Herne. „Tinysalons“ in Herne bietet selbstständigen Friseuren moderne Arbeitsplätze, die sie mieten können. Was hinter dem neuen Geschäftsmodell steckt.

Vor vier Jahren hat Lisandro Adler seinen Friseursalon „Style4me“ in der Hauptstraße 206 in Wanne der WAZ gegenüber zum „digitalsten Friseursalon Deutschlands“ erklärt. Nun hat der 37-Jährige den Salon geschlossen, um einem neuen Geschäftsmodell nachzugehen, das seit kurzem auf der anderen Straßenseite (Hauptstraße 215) zu finden ist.

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Potenzielle Kundinnen und Kunden, die spontan für einen Haarschnitt vorbeikommen, merken schnell: „Tinysalons“ ist kein Friseursalon im klassischen Sinne. Hier arbeiten Friseure selbstständig in sogenannten Co-Working Spaces, also Räumen, die von mehreren Kollegen zu jeweils festen Zeiten genutzt werden können.

„Tinysalons“: So funktioniert das Konzept

Bei „Tinysalons“ („winzige Salons“) ist der Name Programm: Die Fläche ist unterteilt in fünf Räume, die Friseure stundenweise anmieten. Der größte Raum mit zwei Sitzplätzen und einem Waschplatz liegt bei 13 Euro pro Stunde, der kleinste mit nur einem Arbeitsplatz bei 8 Euro. Friseure, die einen Raum mieten möchten, können dies über die Website tun. Dafür ist lediglich eine einmalige Registrierung erforderlich.

Fünf kleine und große Räume stehen bei „tinysalons“ zur Verfügung. Hier arbeiten Friseure vollkommen unabhängig.
Fünf kleine und große Räume stehen bei „tinysalons“ zur Verfügung. Hier arbeiten Friseure vollkommen unabhängig. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Verwaltungspersonal gibt es keines. Die Türen sind mit elektronischen Schlössern gesichert, die der Mieter per Handy freischalten kann. Die Friseure werben ihre Kunden selbstständig an, auch die Terminvereinbarung bleibt ihnen überlassen. Ihre Ausstattung bringen die Friseure selbst mit. Für den Fall, dass mal etwas fehlt oder ausgeht, gibt es im Keller einen Shop, in dem Pflegeprodukte, Farbe und sonstiges Material bereit stehen.

Die moderne Ausstattung der Räume - etwa Wärmelampen und Kopfhautscanner - dürften Stammkundinnen und -Kunden noch aus Adlers Salon „Style4me“ kennen. Über einen Monitor an der Tür können die Friseure außerdem das Licht im Raum steuern. „Das Licht wirkt extrem auf die Haarfarbe. Das können unsere Friseure so demonstrieren“, erklärt der Inhaber, der zwar selbst nicht Friseur ist, sich aber in Sachen Marketing bestens auskennt. „Ich betrachte dieses Projekt auch aus Sicht des Zeitgeistes“, so Adler. „Hier hat jeder Friseur die Möglichkeit, sich selbst zu promoten.“ Eine Social-Media-Ecke mit professioneller Belichtung und Spiegelsystem soll den Friseurinnen und Friseuren dazu dienen, sich und ihre Stylings online zu präsentieren.

Inhaber: Selbstständigkeit ist großer Vorteil für Friseure

Friseurmeisterin Anna-Lena Seek zieht ein positives Feedback zu „tinysalons“. Die Selbstständigkeit ermöglicht es der dreifachen Mama, Familie und Job unter einen Hut zu bekommen.
Friseurmeisterin Anna-Lena Seek zieht ein positives Feedback zu „tinysalons“. Die Selbstständigkeit ermöglicht es der dreifachen Mama, Familie und Job unter einen Hut zu bekommen. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Die erste Mieterin bei „Tinysalons“ ist Adlers Lebensgefährtin Anna-Lena Seek. Die Friseurmeisterin war vorher bei „Style4me“ angestellt und hat sich nun selbstständig gemacht. Als Mutter von drei kleinen Kindern sieht sie darin viele Vorteile: „Für mich ist das hier ideal, um meine private und berufliche Situation zu verbinden.“ Sie könne ihre Arbeitszeit flexibel gestalten, müsse etwa keine Krankheits- oder Urlaubsvertretung mehr machen, so die 39-Jährige. „Ich lege mir meine Termine, wie ich möchte und kann die Kundenakquise ganz bequem von Zuhause aus machen.“ Und auch bei der Kundschaft komme das Konzept gut an: „Die Kunden genießen die Privatsphäre und die Eins-zu-Eins-Betreuung ohne Ablenkung.“

Lisandro Adler hat als Unternehmer langjährige Erfahrung in der Friseurbranche. Wenn sich sein neues Konzept bewährt, könne er sich vorstellen zu expandieren, sagt er.
Lisandro Adler hat als Unternehmer langjährige Erfahrung in der Friseurbranche. Wenn sich sein neues Konzept bewährt, könne er sich vorstellen zu expandieren, sagt er. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

„Den Friseuren bieten wir die Chance, aus einer abhängigen Beschäftigung herauszukommen“, betont Adler, der mit seiner Familie in Wanne lebt. „Und das ohne Risiko.“ Auch Friseure, denen das Kapital fehle, um einen eigenen Salon zu eröffnen, könnten über „Tinysalons“ den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. „Jeder kann hier doppelt so viel verdienen oder die Hälfte arbeiten“, ist der Unternehmer überzeugt. „30 Euro die Stunde zu verdienen, ist hier ohne Probleme möglich.“

Bisher falle die Reaktion auf das neue Geschäftsmodellnoch gemischt aus, so Adler. „Viele Friseure sind sehr interessiert und würden sich gern selbstständig machen, trauen sich dann aber doch nicht.“ Das könne er verstehen, die Selbstständigkeit sei für viele ein Riesenschritt. Gerade deshalb wolle er mit „Tinysalons“ auch eine Community schaffen, die sich gegenseitig unterstützt. „Ich denke, dass das für den ein oder anderen sehr interessant sein könnte.“

>>> WEITERE INFORMATIONEN: tinysalons

  • Auf der Website tinysalons.biz können sich Kunden und Friseure über das Angebot informieren. Tinysalons ist außerdem auf Facebook (tinysalons) und Instagram (tiny.salons) vertreten.
  • Neben dem „Drop in“-Angebot, bei dem Friseure einen Raum unverbindlich stundenweise buchen, gibt es auch Silber-, Gold- und Platin-Mitgliedschaften. Diese beginnen bei 480 Euro und schließen ein Guthaben-System ein.