Herne. Sind Herner Restaurants in Gefahr? Was die Wirte an der geplanten Mehrwertsteuer-Erhöhung kritisieren – und was sie fordern.
In vielen Herner Restaurants könnte es bald für Gäste sehr teuer werden: Wenn die Mehrwertsteuer für Speisen Ende des Jahres steigt, müssen einige der Gastronomen ihre Preise erhöhen. Hernes Wirte rechnen deshalb mit schwindenden Besucherzahlen und hohen Verlusten. Einige Betriebe stehen dann vor dem Aus, heißt es.
Zum Hintergrund: Wegen der finanziellen Einbußen der Wirte während der Corona-Pandemie hatte die Bundesregierung 2020 die Mehrwertsteuer gesenkt – von 19 auf sieben Prozent. Nachdem die Maßnahme mehrfach verlängert wurde, droht den Gastronomen nun am 31. Dezember 2023 die Rückkehr zum Regelsteuersatz. Nach Aussagen des Deutsche Hotel- und Gaststättenverbandes Nordrhein-Westfalen (Dehoga) wäre dies „ein Fiasko – mit Ansage“. Bis zu 2500 Betriebe könnten ab Jahresanfang dadurch gefährdet sein. Erst im November entscheide die Bundesregierung, ob die Maßnahme doch noch einmal verlängert wird, heißt es.
Ollis Restaurant: „Es macht keinen Spaß mehr“
Gemeinsam mit Oliver Janiszewski leitet Sandra Braun „Ollis Restaurant“ am Gysenbergpark. „Offengestanden glaube ich nicht an die Verlängerung der Maßnahme“, sagt die Gastronomin. Ihrer Meinung nach zeigt die Bundesregierung keine Bereitschaft, der Branche tatsächlich zu helfen. Kurzum: Auf einen solch gravierenden Einschnitt müssten sich die Gastronomen erstmal einstellen. Braun rechnet deshalb mit einer Preissteigerung von zwei bis vier Euro pro Gericht. Die 39-Jährige fügt hinzu: „Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Qualität wahren wollen.“
Da sie dies vorhätten, müssten sie auch die Preise erhöhen. „Es macht kein Spaß mehr, die Speisekarten umzuschreiben.“ Sie bekennt: „Ich bin enttäuscht.“ Eine Zukunft für den niedrigen Steuersatz wäre eine gute Trendwende, um der Gastronomie mehr Wertschätzung entgegenzubringen. Stattdessen könne sie nicht nachvollziehen, warum vermutlich nicht zugunsten der vielen Wirtinnen und Wirte entschieden werde.
Gute Stube: „Gäste sind relativ preisunempfindlich“
Im Parkhotel wartet ein Restaurant mit gehobener Küche: Die „Gute Stube“ hat es in den kulinarischen Reiseführer „Gusto 2024“ geschafft. Jan Hendrik van Dillen, Geschäftsführer des Parkhotels, sagt deutlich, dass das Haus die höhere Umsatzsteuer eins zu eins auf die Preise umlegen müsse. Vorteil: Die Gäste seien relativ preisunempfindlich. Van Dillen erinnert sich noch an die Worte des Bundeskanzlers Olaf Scholz. Dieser sagte 2021 in der ARD-Wahlarena: „Ich habe dieser Verlängerungsentscheidung zugestimmt und der Einführung in dem sicheren Bewusstsein: Das schaffen wir nie wieder ab.“ Anders sehe es im Biergarten aus. Dort sei auffällig, dass Gäste weniger Bier trinken. Auch deshalb würde man die Preise für Speisen um die Differenz von zwölf Prozent anheben.
Laut Dehoga lässt die Gästeanzahl generell nach, ebenso wie der Konsum: „Ein Abend kann für den Gast ja auch ohne den Nachtisch ein Toller werden.“ Für die Gastronomen bedeute dies aber Schwierigkeiten.
+++ Nachrichten aus Herne – lesen Sie auch +++
- Fitnessstudio Basic-Fit muss Eröffnung in Herne verschieben
- Klimaschutz per App: Klimathon fordert die Herner heraus
- Ende des Tigerpalastes in Herne: „Ich habe immer gekämpft“
Van Dillen glaubt nicht daran, dass der Steuersatz bei sieben Prozent bleibt: „Das Geld muss auch irgendwann wieder reinkommen für den Staat.“ Nach Aussagen der Dehoga hat der Staat ansonsten Verluste von drei Milliarden Euro zu verkraften. „Eine Milchmädchenrechnung“, heißt es weiter, da Betriebe schließen würden, die Arbeitslosigkeit steige und weniger Gewerbesteuern gezahlt würden.
Bissmarck 92: „Den Mittelstand wird es besonders treffen“
Auch dieser Gastronom müsste seine Preise erhöhen: Naseem Arif leitet das Bissmarck 92 in Mitte. Aktuell sei sein Geschäft eine Wundertüte – er lebe vor allem von den Wochenenden. „Wenn die nicht gut sind, ist auch mal der ganze Monat dahin“, erklärt der 36-Jährige. Nach Corona habe es einen Aufschwung gegeben, der mittlerweile wieder merklich abgeflacht sei. Arif geht ebenfalls von einer Erhöhung der Steuer auf das alte Niveau aus. „Den Mittelstand wird es besonders treffen“, sagt er, die Konsumenten würden sich dann dreimal überlegen, ins Restaurant zu gehen.
Die Dehoga sagt, dass die Erhöhung stattdessen einen Booster-Effekt für das Außer-Haus-Geschäft hat. Denn bei diesem Geschäft bleibe die Mehrwertsteuer auf jeden Fall bei sieben Prozent – unabhängig davon, wie die Politik im November entscheidet.
Momenti Italiani: „Ein klarer Schnitt ist nicht in Ordnung“
Seit 1986 serviert Inhaber Giovanni Bottino im „Momenti Italiani“ italienische Speisen. „Wir kommen gut zurecht“, sagt der 65-Jährige, dessen Restaurant in Eickel ist. Dennoch seien die Fixkosten wie Strom und Lebensmittelpreise deutlich gestiegen. „Das ist nicht ganz so schön, aber nicht unser größtes Problem“, erklärt Bottino. In all seinen Jahren als Gastronom habe es noch nie so wenig Personal gegeben. „Irgendwann verliert man die Lust“, aufhören will er jedoch nicht und auch seine Preise nicht anpassen – ihm sei die Arbeit mit den Gästen wichtiger.
Wie die anderen Wirte glaubt auch Bottino nicht daran, dass die Umsatzsteuer von sieben Prozent Bestand hat. Falls die Erhöhung kommt, findet er: „Ein klarer Schnitt ist nicht in Ordnung.“ Wenn überhaupt solle die Steuer gestaffelt erhöht werden, so seine Forderung. Während der Corona-Pandemie seien viele Restaurants kaputt gegangen, sagt Bottino – das könne ab nächstem Jahr noch mal passieren.