Herne. Die Beratungsstelle Schattenlicht e.V. hilft Mädchen und Frauen in Herne, die Gewalt erfahren haben. Welche Form von Gewalt die häufigste ist.
In Deutschland hat jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Gewalt erlebt. Das geht aus einer Statistik des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hervor. „Gewalt kennt viele Formen“, erklärt Antonie Brieske (57). Sie ist Traumaberaterin bei Schattenlicht e.V., eine Beratungs- und Kontaktstelle für Frauen und Mädchen in Herne. „Es gibt verbale, rituelle, psychische, sexualisierte Gewalt und noch viele, viele mehr.“ Bei Schattenlicht finden Frauen und Mädchen eine Anlaufstelle – auch wenn es bei der Gründung vor 30 Jahren damals hieß: „So was brauchen wir hier doch gar nicht.“
Nachrichten aus Herne – lesen Sie auch:
- Herne: Otto-Hahn-Gymnasium verwüstet – Polizei sucht Täter
- Motorradunfall: 42-Jähriger aus Herne schwer verletzt
- Herne: Darum kreiste ein Hubschrauber nachts über der Stadt
Die Zahlen zeigen: Es gibt einen Bedarf. 2020 nahmen 883 Mädchen und Frauen das Beratungsangebot von Schattenlicht in Anspruch. Mit mehr als 140 Fällen machen physische und psychische Gewalt den größten Anteil aus, gefolgt von Trennung/Scheidung (über 100 Fälle) und sexualisierter Gewalt (rund 90 Fälle). „Es kommen wirklich Frauen und Mädchen aus allen Schichten und in jedem Alter zu uns“, sagt Antonie Brieske. Auch Fachpersonal wie Lehrerinnen und Lehrer, Ärztinnen und Ärzte oder auch Betreuerinnen und Betreuer meldeten sich stellvertretend, dann meist für jüngere Frauen oder Jugendliche. Die Zahl der Klientinnen, wie die Frauen und Mädchen bei Schattenlicht bezeichnet werden, habe über die Jahre zugenommen. „Viele Themen sind enttabuisiert worden, aber es gibt auch noch viel zu tun“, so Brieske.
Hier setzt Annelie Ringmann-Gogolla an. Die Fachkraft gegen sexualisierte Gewalt ist bei Schattenlicht für den Schwerpunkt Prävention zuständig, arbeitet viel mit Jugendlichen. „Es ist erschreckend, was Mädchen und junge Frauen teilweise für ein Selbstbild und auch Vorstellungen von Beziehungen haben“, sagt die 40-Jährige. Regelmäßig besucht sie Schulen und erarbeitet mit den Mädchen theoretische und praktische Ansätze, um sie für den Umgang mit Gewaltsituationen zu schulen. „Wir sprechen viel über Warnsignale, aber auch über Beziehungen und die eigene Körpersprache.“ In den Schulen oder Familien finde das nach Ringmann-Gogollas Erfahrung kaum statt.
- Lesen Sie auch: Frauenhaus in Herne freut sich über komfortablen Neubau
Vergangenes Jahr hat die studierte Sozialwissenschaftlerin zudem ein Picknick-Projekt für geflüchtete Mädchen gestartet, bald soll es eine neue Auflage speziell für Geflüchtete aus der Ukraine geben. „Da sind noch mal ganz andere Themen im Fokus, als bei Mädchen und Frauen, die in Deutschland sozialisiert sind“, sagt Annelie Ringmann-Gogolla. Gerade die Fragen nach Rechten und Möglichkeiten seien für Frauen mit Fluchterfahrung interessant, aber auch die Zukunftsplanung. „Vielen ist gar nicht bewusst, welche Türen ihnen theoretisch offenstehen.“ Umso wichtiger sei ein offener Umgang.
Herner Beratungsstelle: Jede Klientin befindet sich in einer Not-Situation
„Die Personen, die zu uns kommen, befinden sich immer in einer Krise oder Not-Situation“, sagt Antonie Brieske. „Das erfordert viel Fingerspitzengefühl im Umgang.“ 1992 wurde Schattenlicht als Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Frauen und Kindern eröffnet, „weil wir bei der Arbeit im Frauenhaus gemerkt haben, dass wir der Nachfrage nicht gerecht werden“. Die ersten Büros der Beratungsstelle, die seit 2002 als eigenständiger, gemeinnütziger, eingetragener Verein Teil der Landesförderung NRW für Frauen- und Mädchenberatungsstellen ist, befanden sich im Sportpark Wanne-Eickel. „Im Souterrain“, erinnert sich Brieske zurück. Mittlerweile sitzt Schattenlicht in der Straßburger Straße unweit der Innenstadt.
„Wir sind autonom und von keinem Träger abhängig“, erklärt Antonie Brieske. „Das bedeutet aber auch, dass wir auf Spendengelder angewiesen sind.“ Das Landesministerium für Heimat und die Stadt Herne förderten die Beratungsstelle zwar, aber durch steigende Kosten, etwa für Personal, steige der Teil der benötigten Spenden immer weiter an. Durch die Landesmittel seien für 2022 rund 60 Prozent der Kosten gedeckt, die Stadt Herne trage 21 Prozent der Kosten. „Da wir von der Politik als Projekt eingestuft werden, kommen wir nicht für eine Pflichtfinanzierung infrage“, so Brieske. „Wir sind von vielen Faktoren abhängig.“ Das schaffe eine unterschwellige Unsicherheit, „aber es lohnt sich, darum zu kämpfen“.
>>> Spenden für Schattenlicht
- Die Beratungsstelle ist auf Spendengelder angewiesen, alleine 2022 müssen rund 19 Prozent der Kosten (ca. 39.000 Euro) durch Spenden getragen werden.
- Spendenkonto: Schattenlicht e.V., IBAN: DE24 4325 0030 0001 0406 09; mehr Informationen unter www.schattenlicht-beratungsstelle.de.
- Spenderinnen und Spender werden auf Wunsch in der „Danke“-Rubrik erwähnt.