Herne. Die Grippewelle ist in dieser Saison komplett ausgefallen. Laut Landeszentrum für Gesundheit gab es in Herne nur einen einzigen Fall.

Auch wenn sich Deutschland - und damit auch Herne - seit Monaten in der dritten Coronawelle befindet: Die Maßnahmen zur Eindämmung, wie Abstand, Maskenpflicht und verschärfte Hygiene, haben dazu geführt, dass die Grippe im vergangenen Winter überhaupt kein Thema war.

Das Landeszentrum für Gesundheit (LZG) veröffentlicht auf seiner Internetseite Woche für Woche die Infektionszahlen für alle meldepflichtigen Krankheiten. Schaut man unter Influenza nach den Herner Zahlen, findet sich in der 51. Woche des vergangenen Jahres der einzige offiziell bestätigte Grippefall in der zurückliegenden Grippesaison. Für Nordrhein-Westfalen insgesamt meldet das LZG lediglich 88 Fälle. Die in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses genannte Zahl von 186 Fällen (bei einem Todesfall) bezieht sich auf Anfang 2020, also nicht auf die aktuelle Grippesaison.

Nach den Worten von Dr. Eckhard Kampe ist nicht nur die Grippesaison ausgefallen, auch Husten, Schnupfen, Heiserkeit habe es im vergangenen Winter kaum gegeben.
Nach den Worten von Dr. Eckhard Kampe ist nicht nur die Grippesaison ausgefallen, auch Husten, Schnupfen, Heiserkeit habe es im vergangenen Winter kaum gegeben. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Doch die Einhaltung der sogenannten AHA-Regeln und die Tatsache, dass viele Menschen im Homeoffice arbeiten, hat nicht allein dazu beigetragen, dass sich erst gar keine Grippewelle aufbauen konnte. Die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) hat mitgeteilt, dass die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in Westfalen-Lippe im ersten Herbst und Winter der Coronavirus-Pandemie rund 45 Prozent mehr Menschen gegen Grippe geimpft haben als im Vorjahr. So seien in der Grippesaison 2020/2021 rund 2,04 Millionen Grippe-Impfdosen von den Apotheken in Westfalen-Lippe ausgeliefert und von den Ärzten in Westfalen-Lippe verimpft worden. In der Vorjahressaison seien es 1,4 Millionen Impfdosen gewesen.

Eckhard Kampe, Bezirkssprecher der KVWL für Herne, ergänzt im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion, dass neben der selten hohen Zahl an Grippeimpfungen inzwischen auch 40 Prozent der über 60-jährigen Menschen gegen Lungenentzündung geimpft seien. Darüber hinaus sei nicht nur die Grippe ausgefallen, sondern auch der sogenannte „grippale Infekt“. „Wir hatten kaum Husten, Schnupfen, Heiserkeit“, so Kampe.

Schon im vergangenen Jahr hatte es Berichte über Studien gegeben, die Hinweise darauf gaben, dass eine Grippe-Impfung bei einer Covid-Erkrankung dazu beitragen könnte, den Krankheitsverlauf abzumildern. Die Frage, ob er diesem Ansatz folgen könne, beantwortet Kampe mit einem „vorsichtigen Ja“. Der Grund: Jede Art von Impfung aktiviere das Immunsystem. Ob es Sinn macht, sich jetzt noch gegen die Grippe impfen zu lassen, um gegen Corona gewappnet zu sein, da ist Kampe zurückhaltend. In wenigen Wochen könne wohl allen Menschen ein Angebot für eine Covid-Impfung gemacht werden. Da aber zwischen einer Covid-Impfung und jeder anderen Impfung ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen müsse, könne jemand, der sich jetzt noch gegen Grippe impfen lasse, das Angebot für eine Covid-Impfung womöglich erst später annehmen.

Die ausgebliebene Grippewelle hat sich offenbar auch bei den Apotheken bemerkbar gemacht. Er sei seit über 20 Jahren selbstständig, so Robert Sibbel, Sprecher der Herne Apotheker, doch so etwas habe er noch nie erlebt: Die Erkältungs- und Grippe-Saison sei komplett ausgefallen. Ebenfalls auffällig: Eine intensivere Hygiene habe offenbar auch einen Effekt auf Magen-Darm-Infekte.

Apotheker würden die Arzneien der Erkältungszeit immer als sogenannte Winterbevorratung bei den Herstellern einkaufen, doch in diesem Jahr seien die Lager noch voll und es bestehe sogar die Gefahr, dass einige Medikamente verfallen, zum Beispiel Hustensaft für Kinder.

>> AUCH DEUTLICH WENIGER WINDPOCKENFÄLLE

■ Die Kontaktbeschränkungen und AHA-Regeln haben auch bei der Zahl der Windpockenfälle einen Rückgang ausgelöst.

■ Die AOK hat mitgeteilt, dass im vergangenen Jahr nur 944 Infektionsfälle in Westfalen-Lippe gemeldet worden seien, im Vorjahr seien es noch 1846 gewesen. Diese Entwicklung spiegele sich auch in Gesamt-NRW und bundesweit wider.