Herne. Im Autobahnkreuz Herne entsteht ein neuer Tunnel. Wie es in der 752 Meter langen Röhre aussieht und wie sich das Puzzle jetzt zusammensetzt.

Es tropft hier unten. Maschinen dröhnen. Arbeiter ziehen Stahlarmierungen hin und her. Wer in der grauen Röhre nach oben schaut, sieht einen schwarzen Schatten an der Decke. Genau dort verläuft gut sieben Meter höher der Mittelstreifen der A 43. Zehntausende Autos rollen täglich oben entlang. Von den Arbeiten „unter Tage“ bekommt man nur wenig mit. Dabei wird im Tunnel mit 50 bis 60 Arbeitern unter Hochdruck gebaggert, gebohrt und betoniert. Der 752 Meter lange Tunnel Baukau soll die A 43 und die A 42 in Fahrtrichtung Oberhausen auf zwei Fahrspuren verbinden, den Autobahnwechsel im neuen Kreuz beschleunigen.

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Ziel: Eröffnung des neuen Tunnels Baukau im Jahr 2025

Start am Trog an der A 43. Hier verschwindet der Tunnel in der Erde.
Start am Trog an der A 43. Hier verschwindet der Tunnel in der Erde. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Georg Timmerkamp hat für alles einen Plan in seiner Tasche stecken. Der Bauüberwacher von der Autobahn GmbH rollt aus, schlägt nach und klappt wieder zusammen. Er zeigt mit dem Finger, wie sich der Tunnel in einem großen Bogen von der Brücke Cranger Straße an der A 43 unter dem Kreuz hindurch bis auf die A 42 zieht und Fahrzeuge künftig nordwestlich des Kreuzes wieder aus dem Untergrund ans Tageslicht kommen. Eröffnung soll irgendwann 2025 sein.

Zu Fuß kommt man heute schon durch. Wir starten am sogenannten Trog. Wer heute von der A 43 abfährt, sieht schon gut die Schneise aus Betonwänden, die sich in den Untergrund schiebt. Knapp sieben Meter geht es hinunter. Unten bauen die Arbeiter gerade das Tunnelportal. Ein Stück weiter hinten ist der Tunnel schon als Tunnel erkennbar.

Oben ein „Hilfsdeckel“, auf dem der Verkehr der A 42 rollt

Eine von drei Bauweisen am Tunnel: Oben liegt der „Hilfsdeckel“. Darüber fahren die Autos auf der A 42. Darunter wird die Decke betoniert.
Eine von drei Bauweisen am Tunnel: Oben liegt der „Hilfsdeckel“. Darüber fahren die Autos auf der A 42. Darunter wird die Decke betoniert. © FFS. | André Hirtz

„Es kein klassischer Vortrieb“, erklärt Timmerkamp. An dieser Stelle hat man einen „Hilfsdeckel“ über den Schacht gelegt. Darüber rollen die Autos auf der A 42. Der Deckel sei nicht schön, aber zweckmäßig, sagen die Bauleute. Eine Etage tiefer entsteht die Tunneldecke. Später wird der Deckel von oben entfernt und aufgefüllt.

Rund um den Tunnel fördern 40 Pumpen das Grundwasser, damit die Baustelle nicht absäuft. 50 Kubikmeter Wasser in der Stunde müssen über sogenannte Wiederverbringungsbrunnen wieder in die Tiefe gepresst werden – ein ewiger Kreislauf. Später soll Wasser kein Problem mehr sein. Der Tunnel soll wasserdicht sein und gleichzeitig schwer genug, damit er nicht aufschwimmt.

Dicker Lehm und ein steiler Abhang am Ende des Tunnels

Ein Stückchen weiter geht es eine große Stufe hinab. Hier ist noch kein meterdicker Betonboden, der alles trägt. Arbeiter und Besucher stapfen durch den Lehm. In der Nähe haben die Arbeiter ein Loch in der Decke gelassen. Das Material muss ja irgendwie in den Tunnel kommen. Oben können die Lastwagen gut anfahren. Ein Kran steht draußen. So ist es am einfachsten.

Der Tunnel muss her, weil das Kreuz umgebaut wird. Und das Kreuz wird umgebaut, weil die A 43 sechsspurig wird. Der Bau ist so unfassbar kompliziert, weil sich hier Bahnstrecken, Unterführungen, Brücken, Auffahrten, Stromleitungen und Chemierohre geradezu stapeln. Quasi nichts kann einfach mal durchgebaut werden.

Durch den Tunnel Baukau sollen später zweispurig Fahrzeuge rollen – bei Tempo 60.
Durch den Tunnel Baukau sollen später zweispurig Fahrzeuge rollen – bei Tempo 60. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Der Tunnelbau ist ein Puzzle aus vielen Einzelteilen. Kurz vor dem Übergang zur A 42 geht es steil hinauf über den schlammigen Untergrund. Das hier wird irgendwann alles noch weggebaggert. Im Moment ist es noch die Rampe zum nächsten Tunnelteilstück. Das vielleicht schwierigste Bauwerk in der Reihe trägt nach Tunnelpatin und Bürgermeisterin Andrea Oehler den Namen „Tunnel Andrea“. Sie komme manchmal vorbei, heißt es.

Bahndamm durfte sich maximal 10 Millimeter senken

Hier haben sie erst 1,60 Meter dicke Betonröhren unter dem Bahndamm der Hauptstrecke durchgeschoben und dann im bergmännischen Vortrieb darunter gegraben. „Der Bahnbetrieb musste weiterlaufen“, sagt Guido Meinzer. Der 51-Jährige ist Gesamtprojektleiter für den sechsspurigen Ausbau der A 43 in Herne. Meinzer spricht von einem „einmaligen Bauverfahren“. Gerade einmal zehn Millimeter hätte sich der Bahndamm senken dürfen. Hat er aber nicht.

Man dürfe sich das nicht so vorstellen wie in den Alpen, wo man meterdickes Gestein hat, erklären die Fachleute. Der komplette Boden sei nach dem Zweiten Weltkrieg aufgeschüttet worden, eine bunte Mischung aus Schlacke, Sand, Bauschutt, Kies und anderem Gestein. Da ist so gut wie nichts wirklich sicher.

27.000 Kubikmeter Beton in den Boden gepumpt

Auch „Tunnel Andrea“, der im vergangenen Jahr Durchstich feierte, sieht schon aus wie ein Tunnel. Auch hier wird noch von innen betoniert. Gut 27.000 Kubikmeter Beton sind in den Boden gepumpt und geformt worden. Sonst wurde übrigens nicht viel herangefahren. Die meiste Verkehr entstand durch den Abraum, der durch das Graben entstand.

Der Betontunnel im Kreuz Herne: Hier ist schon viel fertig. Rechts und links sind Fluchtmulden zu erkennen.
Der Betontunnel im Kreuz Herne: Hier ist schon viel fertig. Rechts und links sind Fluchtmulden zu erkennen. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Kurz hinter „Andrea“ wird gerade auch das Ausfahrtportal gebaut. Hier sollen die zwei Fahrspuren aus dem Tunnel auf die A 42 münden. Die Auffahrt wird sich allerdings viel länger Richtung Crange ziehen als früher. Hier wird die A 42 auf insgesamt acht Spuren anwachsen. Bevor das so weit ist, muss allerdings die Bahn noch ihre Brücken über die A 42 neu bauen. Aus dem Auto heraus kann man schon sehen, wie gerade die Abhänge des Bahndammes befestigt werden. Bald sollen die Brücken abgerissen werden. Darum kümmert sich aber die Bahn selbst.

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Tunnel soll im Jahr 2025 in Betrieb gehen

„Wir sind selbst zeitlich mit dem Tunnel im Rahmen, weil die Bahnbrücken den Zeitrahmen vorgeben“, sagt Guido Meinzer. Aktuell geht der Projektleiter davon aus, dass die Bahn Ende 2024 alles fertig hat. Dann muss noch das gerade Autobahnstück ausgebaut werden, so dass noch Ende 2025 erste Autos durch den Tunnel fahren können. Seit 2020 wird gebaut.

Fertig ist das neue Kreuz Herne dann noch lange nicht. Weitere fünf Jahre (bis 2030) sind für den Rest, neue Auffahrten, Abfahrten und Brücken und Fahrbahnen noch geplant. Immerhin sei bislang beim Tunnel keine Kostenexplosion zu verzeichnen gewesen, sagt Guido Meinzer. Veranschlagt war das Teilprojekt mit 67,5 Millionen Euro.

Der bergmännisch gebaute Tunnel „Andrea“ kommt an der A 42 wieder ans Tageslicht.
Der bergmännisch gebaute Tunnel „Andrea“ kommt an der A 42 wieder ans Tageslicht. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Die entscheidende Frage aus Autofahrersicht: Wie schnell kommt man denn dann künftig von der A 43 auf die A 42 nach Duisburg? 42 Sekunden hat Georg Timmerkamp berechnet. Erlaubt soll Tempo 60 sein. Der Tunnel wird mit allerhand Sicherheitstechnik und einem Servicegebäude und Notausgang versehen sein – auch einem Blitzer? Die kleinen Überraschungen, schmunzelt der Bau-Verantwortliche, behalte man sich für den Schluss vor.