Herne. In Herne gibt es immer wieder Klagen über Rattenplagen. Schädlingsbekämpfer Martin Bettsteller erläutert seine Experten-Sicht auf das Problem.
Herne gibt es regelmäßig Klagen über Rattenbefall, vor wenigen Wochen stand Wanne-Süd im Mittelpunkt. Martin Bettsteller (59), professioneller Schädlingsbekämpfer, erläutert im Gespräch mit WAZ-Redakteur Tobias Bolsmann, wie es zu Rattenplagen kommen kann und warum ein Schädlingsbefall keine Frage der sozialen Schicht ist.
Herr Bettsteller, wenn Sie hören, dass es an verschiedenen Stellen in Herne Probleme mit Ratten gibt: Was löst das in Ihnen als Schädlingsbekämpfer aus?
Rattenbefall wird hauptsächlich vom Menschen selbst verursacht, weil zum Beispiel Müll so gelagert wird, dass Ratten drankommen. Wenn die Ratten keine Nahrung finden, können sie sich auch nicht so schnell vermehren. In Städten sieht man eher Ratten, weil dort das entsprechende Angebot ist.
Bevor man Sie ruft, könnte man also auch erstmal sein Verhalten ändern?
Das hat nur mit Verhalten zu tun! Eine große Rattenpopulation gibt es nur bei einem entsprechenden Futterangebot. Ratten halten sich ja eigentlich vom Menschen fern.
Warum hat es die Menschheit in mehreren hundert Jahren nicht geschafft, das Problem mit den Ratten zu lösen?
Das wird wohl daran liegen, dass sich Ratten sehr schnell vermehren. Aus einem Paar können unter optimalen Bedingungen innerhalb eines Jahres bis zu tausend Nachkommen entstehen. Und der Mensch bietet allzu oft optimale Bedingungen.
Liegt es auch daran, dass Ratten vorsichtig und intelligent sind? Man sagt, dass sie einen „Vorkoster“ haben, der testet, ob das Futter vergiftet ist oder nicht.
Ratten sind intelligent, aber der Vorkoster ist ein Mythos. Heute werden zur akuten Rattenbekämpfung Blutgerinnungshemmer eingesetzt, die dafür sorgen, dass die Ratten innerlich verbluten. Akutwirkstoffe sind nicht mehr zulässig.
Ist es denn so, dass der Wirkstoff verzögert wirkt, damit die Ratten Futter und Wirkstoff nicht in einem Zusammenhang bringen können?
In der Tat ist die Wirkung zeitverzögert, doch das hängt damit zusammen, dass es keine sogenannte Sekundarvergiftung geben soll. So soll verhindert werden, dass zum Beispiel der Greifvogel die tote Ratte schnappt und sich an ihr vergiftet. Die Ratte soll erstmal ihr Nest wieder erreichen und dort verenden. Das generelle Ziel ist ja, möglichst wenig Wirkstoffe einzusetzen und die Umwelt zu schützen.
Wann ist ein Schädling eigentlich ein Schädling? Bei Ihren Materialien habe ich auch etwas zur Taubenabwehr gesehen.
Vögel sind generell keine Schädlinge! Wenn, dann sollen sie vergrämt werden. Früher war Taubenabwehr noch ein Thema, aber in dieser Hinsicht sind wir mit unserem Betrieb raus. Das wird in der Bevölkerung nicht mehr akzeptiert, auch kann es zu Konflikten kommen mit Menschen, die Taubenschutz zu betreiben.
Und andere Tiere, zum Beispiel Insekten? Wenn man einen Garten hat, findet man doch regelmäßig Insekten im Haus, seien es Spinnen oder auch Wanzen. Müssen da sofort die Alarmglocken schrillen?
Nein, überhaupt nicht. Da kann man eigentlich ganz gelassen bleiben. Baumwanzen zum Beispiel saugen Pflanzensäfte und kommen vielleicht zum Überwintern ins Haus. Die sind für uns überhaupt kein Thema. Die fühlen sich draußen auch eigentlich wohler als im Haus. Wenn sie im Haus sind, kann ich die einfach absaugen oder sie auf ein Blatt Papier bugsieren und nach draußen bringen. Da muss ich kein Gift versprühen. Es kommt auch immer auf den Ort an, wo man einen vermeintlichen Schädling sieht. Eine Maus oder eine Ratte in der freien Natur muss uns Menschen nicht nervös machen. Jedes Tier hat ja seine Berechtigung in unserer Welt und trägt zur Biodiversität bei. Die Zahl der Schädlinge, die im Haus vorkommen, ist sehr überschaubar.
Haben Sie Beispiele?
Ein Beispiel wäre die Bettwanze oder auch ein Schabenbefall. Diese sollte man in jedem Fall schnellstmöglich bekämpfen, wenn sie entdeckt werden. Das ist dann aber auch eine Sache für den Fachmann. Wenn die Menschen im Baumarkt ein Spray kaufen, setzen sie sich und die Wohnung unter Wirkstoff und lösen das Problem trotzdem nicht.
Wie verbreitet sind Bettwanzen?
Sehr verbreitet.
Warum?
Weil die Reisefreudigkeit der Menschen sehr groß ist. Viele Menschen bringen die Wanzen mit der Wäsche zu sich nach Hause. Bettwanzen leben eigentlich gar nicht in unseren Breitengraden. Genauso wie Schaben. Die könnten in unserer kühlen Witterung in der Natur gar nicht existieren. Aber über Urlaubsreisende oder die Logistikketten werden sie verteilt, zum Beispiel über Kartonagen.
Wenn die Menschen Bettwanzen von Reisen mitbringen: Heißt das, dass Schädlingsbefall nicht abhängig von einer sozialen Schicht ist?
Genau. Sie können die Top-Wohnung in bester Lage haben, wo es aber ein Problem gibt, weil ein Schädling aus dem Urlaub oder durch Kartons eingeschleppt worden ist.
Wie hat sich die Schädlingsbekämpfung in den vergangenen Jahren verändert?
Früher hieß es: Viel hilft viel. Da wurde jede Menge Gift versprüht. Heute will man so wenig Wirkstoff wie möglich einsetzen, um das Umfeld zu schützen. Vor jeder Bekämpfung wird eine Risikoanalyse durchgeführt. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.
Wie entwickelt sich der Markt?
Dadurch, dass sich Gesetze geändert haben, ist Schädlingsbekämpfung ein wachsender Markt. Um heutzutage eine dauerhafte Rattenbekämpfung durchzuführen, muss ein Betrieb zwölfmal im Jahr kontrolliert werden, früher war es nur sechsmal. Jedes zertifizierte Unternehmen muss eine vorbeugende Schädlingsbekämpfung nachweisen, gerade im Lebensmittelbereich. Deshalb müssen Dokumentationen geführt werden. All das macht mehr als die Hälfte unseres Geschäfts aus. Die andere Hälfte ist die akute Schädlingsbekämpfung. Wir streben aber an, dass es erst gar nicht dazu kommt.
>>> AKTIV IM ERWEITERTEN RUHRGEBIET
Martin Bettsteller führt das Unternehmen Ra-Be Hygiene GmbH gemeinsam mit seinem Bruder Ulrich. Der Betrieb hat fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ist im erweiterten Ruhrgebiet tätig.
Internet: www.rabe-hygiene.de