Herne. Herne kann beim bisherigen Tempo die Treibhausgas-Neutralität bis 2045 nicht erreichen. Ein Problem: Es gibt immer mehr Autos in der Stadt.

Die Treibhausgas-Emissionen pro Einwohnerin und Einwohner in Herne haben zwischen 2012 und 2020 um 17 Prozent abgenommen. Das zeigt die neue Treibhausgas-Bilanz, die die Stadt nun der Politik vorgestellt hat. Diese Reduzierung reiche aber (noch) nicht aus. Herne, sagte die Klimaschutzbeauftragte Jana Ermlich im Umweltausschuss, werde die Treibhausgas-Neutralität bis 2045 so nicht erreichen.

Erfreulich: Der Energieverbrauch in der Stadt ist laut Bilanz zwischen 2012 und 2020 um fünf Prozent gesunken. Die Haushalte hätten sogar knapp acht Prozent Energie eingespart – obwohl die Bevölkerung und die Wohnfläche pro Person in diesem Zeitraum angestiegen seien. Die Haushalte nutzten vor allem Erdgas, hier sei der Verbrauch in den vergangenen Jahren in etwa gleich geblieben, so die Klimaschutzbeauftragte. Auffällig: Der Verbrauch von Heizöl sei im besagten Zeitraum um 43 Prozent gesunken, noch immer aber sei es der viertmeistgenutzte Energieträger, knapp hinter der Fernwärme. Anders sieht es bei der Wirtschaft aus. Sie habe seit 2021 sogar drei Prozent mehr Energie verbraucht.

Herne: Über 90.000 Fahrzeuge in der Stadt

Sie präsentierte die Treibhausgas-Bilanz: Jana Ermlich (Stadt Herne).
Sie präsentierte die Treibhausgas-Bilanz: Jana Ermlich (Stadt Herne). © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Beim Verkehr sieht die Bilanz auf den ersten Blick gut aus. Knapp acht Prozent weniger Benzin und Diesel wurden in Herne zwischen 2012 und 2020 verbraucht. Zieht man dagegen ein Jahr ab und schaut nur auf die Jahre bis 2019, dann ist sogar ein kleiner, aber deutlicher Anstieg des Spritverbrauchs erkennbar. Der Anstieg ist auch deshalb nicht verwunderlich, weil vor Ort immer mehr Autos angemeldet werden. 2020 wurde die Marke von 90.000 Fahrzeugen in Herne übersprungen.

Grund für die Reduzierung des Benzin- und Dieselausstoßes in 2020 und somit die Reduzierung des Spritverbrauchs um besagte acht Prozent im gesamten Zeitraum sei demnach der Corona-Lockdown und Homeoffice gewesen: Viele Autos blieben in der Garage. Nun bleibt abzuwarten, wie die Zahlen für 2021 aussehen. Steigt der Ausstoß weiter an? Am Rande: Der Verbrauch von Strom für E-Autos spielt in Herne fast überhaupt noch keine Rolle.

Exponentieller Ausbau der Photovoltaik in Herne

Es gibt aber auch positive Nachrichten. Die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energie ist laut Ermlich um 27 Prozent gestiegen. Grund sei der Ausbau der Photovoltaik, die vor Grubengas die meist genutzte Energie sei. Sie habe zuletzt ein exponentielles Wachstum hingelegt. 13 Megawatt würden dadurch gewonnen. Und: Es gebe noch Potenzialflächen für weitere 200 Megawatt.

Insgesamt hat jede Hernerin beziehungsweise jeder Herner 2020 laut Bilanz rund 6,8 Tonnen CO2 verbraucht, 2012 waren es noch über acht Tonnen. Erdgas, Strom und Sprit sind dabei weiterhin mit Abstand die meist genutzten Energieträger. Die besagte Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 17 Prozent, so der Trend der Stadt, reiche aber hinten und vorne nicht aus, um bis 2045 die von der Bundesregierung angepeilte Treibhausgas-Neutralität zu erreichen. Bleibe es beim aktuellen Einsparpotenzial, dann werde diese Neutralität erst Jahre später erreicht.

Nach aktuellem Trend (blaue, gepunktete Linie) kann die Treibhausgas-Neutralität 2045 nicht erreicht werden.
Nach aktuellem Trend (blaue, gepunktete Linie) kann die Treibhausgas-Neutralität 2045 nicht erreicht werden. © Denise Ohms | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

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„Insbesondere im Verkehrssektor muss gegengesteuert werden“: Pascal Krüger, Vorsitzender des Umweltausschusses in Herne.
„Insbesondere im Verkehrssektor muss gegengesteuert werden“: Pascal Krüger, Vorsitzender des Umweltausschusses in Herne. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Die Bilanz zeige, dass das Tempo beim Klimaschutz vor Ort bei Weitem nicht ausreicht, sagt Pascal Krüger, Vorsitzender des Umweltausschusses, zur WAZ. Der Grünen-Ratsherr fordert deshalb: „Die Anstrengungen müssen verstärkt werden.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Klimaschutzbereich täten zwar, was sie könnten. Angesichts der Herausforderungen seien mehr Menschen und deutlich mehr finanzielle Mittel aber notwendig. „Insbesondere im Verkehrssektor muss gegengesteuert werden“, meint Krüger mit Blick auf die steigenden Kraftfahrzeug-Zahlen. Dadurch stiegen Emissionen und der Flächenverbrauch.

Roberto Gentilini (SPD) forderte unterdessen, dass es mehr Förderprogramme geben müsse. Viele Menschen in der vergleichsweise armen Stadt Herne hätten gar nicht das Geld, um in umweltschonende Technik zu investieren. Hier müsse sich der Staat stärker engagieren.