Herne. 21 Sprach-Kitas in Herne stehen vor dem Aus. Eine Leiterin sagt: „Das möchten wir nicht einfach hinnehmen.“ Sorgen und Ärger sind groß.
- 21 Sprach-Kitas in Herne stehen vor dem Aus.
- Grund ist das Auslaufen eines Förderprogramms.
- Stadt Herne zieht positive Bilanz und bedauert den Stopp.
In Herne gibt es 21 sogenannte Sprach-Kitas, neun davon sind städtische Kindertagesstätten. Im Sommer nun wurde dem Jugendamt vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend mitgeteilt, dass das Projekt eingestellt wird. In den Kitas sind deshalb Sorgen und Ärger groß.
Seit 2016 fördert der Bund mit den Sprach-Kitas die sprachliche Bildung im frühkindlichen Bereich, vor allem Kinder mit einer anderen Muttersprache als Deutsch profitieren. Knapp 2,5 Millionen Euro seien seitdem für die Sprach-Kitas nach Herne geflossen, berichtete Hernes SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering im vergangenen Jahr – und kündigte eine weitere Einrichtung an. Nicht nur diese kann wohl direkt wieder dichtmachen: Das Förderprogramm für diese Kitas endet in diesem Jahr, dann dürfte Schluss sein. Die Ampel-Koalition hat bislang keine Pläne, es zu verlängern. Die Kitas müssen dann ohne diesen Schwerpunkt weitermachen.
Herne: Sprach-Kitas setzen auf besondere Angebote
In Herne seien für das Bundesprogramm Sprach-Kitas jene Einrichtungen ausgewählt worden, die von einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Kindern mit sprachlichem Förderbedarf besucht werden, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken zur WAZ. Dort würden Sprachbarrieren der Kinder, aber auch in ihren Familien abgebaut. Dafür sorge eine „einfache Sprache“, aber auch die Arbeit von Kultur- und Sprachmittlern. Die Sprach-Kitas setzten dazu auch auf besondere Angebote, darunter Ausflüge etwa in den Zoo, ins Trampolino oder zur Jolante in den Gysenberg. Außerdem seien Bücher und digitale Medien angeschafft worden. Das Ziel: „Jedes Kind dort abzuholen, wo es steht.“
Die Stadt zieht eine positive Bilanz. Bislang hätten in Herne 1700 Kinder und ihre Familien in Herne von dem Programm profitiert. Dadurch, dass Sprachanlässe im Alltag der Kita konsequent genutzt würden, sei es für Kinder möglich, sich zu entfalten: „Die Familien erfahren, dass sie, so wie sie sind, wertgeschätzt werden und Stolpersteine ausgeräumt werden.“ Sprachbildung sei ein essenzieller Baustein der frühkindlichen Bildung und somit für gut gelebte Integration sowie Inklusion – und für eine erfolgreiche Bildungsbiografie eines jeden Kindes.
Nachrichten in Herne – Lesen Sie auch:
- Herne-Mitte wird schöner: Was alles umgebaut werden soll
- Herne: Nightlight-Dinner mit Riesenpicknick und Musik
- Zwei städtische Häuser kommen in Herne unter die Abrissbirne
Auch die Einrichtungen profitierten. Die Kita-Leitungen würden geschult und begleitet, und die Sprach-Kitas hätten sich untereinander trägerübergreifend vernetzt und tauschten sich über die täglichen Herausforderungen aus. „So konnte durch Evaluationen ein deutlicher Zuwachs an Qualität in der Kitapraxis verzeichnet werden“, bilanziert Hüsken.
Durch das Aus verlieren die Kitas die Entlastung und die Expertise in diesem Bereich, sagt der Stadtsprecher. Gerade in der jetzigen Zeit, die durch Zuwanderung aus der Ukraine, durch eine sich verschärfende wirtschaftliche Situation und die Zunahme der Kinderarmut geprägt sei, sei die Bildung im Elementarbereich und der Spracherwerb aber besonders wichtig. Das Aus für die zusätzlichen Fachkräfte werde deshalb eine Lücke hinterlassen.
Kita-Leiterin: Stopp kommt zum „ungünstigen Zeitpunkt“
Ähnlich äußert sich Ayla Erdem, Leiterin des Familienzentrums Kinderwelt Herne-Eickel an der Bielefelder Straße. Der Stopp des Programms sei ein „falsches Signal“ und komme zum „ungünstigen Zeitpunkt“. Durch die Corona-Pandemie und die Schließung von Kitas habe der Spracherwerb der Kinder gelitten, viele zeigten zudem sozial-emotionale Auffälligkeiten, und in Familien gebe es Existenzängste. Durch das Programm könne man gegensteuern und vieles abfedern. Das Aus für die Sprach-Kitas lehnt sie deshalb ab: „Das möchten wir nicht einfach hinnehmen.“ Erdem ruft deshalb die Menschen dazu auf, eine entsprechende Petition unter www.sprachkitas-retten.de zu unterzeichnen.
>> Sprach-Kitas in Herne
Sprach-Kitas der Stadt: Kita Am Weustenbusch, Kita Drögenkamp, Kita Lerchenweg, Kita Michaelstraße, Kita Hofstraße, Kita Horsthauser Straße, Kita Langforthstraße, Kita Unser-Fritz-Straße und Kita Florastraße.
Sprach-Kitas anderer Träger: Kita St. Laurentius (Katholische Kirche), Kita Kinderwelt Herne-Eickel und Familienzentrum Kinderwelt Herne-Mitte (beide Plan B), Kita Regenbogenland, Kita Däumling, Kita Wilde Wiese, Kita Phantasie, Kita Europagarten (alle Lebenshilfe), Kita Unterm Regenbogen, Kita Bertakids (beide Evangelische Kirche), Kita Gelsenkircher Straße und Kita Breddestraße (beide Awo).