Herne. Spiele sind wichtig für die Entwicklung von Kindern: Welche Neuheiten es gibt, konnte beim „Spielewahnsinn“ in Herne getestet werden.

„Am besten lernst du jetzt diesen Zauberspruch, damit kannst du die Mama gleich schön ärgern“, sagt Carsten Reuter vom Schwerkraft-Verlag und hilft der Sechsjährigen dabei, die richtigen Zutaten in ihren Hexenkessel zu legen. „Hex hex“, sagt sie und legt die Spruchzutaten in ihren Kessel. Die Kleine bekommt es aber auch ohne Hilfe schon ganz gut hin und hat sichtlich Spaß bei „Heiße Hexenkessel“, das frisch bei Leichtkraft erschienen ist. Etwas vereinfachte Regeln ermöglichen es der Kleinen, gleichberechtigt ins Spiel einzusteigen, sodass Erwachsene und Kind Spaß am Spiel haben, das mit allen Regeln noch deutlich mehr Varianz bietet. Die Proberunde überzeugt, das Spiel geht in den Besitz der Familie über, die daraufhin weitere Stände erkundet.

Zu entdecken gibt es viel. Über 40 Verlage und Spieleautoren bevölkern das Kulturzentrum beim dreitägigen Spielewahnsinn, der in diesem Jahr zum 40. Mal stattfindet. „Wir möchten auch kleinen Verlagen die Möglichkeit bieten, sich zu präsentieren“, erklärt Thomas Moder, Chef vom Spielezentrum. Die Verlage schätzen dies sehr und auch die Spieleautoren, die hier ihre Prototypen präsentieren können. „Hier gibt es ein ehrliches Feedback und das ist für sie äußerst hilfreich, um die Spiele zu verbessern.“

Spieleautoren stellen in Herne Prototypen vor

Einer dieser Spieleautoren ist Vivek Mehta aus Freiburg, der den Prototypen seines Erstlingswerks „The Fallpoint“ vorstellt. Ein Spiel für sechs Spieler ab zwölf Jahren. Das Thema des Spiels könnte nicht aktueller sein: die Klimakrise. „Wir stehen kurz vor der Apokalypse. Die Spieler sind Bürger, die gemeinsam versuchen, ihre Stadt vor verschiedenen Klimaszenarien zu retten“, erklärt Mehta, der hauptberuflich Städte und Kommunen in Sachen Nachhaltigkeit berät, die Spielidee. Eine Inspiration fürs Spielprinzip sei der Klassiker „Pandemie“ gewesen. Das Besondere an dem Spiel ist aber nicht nur das Thema: „Alle Szenarien sind real und auch die möglichen Maßnahmen sind schon dagegen ergriffen worden.“ Vor gut sechs Jahren haben Vivek Mehta und sein Partner Stefan Wingo mit der Recherche für das Spiel begonnen. „Wir planen eine Firma zu gründen, um das Spiel zu verlegen.“

Das Publikum an diesem Samstag ist bunt gemischt. Jonas (10) und Beate Eichmann spielen gerade eine übergroße „Abalone“-Version. „Wir sind schon seit heute Morgen da und haben schon Vieles ausprobiert“, sagt Beate Eichmann, die mit ihrer Familie aus der Nähe der holländischen Grenze angereist ist. „Die Kugelbahn, die man an eine Scheibe bauen kann, war toll“, sagt Jonas. Außerdem haben sie „Schneckenrennen“, „Vier gewinnt“ und Schach gespielt. Jonas, der in seiner Freizeit auch gerne mal auf der Playstation zockt, mag aber bislang Abalone am liebsten. „Wir sind eher für die einfacheren Spiele zu haben“, verrät Mama Beate. Papa Gerd sei der Spielenarr der Familie, der jede Woche einen Spieleabend ausrichtet.

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Er sitzt mit Jonas’ großem Bruder Fabian (12) gerade bei einer Runde „Andor.“ Die beiden haben auch schon einiges getestet: Eisstockschießen, Cascadia, Abalone – „am besten hat mir aber ,Herr der Ringe – Gemeinsam zum Schicksalsberg‘ gefallen“, sagt Fabian etwas schüchtern. „Seit 2000 fahre ich regelmäßig zur Spielemesse in Essen und der Spielewahnsinn steht auch immer auf dem Programm“, erklärt Gerd Eichmann. Papa und Söhne spielen zwar gerne digital an der Konsole – Fabians Lieblingsspiele sind die Nintendo-Klassiker Zelda und Pokémon – aber auch Brettspiele sind ein wichtiger Bestandteil des Familienlebens: „Ich sitze viel lieber mit Freunden oder Familie am Tisch bei einem Brettspiel, als alleine vor der Konsole.“ Das gemeinsam Spielen sei auch wichtig für die Kinder. „Sie lernen Teambuilding, deshalb spielen wir meist kooperative Spiele.“ Aber auch Klassiker wie Catan kommen immer wieder auf den Tisch. „Auch wenn die Jungs dabei manchmal aneinander rasseln.“

Am Nachbartisch wird viel gelacht. Mutter Melanie (45) sitzt mit ihren Kindern Nina (21), Paula (16) und Emilio (6) beisammen. „Wir sind noch gar nicht so lange da, haben aber schon ein paar Sachen gekauft“, verrät die Hernerin und zeigt ihre Tasche. Darin „Im Wald der Zauberbäume“, „Skip Bo junior“ und die Reiseausgabe von „Qango“. „Wir haben Qango schon, aber das ist jetzt unsere Strandedition“, erklärt Melanie. Die Familie fahre im Sommer oft an den Silbersee, da dürfen ein, zwei Kartenspiele und eben Qango – ein schnelles Legespiel – nicht fehlen. „Spielen hat bei uns einen hohen Stellenwert“, sind sich alle einig. Tagsüber landet meist „Nimm 6“, oder „Fröschies“ von Amigo oder „4 erste Spiele“ von Ravensburger auf dem Tisch. „Abends wenn der Kurze im Bett ist, kommen dann Escape-Spiele raus.“

„Das gemeinsame Spielen ist unheimlich wichtig für die Entwicklung“, betont Melanie. „Die Kinder lernen Verlieren, Gewinnen, müssen ihr Hirn anstrengen. Außerdem ist die Gemeinsamkeit sehr wichtig. Wir haben feste Spieleabende und wo lacht man mehr, als wenn man gemeinsam an einem Tisch sitzt und spielt?“

>>> SPIELETIPPS FÜR FAMILIEN:

  • „Einfache Taktikspiele, die mit wenigen Regeln auskommen, werden immer gefragter“, weiß Karsten Höger, Leiter der Spieliothek. Für die ganz Kleinen sei „Fang den Wurm“ von Schmidt sehr lustig. Per Würfel wird der Baumstamm auf eine Farbe eingestellt, auf die der Vogel dann pikt. Wer den Wurm herausspringen lässt, hat gewonnen.
  • „Die Villa der Vampire“ von Drei Magier ist für Kinder ab fünf Jahren geeignet. „Es hat eine Geschicklichkeitsvariante, die für Erwachsene zu einfach ist“, gibt Höger zu bedenken. Wirkliche Neuheiten bei Spielen für die ganze Familie gebe es zurzeit wenig.
  • „Zug um Zug“-Varianten von Days of Wonder sind immer gut oder „Unlock for Kids“ von Space Cowboys, da kann man als Erwachsener mitdenken, wenn die Kinder Detektive spielen.“ „DreamQuest“ von Asmodee biete eine schöne Variante, bei der Mama oder Papa das jüngere Kind ins Spiel mit einbinden kann. Gemeinsam werden Entscheidungen zum Spielverlauf getroffen und am Ende kann daraus sogar ein E-Book generiert werden.
  • „Was mir wirklich gut gefällt, ist ,Triqueta‘ von Pegasus, da es eine sehr schöne Spieldramaturgie hat. Es zählt aber schon eher zu den gehobenen Familienspielen.“