Herne. Ein Absagen-Hagel an Herner Realschulen ließ verzweifelte Eltern zurück. Wie soll es weitergehen, um dem Elternwunsch künftig gerecht zu werden?
Bei den Anmeldungen für die weiterführenden Schulen hat es vor allem von den Realschulen in Herne Absagen gehagelt. Mit Strünkede und Sodingen hatten gleich zwei der vier Schulen in der Stadt viel zu viele Anmeldungen. Und da diese Schulform so beliebt ist, konnte den meisten Viertklässlerinnen und Viertklässlern, die eine Absage erhalten haben, auch kein alternativer Platz an einer Realschule angeboten werden. Sie müssen entgegen ihrem Wunsch eine andere Schulform wählen. Doch was heißt das für die künftige Schulplanung in Herne? Wird die Zügigkeit der Realschulen Strünkede und Sodingen dauerhaft erweitert oder gar eine neue Realschule gegründet?
Eine emotionale Berg- und Talfahrt war das Anmeldeverfahren auch für Rabea Garczarek, Leiterin der Realschule Sodingen, für die sich in diesem Jahr mit 123 Anmeldungen gleich 28 mehr Kinder als noch im Vorjahr entschieden. „Erstmal freut man sich natürlich über die Anmeldungen, weil das vielleicht auch ein bisschen der Lohn für die Arbeit ist“, sagt Garczarek. „Ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass ich den vierten Zug bekomme.“ Denn bereits im Vorjahr war an der eigentlich dreizügigen Schule eine Mehrklasse ab der 5 eingerichtet worden, wegen der hohen Nachfrage an Realschulplätzen in Herne. Vor allem die Realschule Strünkede erhält seit Jahren mehr Anmeldungen als Plätze zur Verfügung stehen.
Doch dann kam die Ernüchterung: Die Bezirksregierung habe vorgegeben, dass kein vierter Zug beantragt werden könne. Der Grund: Zu viele freie Schulplätze an anderen Schulen. Relevant dürften hierbei vor allem die vielen Plätze an der Mont-Cenis-Gesamtschule gewesen sein. Rein rechnerisch könnten die Schülerinnen und Schüler dort unterkommen. Dass es bei Eltern und Kindern bei der Platzwahl um viel mehr geht als reine Mathematik, hat in Arnsberg offensichtlich keine Beachtung gefunden.
„Das ist eine fürchterliche Situation für die Eltern“, weiß Rabea Garczarek. 43 Kinder musste sie ablehnen. Sie habe viele Nachfragen von Eltern erhalten, die doch noch auf ein Schlupfloch hofften, andere seien erbost zur Schule gekommen, wieder andere hätten vor Verzweiflung geweint. „Eine Umverteilung zu anderen Schulformen ist immer ärgerlich, weil sich Eltern ja bewusst für eine Schulform entschieden haben“, sagt Schuldezernent Andreas Merkendorf mit Blick auf das diesjährige Anmeldeverfahren. Es sei eine Ausnahmesituation, dass in Herne, anders als im restlichen Land, die Realschulen seit Jahren so gut angenommen würden.
Sollte die Realschule Sodingen vielleicht dauerhaft auf vier Züge ausgeweitet werden, um dem Elternwunsch gerecht zu werden? „Das ist eine schwierige Frage und ich bin froh, dass ich sie nicht entscheiden muss“, sagt Schulleiterin Garczarek. Sie geht davon aus, dass Eltern sich häufig für kleinere Systeme, kleinere Schulen entschieden und deshalb für die Realschulen, da die Gesamtschulen in Herne sehr groß seien. „Die Beziehungsebene ist in kleineren Systemen wie der Realschule besser möglich.“ Deshalb sei es für sie okay, dass ihre Schule zweimal vierzügig sei, „ansonsten würde ich aber dafür plädieren, Schulen möglichst klein und übersichtlich zu halten.“
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Braucht es also eine fünfte Realschule für Herne? Im Sommer 2023 hatte Schuldezernent Andreas Merkendorf öffentlich angekündigt, dass Herne wegen zu wenig Schulraum eine zusätzliche weiterführende Schule brauche, und sich für eine vierte Gesamtschule starkgemacht. Aber entspricht dies überhaupt dem Elternwunsch, wenn die Anmeldezahlen einen klaren Überhang an Realschulen zeigen und diese nicht erweitert werden dürfen, da noch Plätze an Gesamtschulen in der Stadt frei sind?
„Wenn man es nach Klasse 4 sieht, bräuchte man neue Züge im Realschulbereich“, sagt Merkendorf. „Wenn man ab Klasse 7 guckt, braucht man mehr Züge im Gesamtschulbereich.“ Die Zahlen der Schulformwechsler zeigten: „Die Kinder gehen nach der vierten Klasse zur Realschule und gehen dann nach der sechsten Klasse von der Realschule ab zur Gesamtschule“, erläutert Merkendorf. Solange es das System der Erprobungsstufe so gebe, werde es auch dieses Problem geben.
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Er verschließe sich vor der Option einer weiteren Realschule nicht. Der Prozess laufe und sei offen, betont er. Fest stehe nur, dass es mehr Schulraum an weiterführenden Schulen brauche. „Die Not ist groß, der Druck ist da. Die Kinder werden noch mehr und müssen beschult werden“, so Merkendorf. Dennoch liegt seine Präferenz weiter – ungeachtet der aktuellen Anmeldezahlen – bei einer zusätzlichen Gesamtschule. Denn nur so könnten die bestehenden Gesamtschulen Züge abgeben und attraktiver für Eltern werden, sagt der Schuldezernent. Und da würden auch die Realschulen entlastet. Er sei frohen Mutes, bis August/September spruchreife Alternativen benennen zu können.