Herne. Roter Teppich auf der Wanner Hauptstraße: Beim Kiezfest soll das Potenzial des Quartiers im Fokus stehen. Was die Kultur von der Politik fordert.

Zwischen Zeemann und Lecker Lecker – auf Höhe des Juweliers Lehmkühler – beginnt er, der rote Teppich. Mit schwarzem Klebeband ist er auf der Hauptstraße fixiert, „der Wind macht uns heute zu schaffen“, sagt Zekai Fenerci, der künstlerische Leiter von Pottporus e.V. „Die Passage, die sonst gerne gemieden wird, soll heute im Fokus stehen.“

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Kinderschminken, Dosenwerfen, Ballontiere – die Kinder genießen das ungewohnte Treiben auf dem hinteren Teil der Hauptstraße sichtlich. Vor nahezu jedem Ladenlokal stehen provisorische Stände, angeboten werden Obst, Kaffee und vieles mehr. „Genau das war unser Ziel. Zu zeigen, welches Potenzial in dieser Straße steckt“, erklärt Till Beckmann. Unter der Leitung von ihm und Cindy Jänicke ist die Idee für das Kiezfest entstanden und gewachsen. Das Motto: „Kommt vorbei – stellt Stühle raus – macht mit.“ Die ganze Woche schon arbeiteten die Kulturschaffenden an der Vorbereitung für das Kiezfest, verteilten etwa gespendete Blumen an die Ladeninhaber. „Alle waren sofort neugierig und man ist sofort ins Gespräch gekommen“, erzählt Cindy Jänicke.

Kultur in Herne: Politik ist auch gefordert

Teilhabe sei aber nur der erste Schritt. Wichtig sei es, eine nachhaltige Veränderung für das Quartier zu erzielen. „Oft sagen die Leute, dass früher alles besser war, sagt Till Beckmann. „Nostalgie ist vielleicht eine schöne Ferienwohnung, aber kein fester Wohnsitz.“ Um langfristig etwas zu bewirken, sei die Politik gefordert – da sei er realistisch. „Mehr Gastronomie wäre schön“, sagt der Schauspieler. „Es muss attraktiver werden, hier ein Geschäft zu öffnen.“

Das junge Hip-Hop-Ensemble Pottporus nutzte den roten Teppich als Showbühne.
Das junge Hip-Hop-Ensemble Pottporus nutzte den roten Teppich als Showbühne. © Foto Funke Services | Klaus Pollkläsener

Inmitten der Lokale und improvisierten Stände ragen alle 20 bis 30 Meter gelb-grau gestrichene Skulpturen aus Holz empor. Die „hybriden Sitzmöbel“, wie er sie selbst nennt, hat Alper Kazokoglu entworfen und gebaut. Kazokoglu Teil des dreiköpfigen Architektur-Kollektivs „umschichten“. „Mit unseren Installationen wollen wir dafür sorgen, dass der öffentliche Raum auch einfach mal anders genutzt wird“, erklärt er. Die Liege und Sitzflächen laden zum Verweilen ein – sind auch an diesem Freitag ein beliebter Standort für viele Passantinnen und Passanten. „Während der Aufbauarbeiten in den vergangenen Tagen sind wir mit vielen Leuten ins Gespräch gekommen“, erzählt Alper Kazokoglu. Vor allem Kinder und Senioren seien sehr neugierig gewesen. „Ich habe jetzt sehr viele etwa zehnjährige Freunde auf der Hauptstraße“, scherzt er.

Die fünf Kunstobjekte sind mit mobilen Lichtinstallationen ausgestattet und alle jeweils einem Ladenlokal zugeordnet. „Die Ladeninhaber haben alle die Patenschaft für die Objekte übernommen, sie bleiben noch zwei Wochen stehen“, so Kazokoglu. Eines dieser Lokale ist Brockenhaus II der Gesellschaft freie Sozialarbeit. Am Ende der Hauptstraße haben Marion Gonzalez und ihre Kolleginnen unweit ihres „Patenkindes“, der Installation, einige Tische aufgestellt und verkaufen dort Second-Hand-Mode aus ihrem Ladenlokal. „Es ist schon schön zu sehen, dass hier mal etwas mehr los ist“, sagt Gonzalez. „Es wäre schön, wenn das nicht nur heute so wäre.“

>>> Neues Kiez-Café geplant

  • Die Einzelhändler auf der Hauptstraße haben während des Kiezfestes die Möglichkeit, ihr Lokal und Angebot zu präsentieren. Wichtig dabei: Die Angebote sollen nicht kommerziell sein.
  • Das Kiez-Café im ehemaligen Karstadt-Gebäude war nur ein temporärer Standort. „Wir planen, im Sommer ein Kiez-Café an der Metzgerei Alican zu eröffnen“, so Cindy Jänicke.