Herne. Die Umstellung von G8 auf G9 birgt einige Tücken: Sitzenbleibern droht der Schulwechsel. Was das für jetzige Neuntklässler in Herne bedeutet.

Die Umstellung von G8 auf G9 an den Gymnasien birgt für den letzten G8-Jahrgang einige Tücken. Schülerinnen und Schüler der jetzigen 9. Klasse, die nach Klasse 10 sitzen bleiben, droht ein Schulwechsel. Das Haranni-Gymnasium soll als Bündelungsgymnasium Schüler aus dem ganzen Stadtgebiet aufnehmen. Betroffen sind neben Sitzenbleibern in 2023 vor allem auch Realschülerinnen und Realschüler, die als Seiteneinsteiger in die gymnasiale Oberstufe wechseln möchten, um dort ihr Abitur zu machen. Auch ein Wechsel an eine Gesamtschule ist möglich.

Der Hintergrund: Zum Schuljahr 2019/20 sind die Gymnasien in NRW mit den Jahrgängen 5 und 6 zu G9 zurückgekehrt. Schülerinnen und Schüler, die in dem Jahr auf ein Gymnasium gewechselt sind, machen erst nach neun Jahren ihr Abitur und nicht wie bei G8 nach acht. Der letzte G8-Jahrgang befindet sich derzeit in der neunten Klasse und wird im Sommer in die Oberstufe wechseln. Denn bei G8 beginnt die Oberstufe in Klasse 10, bei G9 aber erst in Klasse 11. Und da liegt das große Problem. Wenn ein G8-Schüler in Klasse 10 sitzen bleibt, müsste er, um die Stufe zu wiederholen, formal in die Mittelstufe zurückrutschen. Das ist laut dem NRW-Schulrecht aber nicht möglich.

Herne: Mindestens 40 Schüler für Bündelungsgymnasium nötig

Um diesen Schülerinnen und Schülern sowie den Seiteneinsteigern von anderen Schulformen, die ihr Abitur an einem Gymnasium machen möchten, die Chance zu geben, soll quasi ein zusätzlicher Jahrgang gegründet werden. Wenn ein G8-Schüler beispielsweise am Otto-Hahn im Sommer 2023 die 10. Klasse nicht schafft, müsste er die Schule verlassen und könnte zum Haranni-Gymnasium wechseln. „Zwei Gründe haben für das Haranni als Bündelungsgymnasium gesprochen“, sagt Schulamtsleiter Dennis Neumann, „die zentrale Lage und die vorhandenen räumlichen Kapazitäten.“

Das Haranni-Gymnasium wird als einziges Bündelungsgymnasium in Herne bei der Umstellung von G8 auf G9 fungieren.
Das Haranni-Gymnasium wird als einziges Bündelungsgymnasium in Herne bei der Umstellung von G8 auf G9 fungieren. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

In den vergangenen Jahren vier Jahren seien im Schnitt 50-60 Schülerinnen und Schüler betroffen gewesen – davon seien etwa drei Viertel als Seiteneinsteiger von einer anderen Schulform an ein Gymnasium gewechselt und ein Viertel Wiederholer, so Neumann. Mindestens 40 Schülerinnen und Schüler seien in der Q1 notwendig, so Nowak: „Wir können keinen Jahrgang mit 20 Schülern eröffnen.“ Dann würde es keinen Bündelungsjahrgang geben und die Schüler würden an die Gesamtschulen verwiesen.

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Denn diese stellen ebenfalls eine Option für betroffene Schüler dar. Auch hier seien in der Sekundarstufe II Kapazitäten vorhanden, so Neumann. Wie groß der Bedarf ist, wird sich erst ab Januar 2023 abzeichnen, wenn die Realschüler sich am Haranni oder einer Gesamtschule anmelden. Hinzu kommen im Sommer 2023 die Sitzenbleiber. Es ist eine schwierige Planung mit vielen Unbekannten.

Vorzeitig die 9. Klasse wiederholen?

Der Unterricht für diese Stufe solle am Haranni stattfinden. Aber Nicole Nowak weist darauf hin, dass sie dazu auf personelle Unterstützung der anderen Schulen angewiesen sei. Schon jetzt sei absehbar, dass nicht alle Fächer als Leistungskurs angeboten werden können, sondern das Spektrum wohl etwas eingeschränkt sein werde. „Wir können keinen Leistungskurs mit fünf Leuten anbieten“, stellt die Schulleiterin klar.

Eine gute Beratung sei für die jetzigen Neuntklässler an Gymnasien und Realschulen besonders wichtig, sagt Haranni-Schulleiterin Nicole Nowak.
Eine gute Beratung sei für die jetzigen Neuntklässler an Gymnasien und Realschulen besonders wichtig, sagt Haranni-Schulleiterin Nicole Nowak. © FUNKE Foto Services | Rainer Raffalski

Wenn die Situation auch erst zum Schuljahr 2023/24 eintritt, sollten sich Schüler und Eltern von Neuntklässlern schon jetzt mit dem Thema befassen: „Die jetzige Jahrgangsstufe 9 ist neuralgisch und man sollte die Eltern gut beraten“, sagt Nicole Nowak. Wenn jemand schwach ist, sei zu überlegen, ob vielleicht ein mittlerer Schulabschluss eine Option ist. Auch eine Wiederholung der Klasse 9 könnte sinnvoll sein, damit der Schüler schon in der Mittelstufe in den G9-Jahrgang rutscht und seine Schule nicht verlassen muss. Auch Auslandsaufenthalte sollten bei diesem Jahrgang wohl überlegt werden, merkt Nowak an.

Der letzte G8-Jahrgang sei besonders hart getroffen, sagt Nowak, nicht zuletzt durch die Pandemie. Umso wichtiger sei es, diese Herausforderung anzugehen, so Nowak: „Wir müssen gucken, dass man es schafft, auch den kleinen Jahrgang zum Abitur zu führen.“

WEITERE INFORMATIONEN: Kein Abitur in 2026

• Der letzte G8-Jahrgang macht es Sitzenbleibern nicht nur nach Klasse 10 besonders schwierig. Auch beim Abitur treffen sie auf eine Besonderheit. Sollten sie dieses im Jahr 2025 nicht schaffen, rutschen sie in den G9-Jahrgang und müssen zwei Jahre anhängen, bis sie 2027 wieder die Chance auf Erlangung der Hochschulreife haben.

Erst im Jahr 2005 war G8 in NRW eingeführt worden, 2019 begann die Rückumstellung auf G9 mit den Jahrgängen 5 und 6.