Herne. Herner Ärzte und Krankenhäuser tauchen oft in Rankings von Focus, Stern und Newsweek auf. Für die Siegel fließt Geld. Was ist das wert?
Herner Krankenhäuser haben sich offensichtlich über viele Jahre hinweg Siegel für die Auszeichnung in verschiedenen Ärzte- und Klinik-Rankings gekauft. Dabei griff wohl vor allem die St.-Elisabeth-Gruppe tief in die Tasche. Aber auch das Evangelische Krankenhaus schmückte sich mit gekauften Siegeln. Hinter den Auszeichnungen steckt allerdings eine tatsächlich ohne Geldleistung durchgeführte Bewertung. An deren Objektivität gibt es aber ebenfalls Zweifel, sogar vom Gericht.
- Herner Krankenhäuser haben sich „Siegel“ unter anderem beim Focus gekauft, offensichtlich für insgesamt hohe fünfstellige Summen
- Für die Listen dahinter floss kein Geld
- Ein Gericht hielt die Praxis bereits für nicht rechtens
- Die Anbieter rechtfertigen sich
Marienhospital dieses Mal abgeschlagen auf Platz 183
Man konnte stutzen. Denn gerade erst landete das Marienhospital am Hölkeskampring in einem Ranking des US-Magazins Newsweek auf Platz 183 in Deutschland – abgeschlagen auf einem der eher hinteren Plätze in Deutschland. Bei den Focus-Rankings dagegen ist die Klinik stets vorne dabei. Wie kann das sein?
Die Grundlagen ähneln sich auf den ersten Blick: Basis für das international durchgeführte Newsweek-Ranking sei unter anderem eine Online-Umfrage unter mehr als 85.000 medizinischen Experten, heißt es bei Newsweek. Hinzu kämen öffentliche Daten aus Patientenbefragungen sowie bestimmte Kriterien, etwa zum Patienten-Arzt-Verhältnis oder zur Hygiene.
Focus Gesundheit reagiert mit ausführlichen Erklärungen auf Kritik und ein Urteil, verweist aber auf ähnliche Methodiken: „Die Listen werden von der FOCUS Gesundheit-Redaktion auf Basis umfangreicher Recherchen journalistisch unabhängig, objektiv und neutral erstellt“, heißt es. Dazu gehörten unter anderem Ärztebefragungen, Selbstauskünfte und wissenschaftliche Publikationen. Im Kleingedruckten schränkt Focus ein: „Medizinische Qualität ist nicht in jedem Detail erfassbar.“
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Für jedes Siegel wird gezahlt: 2000 Euro für jede Abteilung
Wer Teil der Liste sein will, muss beim Focus nicht dafür zahlen. Allerdings kostet das Siegel, mit dem beide Herner Kliniken dann ihre Ärzte als Focus-Empfehlung letztlich bewerben, auch Geld: laut Gericht etwa 2000 Euro. Gegen diese Praxis ging die Wettbewerbszentrale bereits vor dem Landgericht München vor und bekam in einer (bislang nicht rechtskräftigen) Entscheidung Recht. Auf WAZ-Nachfrage bestätigen beide Herner Kliniken die Zahlungen nicht, verneinen sie aber auch nicht. Die Evangelische Krankenhausgesellschaft will sich gar nicht zu Fragen äußern.
Focus verstoße mit den Siegeln gegen das „Irreführungsverbot“, hieß es vom Gericht. Mit den Siegeln werde bei Patientinnen und Patienten „der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als ,TOP-Mediziner‘ bezeichnet bzw. als ,FOCUS-Empfehlung‘ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen.“
„Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie z. B. die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit“, erklärte eine Gerichtssprecherin das Urteil ihrer Kollegen.
Klinik: Verwenden Logos, da Listen langjährig etabliert sind
„Wir verwenden die Logos des Focus, da diese Klinik- und Ärztelisten bereits langjährig etabliert sind“, sagt Sabine Edlinger, Geschäftsführerin der St.-Elisabeth-Gruppe auf WAZ-Nachfrage. Wie viel in der Summe für die Siegel gezahlt wurde, bleibt zunächst unbeantwortet. Es handelt sich rein rechnerisch um höhere fünfstellige Summen innerhalb der vergangenen zehn Jahre. „Wir informieren ergänzend, wenn verschiedene renommierte Zeitungen Kliniken und Ärzte auszeichnen. Themen rund um die Krankenhäuser kommunizieren wir auf unterschiedlichen Kanälen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten“, sagt Edlinger. Man habe auch über die Newsweek-Bewertung informiert. Diese sei aus Sicht der Elisabeth-Gruppe besser als unterstellt: „Zwei Krankenhäuser der St. Elisabeth Gruppe zählen zu den rund 220 ausgewählten Krankenhäusern von insgesamt 1893 deutschen Krankenhäuser, die auf die Liste dieser Publikation aufgenommen wurden.“
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Man investiere regelmäßig in Personal und Ausstattung, erklärt Edlinger. „Diese Qualität lässt die St. Elisabeth Gruppe regelmäßig durch Zertifizierungen verschiedener Fachgesellschaften und deren Fachexperten überprüfen. Sowohl die kontinuierlichen Investitionen in die Qualität als auch die zahlreichen Zertifizierungen werden regelmäßig kommuniziert.“
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Focus argumentiert: Siegel finanziert objektive Bewertung
Focus rechtfertigte sich, dass die Vergabe des Siegels die objektive Bewertung lediglich finanziere und kündigte Rechtsmittel an. Das Urteil erfasse „nur die konkrete Gestaltung der Siegel aus den Jahren 2020 und 2021 und betrifft nur FOCUS-Gesundheit als Anbieter der Siegel, enthält aber keine Pflichten für einzelne Ärzte. Somit hat das Urteil aktuell keine Auswirkungen für empfohlene Mediziner, die das Siegel verwenden möchten“, erklärte Focus Gesundheit in einer Mitteilung in eigener Sache. Auch der „Stern“ verkauft Nutzungsrechte an seinen Siegeln.
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