Herne. Während in anderen Städten immer weniger Ärzte Abtreibungen durchführen, steigt in Herne die Zahl. Warum das trotzdem nicht reicht.
- Drei Praxen führen in Herne Abtreibungen durch.
- In Nachbarstädten sinkt die Zahl der Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten.
- Herne ist die einzige Stadt, in der die Zahl der Ärzte steigt.
Während in Nachbarstädten immer weniger Ärzte und Ärztinnen Schwangerschaftsabbrüche durchführen, ist in den letzten Jahren eine Praxis in Herne hinzugekommen. Herne sei die einzige Stadt, in der es einen Zuwachs gegeben habe, sagt Ärztin Dorothee Kleinschmidt von der Beratungsstelle „Pro Familia“ in Bochum, die auch Frauen aus Herne berät. Zwei Ärztinnen und Ärzte in Herne führten die Schwangerschaftsabbrüche medikamentös und operativ durch, ein Mediziner beziehungsweise eine Medizinerin nur operativ. Welche Praxen Abtreibungen durchführen, dürfe aus Datenschutzgründen nicht genannt werden, teilt die Kassenärztliche Vereinigung mit.
Der Bedarf in Herne wäre damit vielleicht abgedeckt, sagt Kleinschmidt, „wenn es nicht so einen starken Rückgang in den Nachbarstädten gäbe“. Im gesamten Umkreis sei die Zahl der abbrechenden Ärzte und Ärztinnen von 2006 bis 2021 von 17 auf zehn zurückgegangen. In Bochum gebe es beispielsweise nur noch einen, in Recklinghausen ebenfalls und in Essen nur zwei. In der Regel seien es ambulant operierende oder gynäkologische Praxen, die die Eingriffe durchführen. Kliniken gebe es nur selten und dann eher für die späteren Abbrüche, die zum Beispiel aus medizinischen Gründen durchgeführt würden. In Herne führe keine Klinik Schwangerschaftsabbrüche durch, das bestätigt auch die Stadt Herne auf Nachfrage.
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Schwangerschaftsabbrüche: Zahl der Beratungen in Herne bleibt gleich
Wie viele Schwangerschaftsabbrüche in Herne durchgeführt worden sind, könne Pro Familia nicht sagen. Allerdings zeigt die Zahl der Beratungsgespräche, dass das Thema bei vielen Frauen und Paaren akut ist. Pro Jahr ließen sich bei Pro Familia Bochum durchschnittlich 500 bis 550 Frauen und Paare zu dem Thema Schwangerschaftsabbruch/-konflikt beraten.
In der städtischen Beratungsstelle ist die Anzahl der Beratungen in den vergangenen drei Jahren auf einem Niveau geblieben. 2021 waren es 94, 2020 104 und 2019 ließen sich 102 Frauen und Paare bei der Stadt bezüglich dieses Themas beraten. „Generell gilt: Die Beratung erfolgt anonym, die Wahl der Beratungsstelle ist den Frauen freigestellt. Frauen können sich daher auch in den entsprechenden Institutionen in anderen Kreisen und Städten beraten lassen“, sagt Stadtsprecher Christoph Hüsken auf Nachfrage der WAZ.
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Da es nur noch so wenige Ärzte und Ärztinnen gibt, die Abtreibungen durchführen, kommt es bei den wenigen, die es noch machen, teils zu langen Wartezeiten für einen Termin zur Voruntersuchung. Je nach Stadt könne das zwei bis zehn Tagen dauern. Und davor müssten die Frauen länger auf Termine warten, bei denen die Schwangerschaft zunächst festgestellt werde, so Kleinschmidt.
Pro Familia forderte Abschaffung von Paragraf 219a
Doch wieso führen nur noch so wenige Praxen Abbrüche durch und wie müssten sich die Rahmenbedingungen ändern, damit wieder mehr Ärztinnen und Ärzte miteinsteigen? Mit dieser Fragestellung hat sich Pro Familia Bochum im vergangenen Herbst beschäftigt und dafür Ärztinnen und Ärzte zu dem Thema befragt. Ziel dieser Befragung sei es gewesen, dass Frauen auch in Zukunft wohnortnah und medizinisch sicher die Möglichkeit für einen Abbruch ihrer Schwangerschaft hätten. Dafür müssten neue Rahmenbedingungen geschaffen werden, unter denen neue Ärzte und Ärztinnen bereit sind, diese durchzuführen.
Das Ergebnis: Das größte Hindernis für einige Ärzte und Ärztinnen scheint die geringe Vergütung zu sein, aber auch die Sorge vor kostspieligen Anschaffungen für den instrumentellen Abbruch ist für einige ein Hindernis. Dass es Kritik von „Stamm-Patientinnen“, Probleme mit sogenannten „Lebensschützern“ geben oder der Ruf der Praxis leiden könnte, befürchten hingegen nur wenige der befragten Ärzte und Ärztinnen.
Am Freitag, 24. Juni, wurde nun vom Bund der Paragraf 219a gestrichen, der es verbietet, Werbung für Schwangerschaftsabbrüche zu machen. Das sei eine wichtige Voraussetzung, um dafür zu sorgen, dass wieder mehr Medizinerinnen und Mediziner Abtreibungen durchführen, betonte Pro Familia schon vor Abschaffung des Paragrafen. Zum anderen müsse das Land NRW Kliniken und Praxen fördern, die Abbrüche durchführen, so das Ergebnis der Erhebung.