Herne. Der Onlinehandel wächst, Händler müssen um Umsätze im Geschäft kämpfen. Die Herner Parfümerie Pieper forscht an Ansätzen, um beides zu vereinen.
Die Wanner und die Herner Innenstadt sind überraschend gut durch die Corona-Pandemie gekommen, die Zahl der Leerstände sei sogar gesunken, teilte die Wirtschaftsförderungsgesellschaft vor einigen Tagen im Planungsausschuss mit. Dennoch: Der Onlinehandel wächst deutlich, der stationäre Einzelhandel muss zunehmend um Umsätze kämpfen, Städte fürchten die Verödung ihrer Zentren. Wie kleine und mittelständische Händler sowohl stationär als auch online erfolgreich sein können, hat das Forschungsprojekt „On4Off“ untersucht. Der Projektpartner aus dem Handel: die Parfümerie Pieper.
Das Unternehmen, das im vergangenen Jahr sein 90-jähriges Bestehen gefeiert hat, hat neben weit über 100 Filialen bereits seit 2009 einen Onlineshop, bewegt sich also bereits in beiden Welten. Das Angebot im Internet sei die größte Filiale, hat Geschäftsführer Oliver Pieper in einem früheren Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion gesagt, der Bereich nehme einen immer größeren Stellenwert ein.
Parfümerie Pieper arbeitet seit einiger Zeit mit Tablets in den Filialen
René Zinta, bei Pieper Projektleiter für „On4Off“, geht davon aus, dass Unternehmen in Zukunft diese Mischform bieten müssen. Sich nur auf das stationäre Geschäft oder den Onlinehandel zu konzentrieren - das werde nicht funktionieren. „Der Kunde erwartet beide Welten, die sich ergänzen“, so Zinta. Bei Pieper seien mittlerweile zusätzlich zum Online-Shop in allen Filialen Tablets im Einsatz. Dadurch könne man Kunden über den Filialstandort hinaus Beratung und Produkte bieten. Zinta: „Mit den Tablets können wir Kundenwünsche erfüllen, was wiederum Umsatz bringt. Früher hätten die Leute den Laden ohne Ware verlassen, wenn wir das Produkt nicht vor Ort gehabt hätten.“
Lob für diesen Weg erhält Pieper von Prof. Gerrit Heinemann, der als Leiter des eWeb-Research-Centers an der Hochschule Niederrhein das Forschungsprojekt maßgeblich mitvorangetrieben hat. Pieper habe schon früh Kundendaten gesammelt, auf die das Unternehmen aufbauen könnte, um die Kundenberatung zu verfeinern. Heinemann geht davon aus, dass sich die Umsätze im Handel (ohne Lebensmittel) in Zukunft je zur Hälfte auf das stationäre Geschäft und auf das Internet verteilen.
Onlineshop von Pieper verfügt über rund 50.000 einzelne Artikel
Wie groß ein Onlineshop sein kann, zeigt wieder das Beispiel Pieper: Er enthält 50.000 einzelne Artikel, Tendenz steigend. Die könne man nicht alle in einer Filiale haben, so René Zinta. In den Filialen selbst orientiere sich Pieper an jedem Standort individuell an den Kundenwünschen. In Dortmund gebe es eine andere Nachfrage als Osnabrück oder Köln. Die Kunden mit speziellen Wünschen könnten mit den Tablets abgeholt werden. Die Tablets ermöglichen aber auch den Zugriff auf alle unternehmensinternen Abläufe.
Zurzeit helfe das Tablet bei der Produktsuche oder bei der Information zu Produkten. Beim Forschungsprojekt gehe es darum, bei den 50.000 Artikeln die Übersicht zu behalten und dem Kunden das Passende anzubieten. Und da Pieper bereits in der Bewerbungsphase für das Projekt mit den Tablets gearbeitet habe, habe es nahegelegen, dass das Unternehmen seine Fachhändler-Wissen und Daten zur Verfügung stelle bei Fragestellungen wie: Worauf legen Kunden besonders Wert? Was sind die Herausforderungen für die Mitarbeiterinnen? Was steht an Informationen zur Verfügung? Und wie lassen sich diese Informationen im Alltag einer Filiale nutzen?
Im Rahmen von „On4Off“ wurde - auf Basis der von Pieper gelieferten Daten - ein Beratungsleitfaden entwickelt, der mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz gezielt in der Lage ist, in einem Beratungsgespräch ein Produkt zu empfehlen. Ein Beispiel: Ein Kunde kommt in die Filiale und fragt nach einer Hautcreme. Die soll vegan und für trockene Haut geeignet sein - und ohne Allergene. Über eine Produktdatenbank könne dem Kunden das gewünschte Produkt vorgeschlagen werden. Durch diese Hilfe könne die Mitarbeiterin sich viel stärker auf den Kunden und eine Beratung konzentrieren. Produkte könne der Kunde auch allein im Internet suchen. Mit „On4Off“ würden die technischen Möglichkeiten geschaffen, damit der Kunde ein echtes Beratungserlebnis habe. Online sei es zurzeit kaum möglich, ein echtes Beratungserlebnis zu schaffen.
Das Ziel: Eine App, die Kunden bei der Beratung hilft
Doch die Tablets sollen nur der erste Schritt sein. Ein weiteres Ziel sei die Entwicklung einer App für das Smartphone, die den Kunden ebenfalls Beratung liefert, so Prof. Heinemann. Entweder zu Hause oder im Geschäft. Klar sei: Der Kunde möchte ein Produkt so einfach wie möglich bekommen. Ob online oder stationär, das sei ihm egal. Die App könne dies - inklusive Beratung - leisten. Denn klar sei auch: Viele Kunden würden sich auch nach der Pandemie nicht mehr ins Shoppinggetümmel werfen wollen, um so wichtiger sei es, sie schneller und gezielter zu bedienen.
>>> DIE STADT-PARFÜMERIE PIEPER
■ Die Stadt-Parfümerie Pieper hat im vergangenen Jahr ihren 90. Geburtstag gefeiert. Das Unternehmen mit etwa 1000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat weit über 100 Filialen in NRW, Niedersachsen, aber auch Hamburg.
■ Die Parfümerie Pieper wurde in Kundenumfragen mehrfach zum Händler des Jahres gekürt, auch als Onlinehändler wurde Pieper ausgezeichnet: In der Studie „Erfolgsfaktoren im E-Commerce - Deutschlands Top-Online-Shops“, 2015 durchgeführt als Kundenbefragung, gewann Pieper in der Kategorie „Kosmetik & Drogerie“. In der Gesamtwertung schaffte es Pieper auf Platz 2.