Herne. Höchste Zeit, dass Herne eine Cannabis-Modellkommune wird, meinen die Grünen – und machten einen Vorstoß im Rat. Was Stadt und Rat sagten.

  • Herner Grünen fordern, dass sich die Stadt als Modellkommune auf Cannabis-Freigabe vorbereitet.
  • Stadt lehnt Vorschlag ab, weil sie gerade eine Suchthilfeplanung erarbeitet.
  • Auch die Ratsmehrheit stimmt gegen den Vorstoß der Grünen-Fraktion

Mehrere Städte auch in NRW haben ihre Kandidaturen als „Cannabis-Modellregion“ vorbereitet, darunter Münster und Köln. Auch Herne soll sich beteiligen, fordern die Herner Grünen. „Die bisherige Verbotspolitik ist krachend gescheitert“, begründet Ratsfrau Anna Schwabe. Es sei höchste Zeit für einen Kurswechsel. Die Stadtverwaltung, aber auch die Ratsmehrheit sieht das anders.

Klar ist: Die Bundesregierung will Cannabis noch in diesem Jahr teilweise legalisieren. Durch regionale Modellversuche mit kommerziellen Lieferketten soll die Abgabe an Erwachsene kontrolliert stattfinden. Nach dem Willen der Ampel-Koalition soll der Besitz von 25 Gramm Cannabis zum Eigenbedarf künftig straffrei bleiben. Die Pläne sehen außerdem eine staatlich kontrollierte Abgabe über Vereine sowie den privaten Eigenanbau mit bis zu drei Pflanzen vor. Herne, so die Grünen, müsse sich deshalb schon jetzt darauf vorbereiten – am besten als Modellstadt.

Herner Ratsfrau: Cannabis eine Realität in Deutschland

Fordert Herne als Modellstadt: Grünen-Ratsfrau Anna Schwabe, hier neben ihrem grünen Ratskollegen Justus Lichau.
Fordert Herne als Modellstadt: Grünen-Ratsfrau Anna Schwabe, hier neben ihrem grünen Ratskollegen Justus Lichau. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

30 Prozent der Deutschen, so Ratsfrau Anna Schwabe im Rat, hätten Erfahrungen mit Cannabis gesammelt. Das zeige, dass Cannabis eine Realität in Deutschland sei – und die bisherige Politik gescheitert. Massive gesellschaftliche und gesundheitliche Probleme seien die Folgen der Verbotspolitik, hinzu komme eine massive Belastung für Polizei und Gerichte. Herne „als bunte Stadt mitten im Ruhrgebiet“ sei „ganz besonders geeignet“ als Modellstadt, meint die 24-Jährige.

Die Stadtverwaltung, so der Grünen-Antrag vergangene Woche im Rat, soll deshalb beauftragt werden, die Vorbereitungen für die Bewerbung als Modellstadt für die kontrollierte Cannabis-Abgabe an Erwachsene durchzuführen. Dazu sollen Gespräche mit Partnerinnen und Partnern geführt werden, darunter mit den Einrichtungen der Herner Drogen- und Suchthilfe sowie der Konfliktberatung, Polizei, Ordnungsbehörden und Vertreter der Ratsfraktionen.

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Die Stadt lehnt eine Modellkommune ab. „Wir wissen, dass wir da Handlungsbedarf haben“, sagte Sozialdezernentin Stephanie Jordan in Bezug auf Cannabis. Allein: Die Verwaltung erarbeite gerade eine Suchthilfeplanung, die sämtliche Formen des Konsums einbeziehe. Dabei säßen die maßgeblichen Player bereits zusammen. Kurz: Es finde genau das statt, was gerade gefordert werde. „Ich würde ungern noch einen Punkt draufsetzen, wo wir dabei sind, die Grundstruktur neu auszurichten“, so die Dezernentin. Hinzu komme, dass NRW-Gesundheitsminister Laumann einem Modellversuch „sehr skeptisch gegenüber“ stehe; er habe bereits angekündigt, dass er Modellkommunen nicht fördern wolle.

Lehnt die Modellkommune ab: Sozialdezernentin Stephanie Jordan.
Lehnt die Modellkommune ab: Sozialdezernentin Stephanie Jordan. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Auch die Ratsmehrheit sagt Nein zu dem Versuch. Herne solle zunächst mit Fachleuten diskutieren und in den Gremien, etwa im Sozialausschuss, darüber beraten, „bevor solche Entscheidungen getroffen werden“, sagte beispielsweise SPD-Ratsherr Patrick Steinbach. Nötig sei zunächst eine „gründliche Analyse“: „Wir wollen nichts überstürzen.“ Fraktionskollege Matthias Bluhm ergänzte, dass dabei zunächst auch die aktuellen Probleme mit den „Drogen-Hotspots“ gelöst werden sollen, etwa die an der Realschule Crange; der Schulhof sei nach Schulschluss zum „Drogen-Umschlagplatz“ geworden.

Neben dem Koalitionspartner CDU sagte auch die AfD nein. Parteichef Guido Grützmacher sprach von einem „verantwortungslosen Antrag der Grünen“. Die Verbotspolitik sei nicht krachend gescheitert, sondern „ein konsequenter Beitrag zur Eindämmung dieser gefährlichen Droge“. Mit 15 Ja- und 39 Nein-Stimmen, darunter die rot-schwarze Mehrheit, wurde der Grünen-Antrag schließlich abgelehnt.