Herne. Unter dem Kreuz Herne entsteht ein Tunnel. Erwin Partoll (58) ist der Polier. Der Tiroler macht seit 36 Jahren Tunnelbau. Herne ist besonders.
Erwin Partoll hat die Arbeiter mit den Eisenstangen genau im Blick. Das Material für die Betondecke des neuen Tunnels im Autobahnkreuz Herne wird vorsichtig hochgehievt. Der 58-Jährige Tunnelexperte flachst, aber wendet den Blick nicht ab. Der gebürtige Tiroler ist Tunnel-Profi und achtet genau drauf, dass ein Rad ins andere greift. Herne sei ein spannendes Projekt: „Die Baustelle ist nicht groß, aber sehr interessant.“
752 Meter Tunnel unter dem Kreuz Herne – Teilstück im „bergmännischen Vortrieb“
Eigentlich müsste der Alpenländler müde lachen bei den 752 Metern, die sich der Tunnel unter dem Kreuz Herne zieht. Der Polier der BeMo Tunneling GmbH kennt sich aus mit Riesenröhren. „Ich bin im Tunnelbau seit meinem 22. Lebensjahr.“ Er hat sich unter den Alpen hindurchgesprengt. Sein größtes Projekt zuletzt war Stuttgart 21 – die Riesen-Bahnbaustelle unter dem Stuttgarter Hauptbahnhof.
Aber der Herner Tunnel ist halt kein Riesending, das letzte Stück, an dem Partoll gerade arbeitet, keine 100 Meter lang. Polier Partoll ist zuständig für den Teil-Tunnel Andrea, der die Bahnlinie unterquert. Die Arbeiter hatten erst einen sogenannten Rohrschirm unter den Gleisen durchgeschoben. Die Rohre wurden dann mit Beton gefüllt, um dem Boden zusätzlich Stabilität zu geben. Unter diesem Schirm gräbt der erfahrene Tunnelbauer mit seinem Team dann den eigentlichen Tunnel – ein bisschen so wie in den Bergen.
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14 Mal geht es in Fünf-Meter-Schritten vorwärts
Wobei der Vergleich noch nicht einmal mit dem Bergbau standhält: „Das ist nur geschüttetes Material aus dem Krieg“, sagt Partoll. Man wisse gar nicht, was nachrutsche. Mal sei es Schlacke, mal Sand. Die Arbeiter graben sich in Fünf-Meter-Schritten vor. Ganze 14 Mal wiederholt sich das. Dazu kommt noch das Ausfahrtportal, das den Bahndamm seitlich abstützt, damit er nicht nachrutscht. Das Verfahren hier ist so interessant, dass Partoll immer wieder Studenten über die Baustelle führen muss.
Was kann man da als Tunnelbauer überhaupt noch kreativ ausrichten, wenn man so bauen muss, wie es andere Menschen geplant haben? Man müsse immer wieder auf neue unerwartete Begebenheiten reagieren, betont Partoll. „Man kann flexibel sein. Nur statisch kommst du nicht weg von den Vorgaben.“
Partoll und sein Team arbeiten im klassischen Baustellenbetrieb. Immer zehn Tage sind sie am Tunnel Baukau, danach geht’s immer für fünf Tage nach Hause. Wobei das für Erwin Partoll nicht mit einer langen Reise nach Österreich verbunden ist. „Ich lebe seit 23 Jahren in Ratingen.“ Und – Horrido! – da wurde der Tunnelbauer im vergangenen Jahr sogar Schützenkönig seiner Sebastianus-Schützenbruderschaft.
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Am Ostportal wartet Schutzpatronin Barbara – wenn sie nicht verschwunden wäre
Tradition ist den Tunnelbauern wichtig. Für die Heilige Barbara – die Schutzpatronin der Bergleute – haben sie direkt am Ostportal des Tunnels Andrea (benannt nach Bürgermeisterin und CDU-Politikerin Andrea Oehler) einen kleinen geschützten Altar gebaut. Wäre nur die Barbara-Statue nicht irgendwie abhanden gekommen...
Nur beim Tunnel Andrea sprechen die Experten übrigens von klassischem bergmännischem Vortrieb. Die anderen Tunnel-Teilstücke werden in offener Bauweise gebaut. Vereinfacht gesagt: Loch auf, Wände rein, Deckel drauf. Im Detail ist es viel komplizierter. Es wird an etlichen Stellen parallel gebaut. +++ Hier geht’s zur großen Reportage aus dem Tunnelbau +++
Erst Herne, dann nach Garmisch-Partenkirchen
Erwin Partoll baut seit dem 10. September 2021 am Tunnel Andrea, bei dem sie im vergangenen Jahr feierlich den Durchstich zelebrierten. Sein nächstes Projekt steht schon in den Startlöchern. Dann geht es ganz in den Süden der Republik. Die sieben Kilometer lange Umfahrung von Garmisch-Partenkirchen birgt dann auch wieder viel Potenzial für Sprengungen und das ganz große Buddeln. „Gedanklich bin ich oft schon in Garmisch.“