Herne. Viele Menschen mögen Tattoos, die für jeden sichtbar sind. Aber was sagen Arbeitgeber wie die Sparkasse dazu? Wir haben in Herne nachgefragt.
In Deutschland hat heutzutage jeder fünfte Erwachsene ein Tattoo. Während die einen mit Stolz zu ihren Körperkunstwerken stehen, wünschen sich andere vermutlich, dass sie auf die Worte ihrer Eltern gehört hätten, als diese einst sagten: „Überleg es dir gut! Du weißt nicht, wo du später mal arbeiten möchtest!“
Aber gibt es im Jahr 2022 tatsächlich noch Jobs, bei denen sichtbare Tätowierungen absolut tabu sind? Können Tattoos ein Ausschlusskriterium für die Einstellung sein? Gibt es Symbole, die der Arbeitgeber nicht tolerieren muss? Wir haben in Herne bei der Sparkasse, der Stadtverwaltung, den Stadtwerken sowie der Bochumer Polizei nachgefragt und mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht gesprochen.
Herner Anwalt zu Tattoos am Arbeitsplatz: Es kommt auf die Branche an
Zunächst sei gesagt: Eine konkrete gesetzliche Rechtsgrundlage, ob und wann Tattoos im Beruf akzeptiert werden müssen oder verboten werden dürfen, findet man im Arbeitsrecht nicht. Wie so oft, kommt es auf den Einzelfall an. „Arbeitgeber haben ein Direktionsrecht und Arbeitnehmer haben die vertraglich festgelegten Haupt- und Nebenpflichten zu erfüllen“, erklärt Peter König, Fachanwalt für Arbeitsrecht am Westring 195 in Herne. „Dazu gehört unter Umständen auch, dass der Arbeitnehmer ein gewisses äußeres Erscheinungsbild erfüllt, wenn der Arbeitgeber dazu ein berechtigtes Interesse hat.“
Ob ein berechtigtes Interesse besteht oder nicht, entscheide im Zweifel der Richter. Falls ja, könne ein unbedecktes Tattoo durchaus ein Kündigungsgrund sein. Es komme jedoch immer auf die Branche und die Position des Arbeitnehmers an. „Ein kleines unauffälliges Tattoo sollte in jeder Hinsicht unproblematisch sein“, so der Rechtsanwalt. „Mit großflächigen und sichtbaren Tattoos könnte man sich die Jobchancen zum Beispiel in der Bankbranche auch heute noch verbauen.“
Sparkasse Herne: Tattoos kein Tabu, aber es gibt Grenzen
„Bei uns sind viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätowiert“, sagt Thorsten Thöing, Geschäftsführer des Versicherungsdienstes bei der Herner Sparkasse. „Aber es gibt Grenzen!“ Da, wo Botschaften über die Tattoos gesendet werden, schaue man genauer hin. Verfassungsfeindliche Botschaften oder jene, durch die sich Dritte angegriffen fühlen könnten, seien tabu. Dennoch gehe die Sparkasse heutzutage deutlich gelassener mit dem Thema um als früher. „Tattoos standen für Knastis, heute sind sie gesellschaftlich viel akzeptierter“, so Thöing.
„Tattoos sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen und hauptsächlich als Privatsache des Mitarbeitenden anzusehen“, findet auch Angelika Kurzawa, Pressesprecherin bei den Stadtwerken Herne. Demnach seien Tätowierungen – je nach Position und Symbol – auch kein grundsätzliches Ablehnungskriterium bei den Stadtwerken. „Man darf allerdings nicht vergessen, dass die Mitarbeiter als Repräsentanten des Unternehmens auftreten“, so Kurzawa. Das gelte besonders für die Kundenbetreuer, die bislang immer eigenverantwortlich gut aufgetreten seien. Im Zweifelsfall bestehe dort jedoch auch ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse, ein Tattoo zu bedecken.
Am entspanntesten scheint die Stadtverwaltung mit dem Thema Tattoo umzugehen. „Bei der Stadt Herne gibt es keinen Dresscode für Mitarbeitende und daher auch keine Vorgaben für Tattoos oder Piercings“, sagt Anja Gladisch, Pressesprecherin der Stadt Herne. Die Bewerbungsverfahren seien grundsätzlich durch die Bestenauslese im Rahmen der Anforderungs- und Befähigungsprofile geprägt. Dabei gehe es nicht um das äußere Erscheinungsbild, sondern um die Qualifikation. Damit habe man bisher sehr gute Erfahrungen gemacht.
Die Polizei muss neutral bleiben
Besonders laut wird seit Jahren darüber diskutiert, ob Tätowierungen bei der Polizei vom Dienstherrn zugelassen werden sollten. In NRW haben sich bereits viele Gerichte mit den Tattoo-Wünschen von (angehenden) Polizistinnen und Polizisten auseinandergesetzt und nicht selten entschieden, dass diese aufgrund ihrer Tätowierungen nicht abgelehnt werden dürfen. „Es gab aber auch schon reichlich Prozesse, bei denen der Polizist anschließend nicht eingestellt wurde“, betont Rechtsanwalt König. Hier befinde man sich nun nicht mehr im Arbeits-, sondern Verwaltungs- bzw. Beamtenrecht.
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Auch bei der Bochumer Polizei gebe es tätowierte Bedienstete, bestätigt Pressesprecher Frank Lemanis. Zahlenmäßig erfasse man sie nicht. Auch wisse man nicht, wer welche Symbole tätowiert hat. Laut Nora Thieme vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei in NRW wird jedoch jede Tätowierung im Bewerbungsverfahren beim zuständigen Polizeiarzt fotografisch dokumentiert und abschließend bewertet. Man stehe dem gesellschaftlichen Wandel in Bezug auf Tattoos nicht im Wege, beachte jedoch, dass die Polizei neutral bleiben müsse und Tätowierungen diese Neutralität stören könnten. „Somit sind Tätowierungen grundsätzlich zulässig, sofern diese nicht verfassungsfeindlich, diskriminierend, entwürdigend, sexistisch oder gewaltverherrlichend sind“, sagt Thieme.