörte, dass die Erzieherinnen alle gehen würden. Schließlich hänge er sehr an ihnen, sagt die Mutter.

Für Karina Majer sowie einige andere Eltern steht schon fest: „Wir werden die Kita wechseln.“ Sie habe kein gutes Gefühl beim Trägerwechsel, und auch die Dauerlösung im Container sei keine schöne. Sie hofft nun, dass nicht nur das Personal, sondern auch einige von Levs Freuden mit zur Kita Am Berg wechseln. Doch auch dann bleibt eine Sorge: „Wird die Kita überhaupt bis zum Sommer fertig?“, fragt sie sich. Sie sei bereits vor Ort gewesen und es sei noch einiges zu tun, bis dort Kinder spielen könnten.