Herne/Recklinghausen. Statt Möbel stehen Jukeboxen im Wohnzimmer, Familie Reutter sammelt sie seit Jahren. Mit der WAZ sprechen sie über ihre Leidenschaft.

Sie sammeln leidenschaftlich gerne nostalgische Jukeboxen - und das seit 40 Jahren. Das Ehepaar Jupp-Willi Reutter (71) und Petra Reutter (67) besitzt eine Privatsammlung von rund 50 Musikboxen aus allen Epochen, die bei ihnen wie Möbelstücke im ganzen Haus stehen. Mit dem Musikboxenverein zeigen sie ihre Sammlung bei der jährlichen Musikboxen-Ausstellung im Herner Veranstaltungszentrum Gysenberg - so auch wieder in diesem Jahr am Samstag und Sonntag, 5. und 6. November. Passend zum 25-jährigen Vereinsjubiläum erzählen die Reutters im WAZ-Interview von ihrer großen Leidenschaft.

Seit 40 Jahren sammeln Sie Musikboxen. Wie sind Sie zu diesem ungewöhnlichen Hobby gekommen?

Jupp-Willi Reutter: Ich war als junger Bild-Redakteur auf einem Pressetermin in einer Gaststätte in Castrop-Rauxel. Da habe ich in der Kneipe hinter aufgestapelten Holzstühlen eine Musikbox gesehen. Die war außer Betrieb und nur da abgestellt. Also habe ich den Wirt gefragt, ob ich die kaufen kann. Für 300 Mark habe ich die Box mit circa 100 Platten bekommen. Das war eine Canteen Tonomat, die heute noch bei uns im Keller steht.

Ihre Sammlung zeigen Sie regelmäßig mit dem Musikboxenverein auf Ausstellungen. Das Jahrestreffen des Vereins findet in Herne statt. Wieso hier?

Petra Reutter: Die Vereinsgründung war 1997 in Herne. Gegründet haben den Musikboxenverein damals Achim Schweiger, Markus Wiessing und Burkhard Peetz. Und Achim Schweiger hatte in Wanne-Eickel die Gaststätte Haus Hagemann. Dort war ein Kneipensaal, in dem unsere ersten beiden Vereinsausstellungen stattgefunden haben. Bis es dort einfach zu klein wurde, weil die Ausstellung aus allen Nähten platzte. Dann sind wir ins jetzige Veranstaltungszentrum Gysenberg gezogen.

Welche Art von Musikboxen sammeln Sie?

Jupp-Willi Reutter: Unsere Spezialisierung sind Jukeboxen der 50er Jahre aus Amerika. Die sind aus Chromglas und haben einen sichtbaren Plattenspieler. Bei denen kann man sehen, wie die Platte abgespielt wird. Die vier wichtigsten Marken aus dieser Ära, und von denen wir auch Maschinen besitzen, sind AMi, Rock-Ola, Seeburg und Wurlitzer. Und im Laufe der Jahrzehnte sind unterschiedliche Tonträger entstanden, wir beschäftigen uns primär mit Musikboxen für die 45er-Single-Platte aus Vinyl. Die sind beidseitig abspielbar.

Gibt es eine Musikbox, die Ihr Herzensstück ist?

Petra Reutter: Das ist die AMi Modell I von 1958. Die ist so wunderbar kitschig mit ihrem Chromglas, ihrer schweinchenrosa Farbe und den Brillanten in den Durchbrüchen. Außerdem ist die Box seitlich bemalt. Also ihr leichter, fröhlicher Kitsch macht sie so besonders.

Jupp-Willi Reutter: Aber eigentlich gibt es nicht die schönste Jukebox. Es ist die Vielfalt der Boxen, die ihre Schönheit ausmacht. Und deswegen haben wir auch so viele Musikboxen in unserer Privatsammlung: etwa 50 Stück. Unsere Sammlung wird auch von unserem Sohn, Paul Reutter, mitgetragen.

Sohn Paul Reutter (l.) beteiligt sich ebenfalls an der Jukeboxen-Sammlung von Petra Reutter (r.) und Jupp-Willi Reutter.
Sohn Paul Reutter (l.) beteiligt sich ebenfalls an der Jukeboxen-Sammlung von Petra Reutter (r.) und Jupp-Willi Reutter. © FUNKE Foto Services | Julia Tillmann

Ein großer Teil Ihres Hobbys ist nicht nur das Sammeln, sondern auch das Reparieren von Musikboxen.

Petra Reutter: Genau, uns ist es völlig egal, ob die Boxen laufen oder nicht, wenn wir sie kaufen.

Jupp-Willi Reutter: Wenn wir eine Musikbox kaufen, wird sie komplett zerlegt und wieder aufgebaut. Dahinter verbirgt sich ein kompliziertes Werk, das sich selbst für handwerklich geschickte Menschen nicht unbedingt von selbst erklärt.

Woher wissen Sie denn wie Sie die Musikboxen reparieren können?

Jupp-Willi Reutter: „Learning by doing”. Unser Sohn hat außerdem eine fundierte Ausbildung zum Elektrotechniker-Meister gemacht.

Petra Reutter: Zumindest die elektrische Seite wird dadurch mit Verstand gelöst. Aber eigentlich ist es bei dem Hobby fast immer so, dass man durch „learning by doing“ lernt zu schrauben.

Welche Leidenschaft steckt denn mehr hinter Ihrem Hobby: die zur Musik oder die zum Tüfteln?

Petra Reutter: In erster Linie das Tüfteln und sich darüber schlau zu machen, wie sie das Problem damals gelöst haben. Automatisch kommt man irgendwann auch zur Musik. Wir beschäftigen uns gerne mit frühem deutschem Schlager aus den 60er Jahren. Dabei sind die Texte interessant, die alte Moralvorstellungen behandeln.

Tüfteln und Schrauben ist ein großer Teil des Hobbys von Jupp-Willi Reutter. Denn die Familie kauft auch Musikboxen, die nicht mehr funktionieren und repariert sie dann.
Tüfteln und Schrauben ist ein großer Teil des Hobbys von Jupp-Willi Reutter. Denn die Familie kauft auch Musikboxen, die nicht mehr funktionieren und repariert sie dann. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Welche Musikrichtung hören Sie am liebsten über die Musikboxen?

Jupp-Willi Reutter: Da sind wir eigentlich sehr breit aufgestellt. Wir haben 20.000 Schallplatten. Zu den Jukeboxen gehören die Weltstars wie Elvis Presley, Little Richard oder Jerry Lee Lewis. Die verkörpern den Rock’n’Roll. Und bei den Jukeboxen aus den 50er Jahren ist diese Musik im Design umgesetzt. Das gehört zusammen und ist eine Symbiose aus Design und Musikstil. In Deutschland dagegen war die Musik in den 50er Jahren eine völlig andere. Im Radio wurde nur Tanzmusik gespielt oder eben deutscher Schlager. Und dann kam in den frühen 60er Jahren der absolute Umbruch mit den Beatles und Rolling Stones.

Und welche Musik gehört nicht in so eine Musikbox?

Petra Reutter: Da gibt es eigentlich nichts. Selbst Märsche, Volksgesang, Foxtrott und Rumba sind bei uns vertreten.

Jupp-Willi Reutter: Letztendlich hat die Musikbox alle Musikrichtungen verkörpert. Natürlich waren der Wirt und der Aufsteller daran interessiert, dass die Musik gespielt wurde, die den Gästen gefällt.

Die amerikanische Musikbox AMi des Modells I gehört zu den Lieblingsstücken von Familie Reutter.
Die amerikanische Musikbox AMi des Modells I gehört zu den Lieblingsstücken von Familie Reutter. © derwesten | Stefan Kober

Was macht für Sie persönlich den Reiz aus, Musik über alte Jukeboxen zu hören?

Jupp-Willi Reutter: Die Musik hört sich aus einer Jukebox völlig anders an als von einem Plattenspieler oder einer Stereoanlage. Die Jukeboxen sind auf Bass ausgelegt. Da hat man fast den Eindruck, dass man auf einem Konzert ist. Man fühlt sich dichter dran an den Künstlern.

Petra Reutter: Und nach jedem Lied gibt es einen Wechsel der Schallplatte. Dadurch ist Leben in der Bude und man hat seine eigene Auswahl. Außerdem hört man einfach bewusster.

Hören Sie auch Musik über Streamingdienste?

Jupp-Willi Reutter: Nein, das machen wir gar nicht.

Petra Reutter: Uns fasziniert ja nicht nur die Musik, sondern auch der Anblick der Musikboxen. Ihr Licht, ihre Form, ihr Körper. Immer wenn wir Licht machen müssen, gehen die Musikboxen an. Ganz egal, ob wir Musik hören wollen oder nicht. Das ist ein gestalterisches Element. Wir haben kaum Möbel, weil das unsere Einrichtungsgegenstände sind. Und das lieben wir. Unsere Jukeboxen sind im ganzen Haus verteilt.

Die jährliche Ausstellung des Musikboxenvereins feiert dieses Jahr 25-jähriges Jubiläum. Was erwartet uns dieses Jahr auf der Ausstellung in Herne?

Petra Reutter: Abgerundet wird die Ausstellung von Leuten, die das Futter für die Boxen mitbringen, also Schallplatten. Wir haben einen Händler dabei, der 15.000 Platten für je einen Euro mitbringt. Wir haben auch zwei Mitglieder, die Flipper mitbringen werden. Dann gibt es Nussglocken- und Kaugummiautomaten. Es sind also nicht nur Musikboxen, sondern das ganze Spektrum wird abgedeckt. Das Besondere in diesem Jahr ist, dass wir die Ausstellung nach den zwei Jahren Corona-Pause endlich wieder veranstalten dürfen. Und ich glaube wir werden so viele Musikboxen ausstellen, wie noch nie zuvor.

>>> Über die Familie Reutter und Musikboxenverein e.V.

  • Jupp-Willi Reutter (71) und Petra Reutter (67) aus Recklinghausen sammeln seit 40 Jahren Musikboxen. Zu ihrer Privatsammlung gehören rund 50 Jukeboxen aus allen Epochen. Primär sammeln sie amerikanische Modelle aus den 50er Jahren. Ihr Sohn Paul Reutter (41) beteiligt sich ebenfalls an der Sammlung.
  • Petra Reutter ist Schatzmeisterin und Geschäftsführerin des Musikboxenverein e.V. Jupp-Willi Reutter ist Vereinssprecher. Sohn Paul Reutter fungiert als zweiter Vorsitzender. Seit 25 Jahren hat Petra Reutter außerdem den gewerblichen Betrieb Musikbox plus plus. Weitere Informationen sind auf der Internetseite www.musikbox-plusplus.de zu finden.
  • Der Musikboxenverein organisiert jährlich eine Ausstellung in Herne. Die diesjährige Ausstellung ist das 25-jährige Vereinsjubiläum und findet am Samstag, 5. November, von 11 bis 18 Uhr und Sonntag, 6. November, von 11 bis 17 Uhr am Veranstaltungszentrum Gysenberg statt. Der Eintritt ist frei. Weitere Informationen zum Verein sind auf der Internetseite www.musikboxenverein.de abrufbar.