Herne. Ein Stadtteil in Herne ist in Aufruhr, weil es an einem Müllauto nach Chlor riecht. Welche Rolle spielt der Wasserstoff-Antrieb beim Großalarm?

Bitte alle in die Wohnungen! Wer als Anwohner am Freitagmorgen seinen Fuß auf die Straße Lackmannshof setzt, wird vom Geheul der Martinshörner und Blaulicht begrüßt – und durch die Polizei höflich zurückgewiesen. ABC-Alarm! Feuerwehrleute laufen wie Marsmännchen verkleidet über den Platz zwischen Westring und Forellstraße. Die Siedlung ist in Aufregung. +++ Alle Hintergründe zum Einsatz hier! +++

Rauch und Chlorgeruch – Besatzung schlägt Alarm

Gegen 8.30 Uhr hat die Besatzung eines Restmüll-Fahrzeugs an der Ladeklappe nebelartig aufsteigende Dämpfe bemerkt. Es riecht nach Chlor. Die Müllleute schlagen Alarm. Die Feuerwehr rückt mit einem Großaufgebot aus. In ersten Meldungen heißt es, das Fahrzeug brenne. Das stellt sich hinterher als falsch heraus, hat aber eine besondere Brisanz, weil der Müllwagen ein Wasserstoff-Fahrzeug ist. Diese gelten zwar als genauso sicher wie andere Fahrzeuge, nur es fehlt aus Mangel an Zwischenfällen an praktischen Erfahrungen, die das auch in der Realität bestätigen.

Die Feuerwehr baut eine Sicherheitszone auf, wie sie bei einem Gefahrguteinsatz dieser Art vorgesehen ist. Erst einmal wird 50 Meter Abstand gehalten. Die Zone im Bereich zwischen 50 und 100 Metern wird zum Arbeitsbereich für die Feuerwehr erklärt. Die Straßen daneben werden abgesperrt. Die Feuerwehr verschickt eine Warnmeldung an die Bevölkerung über das System Nina. „Wir sind immer erst einmal auf der vorsichtigen Seite“, sagt Feuerwehrsprecher René Bonn.

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Vier Wasserstofftanks mit jeweils 16,4 Kilo Wasserstoff

Welche Rolle spielt der Wasserstoff im Tank für den Großeinsatz? Jeder, der mal Chemieunterricht hatte, erinnert sich noch an die Knallgasprobe mit kleinsten Mengen Wasserstoff. Das möchte man sich nicht bei vier großen Tanks vorstellen. Erst einmal sei das kein wesentlicher Faktor, erklärt René Bonn. „Selbst bei einem Brand würde Wasserstoff gezielt durch Sicherheitsventile abgeblasen.“

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Es bestehe dabei natürlich immer die Gefahr, dass sich der Wasserstoff entzündet, wenn eine Zündquelle vorhanden ist. Der Wasserstoff brenne dann aber kontrolliert ab, sagt Bonn. Das sei der wichtige Faktor. Man könne dann sicher mit einem entsprechenden Abstand weiterlöschen, wenn das Fahrzeug brenne. „Wir müssen davon ausgehen, dass alle Sicherheitseinrichtungen funktionieren.“

Die sechs Abfallsammelfahrzeuge (so heißen die Müllwagen korrekt) von der Firma Faun verfügen über drei 30 Kilowatt starke Brennstoffzellen. Dazu kommen vier Wasserstofftanks, die jeweils 16,4 Kilo Wasserstoff fassen.

Die ersten sechs wasserstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeuge von Entsorgung Herne bei ihrer Vorstellung Ende 2022.
Die ersten sechs wasserstoffbetriebenen Abfallsammelfahrzeuge von Entsorgung Herne bei ihrer Vorstellung Ende 2022. © FUNKE Foto Services | Michael Korte

Feuerwehr entlädt das Müllfahrzeug – Schleusen zur Dekontamination aufgebaut

Ein Feuerwehrfahrzeug nach dem anderen trifft ein. Die Feuerwehr baut Schleusen zur Dekontamination auf. Nach einem ersten Gesundheitscheck gibt es Entwarnung für die vier Menschen von der Besatzung des Müllfahrzeugs.

Gut zwei Stunden nach dem ersten Alarm beginnt die Feuerwehr vorsichtig damit, das Müllfahrzeug zu entladen. Was hat den Rauch verursacht? Grundsätzlich ist erst einmal alles möglich. Es kann brennen, explodieren oder eben Menschen vergiften.

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Stück für Stück wird der Müll abgekippt, während weiter alle Sicherheitsmaßnahmen laufen. Glück im Unglück: Unter den Einsatzkräften ist ein Freiwilliger Feuerwehrmann, der selbst bei Entsorgung Herne regelmäßig mit dem Fahrzeug zu tun hat. Das erleichtert die Koordination.

Erst am Mittag dann endgültig Entwarnung. Es wurde nichts gefunden, das auf eine größere weitere Gefahr hindeuten würde. Es sei gut möglich, dass weggeworfene Reinigungsmittel miteinander reagiert haben und wie beim Chemie-Experiment den Nebel verursachten. „Das ist aber reine Spekulation“, erklärt René Bonn. „Wir wissen es nicht.“