Herne. Die Grippewelle in Herne bringt Arztpraxen ans Limit. Was man als Betroffener tun kann, wo es jetzt noch Impfstoff gibt und alle Zahlen.

Die Grippewelle rollt so heftig wie selten und so früh wie nie über Herne. Es gibt bereits jetzt mehr Fälle als in jeder kompletten Grippesaison innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Die meldepflichtige Influenza bringt auch die Arztpraxen ans Limit.

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„In diesem Jahr beobachten wir einen ungewöhnlich frühen Beginn der Grippe-Saison, die üblicherweise erst im Februar und März eines Jahres aktiv ist“, sagt Stadtsprecherin Carina Loose. Es seien in der aktuellen Saison bereits 246 Fälle offiziell gemeldet. In der kompletten Saison 2021/2022 seien es nur 27 Fälle gewesen.

Die Zahlen seien seit Mitte November stark angestiegen. In der ersten Dezemberwoche habe es alleine 85 Meldungen gegeben, auch in der vergangenen Woche noch einmal 55 infizierte Männer und Frauen. Herne könnte auf ein Rekordjahr zusteuern: Bei der heftigen Grippewelle in der Saison 2017/2018 waren es 453 Fälle. Dazu kommt eine hohe Dunkelziffer. Denn auch bei der sogenannten „echten Grippe“ wird längst nicht jeder Fall gemeldet.

Arzt aus Gemeinschaftspraxis in Herne: Wir gehen auf dem Zahnfleisch

Dr. Markus Bruckhaus-Walter bei einer Impfung (Archivfoto). Er sagt: „Wir gehen auf dem Zahnfleisch.“
Dr. Markus Bruckhaus-Walter bei einer Impfung (Archivfoto). Er sagt: „Wir gehen auf dem Zahnfleisch.“ © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Wir gehen auf dem Zahnfleisch“, sagt Dr. Markus Bruckhaus-Walter von der Gemeinschaftspraxis Herner Hausärzte; der Praxis am Herner Bahnhof gehören ein halbes Dutzend Mediziner an. Jeder zweite Patient bzw. jede zweite Patientin komme aktuell wegen einer Grippe oder eines anderen Infekts – neben den üblichen Kranken. Husten, Fieber, Müdigkeit, das seien die allgegenwärtigen Symptome. So schlimm sei es mit den Infekten seit Ewigkeiten nicht mehr gewesen. Leider machten diese auch vor den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht Halt, jeder zweite sei selbst ausgefallen. Deshalb arbeite die Praxis am Limit.

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Dennoch: Es sei wichtig, dass Betroffene vorbei kämen und behandelt werden könnten. So könnten Patientinnen und Patienten etwa eine Herzmuskelentzündung vermeiden. Wichtig: Vorher auf Corona testen lassen. Und wer sich gegen Grippe impfen lassen wolle, gerne: „Es ist genug Grippe-Impfstoff da.“ Anfragen gerne per E-Mail, denn ans Telefon kriegt man Kolleginnen und Kollegen in diesen Tagen schwer bis gar nicht. Auch viele Apotheken bieten – nach Terminvereinbarung – Impfungen an. Die Verfügbarkeit sei gut, heißt es.

Belastung in der Praxis durch grippale Infekte so hoch wie durch Corona

Dr. Roman Voß macht in seiner Praxis in Wanne-Süd ähnliche Erfahrungen. Nach seiner subjektiven Wahrnehmung sei die Belastung der Praxis durch grippale Infekte inzwischen genauso hoch wie durch Corona. In welchen Fällen es sich tatsächlich um eine meldepflichtige Influenza handele, sei unklar, weil nicht bei allen Patienten Abstriche genommen würden. Die Infekte hätten auch bei seinen Mitarbeitern den Krankenstand in die Höhe getrieben.

Angesichts dieser Grippewelle mache es Sinn, Masken zu tragen, um die Gefahr einer Infektion zu senken. Nach der Erfahrung von Voß würden sich die Menschen allerdings in erster Linie bei privaten Kontakten anstecken oder Feiern anstecken, bei denen nur noch sehr selten Maske getragen werde.

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Patienten wählen missbräuchlich den Notruf der Feuerwehr

Etliche Grippepatienten wählen unterdessen ohne Not den Notruf der Feuerwehr: „Wir haben einen deutlichen Anstieg der Anrufe“, sagt Feuerwehr-Sprecherin Nina-Maria Haupt. Genaue Zahlen seien zur Grippe zwar nicht erfasst, aber es gebe etliche Menschen, die sich nur wegen eines schlechten Allgemeinbefindens melden. Da sei man aber bei der 112 falsch aufgehoben und kann im schlimmsten Fall Kapazitäten für echte Notfälle binden.

Der Notruf sei gefragt, bei allem, „was akut gefährlich ist“. Dazu gehören Verdacht auf Herzinfarkt und Schlaganfall, schwere Stürze. „Wenn es etwas ist, was bis morgen, warten kann, dann ist das nichts für den Notruf“, sagt Haupt. „Dinge, die sich über mehrere Tage ziehen.“ Sie empfiehlt die Hotline des hausärztlichen Notdienstes für solche Fragen: Unter der 116 117 gebe es Hilfe für Husten, Schnupfen, Grippe und geklemmte Finger.