Herne. Die Stadt Herne gibt eine Kita an einen freien Träger ab und nimmt das Personal mit zu einer anderen Einrichtung. Was Eltern der Stadt vorwerfen.
Die Eltern der Kita Langforthstraße sind stinksauer: Am Mittwoch haben sie ohne jede Vorwarnung die Information erhalten, dass die Stadt die Trägerschaft der Kita zum 1. August an die Arbeiterwohlfahrt (Awo) abgibt. Denn das, was sich erstmal wie ein rein formaler Akt anhört, hat deutliche Folgen für die Kinder: Die Stadt möchte nämlich sämtliche Erzieherinnen und Erzieher aus der Kita abziehen und in der Kita Am Freibad in Wanne arbeiten lassen, die dort im Sommer neu eröffnen soll.
„Ich bin sauer, wütend und enttäuscht“, sagt Dennis Skerra, dessen Sohn und Tochter derzeit die Kita an der Langforthstraße besuchen. Auf zwei Zetteln habe er ohne jede Vorwarnung von der schlechten Nachricht erfahren. „Meine Tochter ist drei und ist jetzt ein halbes Jahr dort. Wenn ich mir vorstelle, dass das ganze Personal ausgetauscht wird und sich die Kinder an komplett neue Gesichter gewöhnen müssen, finde ich das für so kleine Knirpse sehr undankbar und sozialpädagogisch auch nicht sehr sinnvoll“, so Skerra.
Die Eltern der insgesamt 90 Kinder würden einfach vor vollendete Tatsachen gestellt. Ein Infoabend sei für den 22. Februar angesetzt - einen Tag, nachdem der Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie endgültig über den Trägerwechsel abstimmen soll. Diese Terminierung sei ebenfalls sehr unglücklich, findet der Vater.
Die Stadt Herne begründete den Wechsel in einer ersten Pressemitteilung so: „Um die Trägervielfalt in Herne weiter abbilden zu können, haben die Stadt Herne und die Arbeiterwohlfahrt (Awo) entschieden, die städtische Kita Langforthstraße in die Trägerschaft der Awo zu überführen – vorbehaltlich der Zustimmung des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie.“ Dieser Schritt sei erforderlich, da die Stadt Herne die Anzahl der Kita-Betreuungsplätze im Stadtgebiet durch den Neubau von zwei Kitas erweitern wird.
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„Diese Begründung der Stadt ist absurd“, sagt Elisa Herrmann, Vorsitzende des Elternbeirates. Die Stadt baue zwei Kitas neu auf – warum übernehme dann nicht die Awo die Trägerschaft einer der neuen Kitas? Warum müssten den Kindern die bekannten Erzieherinnen genommen werden? „Nur eine Kita als Alternative angeboten zu bekommen, ist auch ein bisschen dürftig“, findet sie. Die Kita-Platzvergabe sei gerade vorbei und somit auch die Chance, sich auf einen anderen Kita-Platz zu bewerben. Sie habe viel geweint, seit sie von dem Trägerwechsel erfahren habe. „Mein Kind ist mein Leben, und ich möchte es nicht jedem anvertrauen“, sagt sie und kämpft erneut mit den Tränen.
Für viele Eltern ist es ein sehr emotionales Thema. Spontan kommen am Donnerstagmittag viele zusammen, um ihren Gefühlen gegenüber der WAZ Ausdruck zu verleihen. Sie alle betonen, wie glücklich sie mit dem bisherigen Personal und dem Konzept der Kita seien und bringen ihre Angst zum Ausdruck, dass sich dies unter einem neuen Träger und neuer Leitung ändern könnte. Auch eine Änderung der Öffnungszeiten könnte für berufstätige Eltern zu Schwierigkeiten führen.
Und weitere Fragen bleiben nach dem Infoschreiben der Stadt zunächst unbeantwortet. So teilt diese mit: „Um eine gute koordinierte Umstellung und den Einsatz des neuen Personals behutsam steuern zu können, erfolgt der Start der Gruppen aufbauend in der Zeit von August bis Oktober 2024.“ Aber was bedeutet das für die Eltern? „Wie läuft es in der Zeit bis Oktober?“, fragt sich etwa Mutter Jessica Fenneken. „Wir sind beide berufstätig und auf die Betreuung angewiesen.“
Details kann Christopher Becker, Sprecher der Awo Ruhr-Mitte, auf WAZ-Anfrage zunächst noch nicht benennen. Bis zum Elternabend wolle sich die Awo noch ein Bild machen und Informationen zusammentragen. Ausreichend Personal stünde auf jeden Fall bereit: „Wir haben das Glück, dass wir in den letzten Jahren viel ausgebildet haben, sodass wir aus diesem Repertoire schöpfen können, um ein Team zusammenzustellen aus erfahrenen und jungen Kräften.“ Keine Kita müsse Sorge haben, dass Personal reduziert werde. Eine Übernahme einer laufenden Kita sei zwar nicht häufig, aber hier und da komme das durchaus vor. Die Stadt Herne hatte bereits vor fünf Jahren gesagt, dass die Kita Langforthstraße nicht mehr den Standards entspreche.
Stadt Herne stellt Eltern frei, mit Personal in neue Kita zu wechseln
Die Stadt stellt den Eltern in dem Infoschreiben, das der WAZ vorliegt, frei, die Kinder mit in die neue Kita Am Freibad wechseln zu lassen. „Wir freuen uns über die Möglichkeit, dass Ihre Kinder weiterhin in der bekannten Umgebung betreut werden können“, heißt es da. „Alternativ möchten wir Ihnen das Angebot unterbreiten, mit dem vertrauten Personal in die neue städtische Einrichtung Am Freibad in Wanne zu wechseln.“
Für die Eltern sei ein Wechsel aber mit deutlich längeren Anfahrten verbunden. „Ich habe mich damals bewusst für eine nahe Kita entschieden“, sagt Dennis Skerra. Im Moment fahre er zwei Minuten bis zur Kita, nach Wanne bräuchte er je nach Verkehr bis zu einer halben Stunde. Und Elisa Herrmann betont: „Wir wohnen hier, meine Tochter soll doch auch mal hier zur Grundschule gehen.“ Ein Wechsel komme für sie deshalb nicht infrage. „Wir appellieren an die Politik, sich noch mal ganz genau zu überlegen, ob das im Sinne der Kinder ist“, sagt die Elternbeiratsvorsitzende. Vielleicht könne man, so ihre Hoffnung, mit der Awo noch eine andere Lösung mit einer anderen Kita finden.