Herne. In Herne gibt es einen hohen Bedarf an Wohnungen. Dennoch stehen rund 3600 Wohnungen leer. Doch es ist kompliziert, sie wieder nutzbar zu machen.

In Herne fehlen Wohnungen - und das nicht zu knapp. Allein mit neu gebauten Wohnungen ist die Lücke nicht zu schließen. Da stellt sich die Frage, welches Potenzial leerstehende Einheiten haben, um die Versorgung zu verbessern. Eine Bestandsaufnahme.

Fest steht, dass Herne den jährlichen Neubaubedarf nicht decken kann. Laut dem Handlungskonzept Wohnen, dass 2020 beschlossen wurde, müssten jedes Jahr 265 Wohneinheiten bis zum Jahr 2035 geschaffen werden - ein Wert, der in den vergangenen Jahren deutlich unterschritten wurde. Zwischen 2016 und 2018 wurden im Schnitt 101 Wohnungen fertiggestellt, zwischen 2019 und 2021 immerhin 191. Aber eben noch deutlich unter der Zielmarke. „Und aktuell sind die Zahlen auf Grund der Baukostenkrise und der Zinswende deutlich rückläufig“, sagt Peter Rogge vom städtischen Fachbereich Umwelt und Stadtplanung im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

Rund 3600 Wohnungen stehen in Herne leer

Die Frage, ob im Leerstand genug Potenzial steckt, um den Bedarf doch zu decken, beantwortet Rogge mit einem Nein - und nennt dafür eine Reihe von Gründen. Dazu muss man wissen: Nach Schätzungen der Stadt gibt es in Herne etwa 3600 leerstehende Wohnungen (bei einem Gesamtbestand von etwa 80.000). Es gebe aber keine offizielle Statistik über diese Leerstände, so Rogge. Die Stadt hofft, dass es mit der Auswertung des Zensus im vergangenen Jahr verlässliche Zahlen gibt. Nach den Daten der Stadt habe die Leerstandsquote im Jahr 2021 bei 4,3 Prozent gelegen. Damit könne man für Herne von einem ausgeglichenen Wohnungsmarkt sprechen. Rogge: „Man braucht einen gewisse Leerstandsquote, damit die Menschen umziehen können.“

Peter Rogge vom Fachbereich Umwelt und Stadtplanung kennt die Probleme, um das Potenzial des Wohnungsleerstands zu heben.
Peter Rogge vom Fachbereich Umwelt und Stadtplanung kennt die Probleme, um das Potenzial des Wohnungsleerstands zu heben. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Stadt behelfe sich seit etwa zehn Jahren damit, dass sie auf Stromzählerdaten der Herner Stadtwerke zurückgreift. „Wenn ein Zähler weniger als 150 Kilowattstunden im Jahr aufweist, kann man davon ausgehen, dass die Wohnung leer steht“, so Rogge - der im gleichen Atemzug auf eine Unsicherheit hinweist. Die Stadt wisse nicht, ob der Zähler zu einer Wohnung oder vielleicht zu einer gewerblichen Einheit gehört. „Aber wir gehen davon aus, dass wir ein relativ gutes Bild haben, wo zum Beispiel die räumlichen Schwerpunkte der Leerstände in der Stadt sind“, so Rogge. Diese Schwerpunkte seien im Bereich der Wanner und Herner Innenstadt, in Wanne-Süd und im Feldherrenviertel.

Zahlreiche Wohnungen befinden sich in Schrottimmobilien

Die Stadt gehe davon aus, dass ein relevanter Teil dieser rund 3600 Wohnungen nicht vermietbar ist - sei es, dass der Eigentümer kein Interesse hat, der Zustand oder die Lage zu schlecht sind. Zu diesen 3600 Wohnungen zählt die Stadt Herne nämlich auch verwahrloste Immobilien, die einen sogenannten städtebaulichen Missstand darstellen: 72 sogenannte Schrottimmobilien sind bei der Stadt registriert, hinzu kommen 80, bei denen ein Verdacht auf Verwahrlosung besteht.

Die Stadt habe zwar bei den verwahrlosten Immobilien ein Vorkaufsrecht, wenn sie zum Kauf angeboten werden, so Rogge. Doch in der Regel übe die Stadt dieses Vorkaufsrecht nicht aus, komme aber mit dem Käufer ins Gespräch, um herauszufinden, welchen Plan er mit dem Haus hat. „Es scheint so zu sein, dass einige Investoren auf die Modernisierung ausweichen statt neu zu bauen“, so Rogge.

Manche Eigentümer sind zu alt, andere sehen ihr Wohnhaus nur als Renditeobjekt

Um leerstehende Wohnungen wieder an den Markt zu bringen, stehen der Stadt selbst kaum Instrumente zur Verfügung. Zwar gebe es im Städtebaurecht Gebote - zum Beispiel zur Modernisierung und Instandsetzung. Um das durchzusetzen, brauche man aber viel Zeit und Personal, außerdem bestehe das Risiko, dass Kosten an der Stadt hängen blieben. Rogge: „Das ist ein extrem dickes Brett.“ Deshalb habe Herne, wie viele andere Städte, die Finger davon gelassen.

Zustand und Leerstandsquoten seien bei Wohnungsunternehmen und Genossenschaften eher besser als bei den Privateigentümern. Hier steht die Stadt vor dem Problem, auf die einzelnen Eigentümer zuzugehen. Der Grund: 80 Prozent aller Wohnungen in Herne befinden sich Privatbesitz, also der weitaus größte Teil. Mit diesen Eigentümern in Kontakt zu kommen, um eventuell Gespräche über Modernisierungen zu führen, sei extrem personalintensiv.

Daneben gebe es andere Gründe, warum Modernisierungen nicht durchgeführt werden, und bei denen die Stadt auch keine Einflussmöglichkeiten habe: Dazu gehört das Alter der Eigentümer. Kaum jemand verspüre in fortgeschrittenem Alter noch die Lust, sich eine Haus-Modernisierung aufzuhalsen. Außerdem gebe es Fälle, bei denen die Besitzer keinen echten Bezug zur Immobilie hätten, weil sie gar nicht in Herne wohnen und sie nur als Renditeobjekt betrachten.