Herne. Die Politik sprach von „Bauchschmerzen“, ein Bürger fühlte sich gar getäuscht: Warum dennoch 20 Bäume für ein Kinder- und Jugendprojekt weichen.

Die SPD sprach von „Bauchschmerzen“, Grüne und Linke wollten der Stadt nicht folgen, ein Anwohner fühlt sich „hinters Licht geführt“: Trotzdem hat die Bezirksvertretung Sodingen am Mittwochabend auf Vorschlag der Verwaltung die Fällung von 20 Bäumen für die Errichtung eines Zelt- und Containerdorfes von Circus Schnick-Schnack am Jürgens Hof in Horsthausen beschlossen.

Das Votum fiel im Veranstaltungszentrum Gysenberg am Ende sogar einstimmig aus, weil sich Grüne und Linkspartei offenbar aus Respekt vor der Arbeit des Mitmach-Zirkusprojekts der Stimme enthielten. Nach Fällung der Bäume wird Schnick-Schnack – bislang an der Roonstraße beheimatet – diesen neuen Standort neben der Grundschule Jürgens Hof beziehen. Die traditionelle Zeltwoche soll 2024 bereits auf dem neuen Gelände stattfinden.

Mit Jugendlichen und Kindern präsentierte Circus Schnick-Schnack im Juni 2023 an der Roonstraße die Ergebnisse der Zeltwoche. Im kommenden Jahr soll die traditionelle Veranstaltung bereits am neuen Standort Jürgens Hof stattfinden.
Mit Jugendlichen und Kindern präsentierte Circus Schnick-Schnack im Juni 2023 an der Roonstraße die Ergebnisse der Zeltwoche. Im kommenden Jahr soll die traditionelle Veranstaltung bereits am neuen Standort Jürgens Hof stattfinden. © FUNKE Foto Services | Christof Köpsel

Wegen der Irritationen hatte am Mittwoch kurz vor der Sitzung sogar noch ein Ortstermin stattgefunden. In der Sitzung bedauerte Stadtgrün-Chef Heinz-Jürgen Kuhl anschließend, dass offenbar „ein falscher Eindruck“ entstanden sei. Zur Erinnerung: Im Mai hatten Stadt und Schnick-Schnack im Bezirk erklärt, dass „nahezu kein schützenswerter Baum“ weichen müsse, weil man nicht zuletzt aufgrund großer Anstrengungen von Schnick-Schnack auf dem Areal um die großen und schützenswerten Bäume herum planen könne.

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In der Sache blieb Kuhl bei dieser Einschätzung. Die nun zu fällenden Bäume seien „wild gewachsen“ und entweder durch Samenflug entstanden oder weil Vögel etwas verloren hätten („Vogelschisspflanzen“). Die Bäume – überwiegend Eschen und Pappeln – hätten keine hohe Qualität und nur noch eine eher kurze Lebensdauer. Sie würden durch Kirsch- und Ahornbäume ersetzt, die schon in zehn bis 15 Jahren einen höheren ökologischen Wert hätten als die jetzigen Gehölze.

Vor Kritik schützte ihn diese Erklärung nicht. Sie seien „fast vom Stuhl gefallen“, als sie die Beschlussvorlage der Stadt für die Baumfällungen gelesen hätten, sagte SPD-Fraktionschef Michael Weberink. Er forderte Stadtgrün für die Zukunft zu „mehr Klarheit und Transparenz“ auf. Bezirksbürgermeister Mathias Grunert wies darauf hin, dass man „Bauchschmerzen“ habe, weil hier eine Art Biotop weichen müsse.

Übte Kritik an Stadtgrün: SPD-Bezirksfraktionsvorsitzender Michael Weberink (re.), hier mit seinem Vize Ernst Schilla.
Übte Kritik an Stadtgrün: SPD-Bezirksfraktionsvorsitzender Michael Weberink (re.), hier mit seinem Vize Ernst Schilla. © loc

Die Grünen lobten die „tolle Arbeit“ von Schnick-Schnack. Das ändere aber nichts daran, dass sie große Vorbehalte hätten, so Fraktionsvorsitzender Klaus-Dieter Gülck. Sie seien unglücklich damit, dass für das neue Zeltdorf ein Teil des Baumbestandes und ein Biotop vernichtet würden und kein geeigneterer Standort gefunden worden sei.

Zu Wort meldete sich auch ein Anwohner des künftigen Schnick-Schnack-Quartiers in Horsthausen. „Wer das Gelände kennt, der weiß, dass es nur mit einem Kahlschlag enden kann“, sagte Hartmut Räußer. Er habe den Eindruck, dass alle Beteiligten „von vorneherein hinters Licht geführt worden sind“. Angesichts zahlreicher Industriebrachen in Herne hätte es doch eigentlich nicht so schwer sein können, einen besseren Standort zu finden, so der Bürger.

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Das letzte Wort hatte Schnick-Schnack-Mitgründer und Aufsichtsratsmitglied Rainer Deutsch. Er habe Verständnis für die Anwohner, aber: „Wir prüfen seit 1999 Standorte und sind nun nach 20 Jahren endlich an einen Punkt gekommen, an dem wir eine echte Perspektive haben.“ Und er sei davon überzeugt, dass es künftig ein gutes Miteinander am Jürgens Hof geben werde.