Herne. Ein Lagerverkauf für Feuerwerk in Herne lockt tausende Käufer an. Die ersten kamen schon nachts. Auf den Oberbürgermeister wartet man vergebens.

Achtung, schwer explosiv! Gregor Rademacher und Norbert Welzel hieven den Karton in den Kofferraum. 260 Euro haben sie gerade für die Feuerwerks-Batterie ausgegeben. „Einmal anzünden und dann geht’s ab“, sagt Rademacher. Der 67-Jährige und der gleichalte Nachbar versorgen mit dem Feuerwerk die ganze Straße. „Wir haben zusammengeschmissen. Ist doch viel schöner so.“ So wie die beiden Nachbarn stehen hunderte Kunden beim Feuerwerksverkauf von „Mega-Feuerwerk“ in Horsthausen Schlange. Um Punkt Mitternacht ging’s am Donnerstag los.

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Mega-Feuerwerk Herne – der Lagerverkauf lockt tausende Menschen an

Gregor Rademacher (links) und Norbert Welzel (rechts, beide 67) hieven die Kiste in den Kofferraum. Die Nachbarn versorgen die komplette Straße. „Triple X“ muss nur einmal angezündet werden.
Gregor Rademacher (links) und Norbert Welzel (rechts, beide 67) hieven die Kiste in den Kofferraum. Die Nachbarn versorgen die komplette Straße. „Triple X“ muss nur einmal angezündet werden. © WAZ | Arne Poll

Man muss schon etwas suchen, um den Lagerverkauf an der Werderstraße 53 zu finden. Die Halle liegt versteckt auf einem Gewerbegelände. Zwischen den Absperrgittern kommen Kunden heraus. Karton um Karton wird hier davongetragen. Klimakrise, Feinstaub, leidende Tiere? Das ist hier für die Käuferinnen und Käufer kein Thema. Hier sind nur überzeugte Böllerfans.

„Die erste Schicht hat von 23.55 Uhr bis 3 Uhr morgens gearbeitet“, sagt Mustafa Darakci. Der 47-Jährige führt mit seinem Bruder Kemal mehrere Firmen für Feuerwerksvertrieb. Er sagt: „Die Leute wollen jetzt endlich etwas nachholen.“ In den vergangenen zwei Jahren war der Verkauf wegen Corona und der Sorge um schwere Verletzungen größtenteils verboten. Schon in der Nacht hatten mehrere hundert Menschen Schlange gestanden, um die beste und günstigste Ware abzugreifen. Seit Mitternacht am Donnerstag ist der Verkauf auch an Privatkunden gestattet. Außerhalb des Silvester-Geschäfts verkaufen die Darakcis auch Feuerwerk für genehmigte Feste und an Händler.

Normalerweise Handel für Sanitärbedarf in der Halle

Szene aus der Nacht: Mehrere hundert Menschen stehen an und wollen Feuerwerk kaufen.
Szene aus der Nacht: Mehrere hundert Menschen stehen an und wollen Feuerwerk kaufen. © WAZ | Mustafa Karakci

In den Verkaufsräumen, die normalerweise einen Großhandel für Sanitärbedarf beherbergen, ist die Ware ausgestellt. Von den großen Batterien liegt jeweils nur ein Ausstellungsstück parat. Wer mehr haben will, muss einen Zettel nehmen und diesen an der Kasse vorzeigen. Das Original wird dann extra aus dem Lager geholt. „Wir dürfen nur 70 Kilo drinnen lagern“, erklärt Mustafa Darakci. Sicher ist sicher. Denn mit der Ware, die hier auf dem Gelände vorhanden ist, könnte man halb Herne in die Luft sprengen – „Wonderful Heaven“, wie eine 70-Schuss-Batterie heißt.

Der Lagerverkauf startete schon pünktlich um Mitternacht. Um 0 Uhr wurden die Kassen geöffnet.
Der Lagerverkauf startete schon pünktlich um Mitternacht. Um 0 Uhr wurden die Kassen geöffnet. © WAZ | Arne Poll

Beim Blick auf die Glastheke schnalzt der Händler mit der Zunge. Der Unwissende erkennt nur dicke Böller. Der Experte kann dagegen damit beeindrucken: „Das ist F3-Kategorie. Die können schon was.“ Was hier zu kaufen ist, ist ohnehin nichts für empfindliche Nerven. Da wirken die großen Raketen schon fast wie Spielzeug.

Der „Oberbürgermeister“ wurde leider nicht geliefert

Nur ein Teil der Ware lagert im Verkaufsraum. Wer etwas kaufen will, muss einen Zettel nehmen und bekommt das Feuerwerk an der Warenausgabe.
Nur ein Teil der Ware lagert im Verkaufsraum. Wer etwas kaufen will, muss einen Zettel nehmen und bekommt das Feuerwerk an der Warenausgabe. © WAZ | Arne Poll

Die Sets tragen klangvolle Namen wie „Böser Chef“ (eine heftige Kaskade) oder die „wütende Nonne“ (auch schön bunt). Enttäuscht wird dagegen, wer sich wie in den vergangenen Jahren auf den „Oberbürgermeister“ gefreut hatte. „Der ist nicht gekommen“, sagt Darakci – Lieferschwierigkeiten. Er spricht von der 100 Schuss starken Box („Kaliber 25 Millimeter“). „Normalerweise ist das der absolute Burner.“ Der „Oberbürgermeister“ zeichne sich durch Farbenfreude, Zuverlässigkeit und eine beeindruckende Leistung aus – dieses Vergnügen ist in Herne gerade nicht zu haben.

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Nur wenige Autos auf dem Parkplatz kommen aus der direkten Umgebung. Ein großer Teil der Kundinnen und Kunden fährt sogar 40, 50 Kilometer weit. Sogar aus dem vermeintlichen Feuerwerksparadies in den Niederlanden kommen Käufer. Warum ausgerechnet nach Herne? „Wahrscheinlich, weil wir günstig sind und ein so gutes Angebot haben“, sagt Mustafa Darakci. Es lohnt sich in jedem Fall. Bei Burcin Aydemir (32) an der Kasse wechseln die 100-Euro-Scheine im Minutentakt den Besitzer.

Burcin Aydemir (32) an der Kasse bei Mega-Feuerwerk an der Werderstraße in Herne. Viele Kunden kaufen für deutlich über 100 Euro ein.
Burcin Aydemir (32) an der Kasse bei Mega-Feuerwerk an der Werderstraße in Herne. Viele Kunden kaufen für deutlich über 100 Euro ein. © WAZ | Arne Poll

Den Verkauf gebe es seit sieben Jahren, erklären die Darakcis. Bruder Kemal ist selbst Feuerwerker. Zu den hauptberuflich Angestellten kommen noch mehrere 400-Euro-Jobber. „Die Jungs müssen heute leider bluten“, sagt Mustafa Darakci. Aber das sei der Saison geschuldet. Die Helfer schleppen einen schweren Karton nach dem anderen aus dem großen Lager in den Seecontainern vor der Tür nach vorne. Der Verkauf findet in mehreren Schichten statt. Freitag ist wieder den ganzen Tag geöffnet. Silvester geht der Verkauf noch bis 20 Uhr. Danach wollen die Darakcis selbst an der Halle feiern. Dann werde man wohl auch selbst ein wenig Feuerwerk abschießen, sagen die Experten. „Aber nicht zu viel. Wir wollen ja später auch noch etwas an unsere normalen Kunden verkaufen.“

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