Herne. Der Rechtsanspruch auf einen OGS-Platz stellt die Stadt Herne vor eine Mammut-Aufgabe. Denn schon jetzt fehlen an Grundschulen Betreuungsplätze.
- Ab 2026 tritt ein Rechtsanspruch auf einen Platz im Offenen Ganztag in Kraft.
- Die Stadt Herne rechnet damit, dass etwa 2000 zusätzliche Plätze benötigt werden.
- Das führt zu Problemen, die in den nächsten vier Jahren gelöst werden müssen.
An einigen Grundschulen in Herne gibt es zum kommenden Schuljahr zu wenige Plätze im Offenen Ganztag (OGS). Dieses Problem könnte sich aber noch verschärfen, wenn ab 2026 ein Rechtsanspruch auf einen solchen OGS-Platz in Kraft tritt. Denn neben dem Personal fehlen auch die notwendigen Räume. Außerdem erarbeiten die Schulen schon jetzt ganz neue Konzepte für den Schulalltag, die das Lernen an der Grundschule komplett ändern könnten.
Im laufenden Schuljahr besuchen laut Stadt 2773 Schülerinnen und Schüler nach dem Unterricht die Ganztagsbetreuung. Zum kommenden Schuljahr sollen zusätzliche Plätze entstehen, dennoch ist schon jetzt klar: „Die aktuelle Nachfrage übersteigt das Angebot an einigen Standorten für das kommende Schuljahr“, sagt Stadtsprecher Patrick Mammen. Betroffen seien die Grundschulen Ohmstraße, Sonnenschule, Börsinghauser Straße, Erich-Kästner-Schule, Michaelschule, Südschule und die Grundschule an der Vellwigstraße, wo mit 28 fehlenden Plätzen das größte Defizit herrscht.
OGS in Herne: Wohl etwa 2000 zusätzliche Plätze werden benötigt
Stadt und Schulen stehen in den kommenden Jahren vor einer enormen Herausforderung, denn nach Berechnungen der Stadt muss sie die Zahl der OGS-Platze binnen kürzester Zeit fast verdoppeln. Die Verwaltung gehe davon aus, dass bei einem Rechtsanspruch zwischen 75 und 80 Prozent der Kinder diesen auch nutzen möchten, heißt es von der Stadt auf WAZ-Anfrage: „Bei rund 6300 Schülerinnen und Schülern würden rund 4725 bis 5040 Plätze nachfragen“, sagt Patrick Mammen. „Es müssten also etwa 1774 bis 2089 Plätze zusätzlich angeboten werden.“
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Soweit so schwierig, denn: „Die Mensen sind zu klein“, so eine nüchterne Feststellung der Schulamtsdirektorin. Schon jetzt sind einige am Anschlag und würden die Kapazität für zusätzliche Mittagessen deshalb so nicht ermöglichen. Auch räumlich und personell kommen einige Schulen an ihre Grenzen. Deshalb arbeite die Stadt schon jetzt daran, Grundschulen zu sanieren bzw. auszubauen oder teilweise zu erweitern – laut Stadt geschehen etwa bei den Grundschulen Kolibri, Kunterbunt, Freiherr-vom-Stein, Eickeler Park und der Laurentiusschule.
„In konkreter Planung und Umsetzung sind die Grundschulen Forellstraße, Galileo-Schule und Europaschule Königstraße“, so Mammen. Zum Schuljahresbeginn 2022/23 sollten zudem die Baumaßnahmen an der Max-Wiethoff-Grundschule und der Claudiusschule abgeschlossen sein. „Zu allen weiteren Standorten sind Machbarkeitsstudien in Arbeit“, sagt der Stadtsprecher. Betrachtet würden dabei die Erfüllung des OGS-Rechtsanspruchs, Raumprogramme und -konzepte sowie die Barrierefreiheit. Ein weiteres Problem: „Die Finanzierung ist bei gerade steigenden Kosten nicht so einfach und das Land gibt nur einen marginalen Teil dazu“, so Christoph-Martini.
Stadt Herne arbeitet mit Trägern der OGS intensiv zusammen
Außerdem arbeite die Stadt Herne mit den Trägern der OGS intensiv daran, genügend Personal zu rekrutieren. „Die Herausforderungen sind groß, die Nachfrage nach Fachkräften ist schon heute sehr hoch“, räumt Mammen ein. Angesichts dieser Ausgangsbedingungen ist auch Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini froh: „Gott sei Dank haben wir noch vier Jahre vor uns.“ Bei steigenden Zahlen der Erstklässler könne es „knapp werden“.
Ein eigener Arbeitskreis solle sich künftig mit dem Thema OGS befassen. Denn auch neue Konzepte müssten her. Eng verknüpft mit dem OGS-Rechtsanspruch ist die Option, einzelne Klassen auf einen „rhythmisierten Ganztag“ umzustellen. „Dabei rücken Schule und OGS noch näher zusammen“, sagt Andrea Christoph-Martini. Die Kinder wechseln dabei nicht nach dem Unterrichtsschluss in eine andere OGS-Klasse, sondern bleiben von morgens an bis zum Ende der Betreuung um 15 oder 16 Uhr im Klassenverbund in ihrem Klassenraum zusammen.
Drei Herner Grundschulen setzen bereits auf rhythmisierten Ganztag
Die Zeit bis zum Nachmittag werde dabei ganzheitlich gesehen und gestaltet, erläutert Christoph-Martini. Das ermöglicht eine ganz neue Aufteilung von Unterrichtszeit und Freizeit- bzw. Entspannungsphasen für die Kinder. „Wir haben schon sehr früh Qualitätsstandards für den Offenen Ganztag beschrieben – da müssen wir noch mal rangehen“, so die Schulamtsdirektorin weiter. „Wir können besser Rücksicht auf den Biorhythmus der Kinder nehmen“, sieht Monika Müller, Schulleiterin der Grundschule Kunterbunt, die Vorteile. So könne es etwa nach einer Pause auch am frühen Nachmittag noch einmal Mathe geben, wenn die Kinder eine „Wachphase“ hätten. „Für die Kinder ist es besser“, sagt sie entschieden.
Für Grundschullehrerinnen und -Lehrer wird sich aber auch viel ändern. So gehe der Trend dahin, nicht mehr bis mittags, sondern den ganzen Tag in der Schule zu verbringen - oder eben erst später zu beginnen. Die Claudius-, Michael- und Josefschule setzten bereits jetzt auf das Konzept des „rhythmisierten Ganztags“, so Christoph-Martini. „Und die Rückmeldungen sind durchweg positiv.“
>>>WEITERE INFORMATIONEN: Rechtsanspruch ab 2026
- Ab 2026 wird der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz im Offenen Ganztag schrittweise eingeführt. Er beginnt in dem Schuljahr mit den Erstklässlern und wird in jedem Jahr um einen Jahrgang erweitert.
- Ab August 2029 hat damit jedes Grundschulkind der Klassenstufen eins bis vier einen Anspruch auf eine ganztägige Betreuung.
- In Herne gibt es - anders als in Nachbarstädten, wo es beispielsweise eine 8-13-Betreuung gibt - keine andere Betreuungsform nach dem Unterricht als die OGS.