Herne. In der Pandemie krempelten viele Menschen ihr Leben um - wie die Hernerin Claudia Romberg. Die Firmenberaterin verkauft nun Massivholztische.

Die Pandemie hat viele Menschen dazu gezwungen, ihr Berufsleben umzukrempeln und sich neu zu orientieren. Zu ihnen gehört die Hernerin Claudia Romberg. Die Unternehmensberaterin wagte den Sprung in die Möbelbranche.

Um die Größe dieses Sprungs einordnen zu können, lohnt ein Blick auf ihre ursprüngliche Tätigkeit: Nach ihrem Studium der Japanologie an der Ruhr-Universität Bochum hat Romberg mehrere Jahre in Japan gelebt und gearbeitet. Unter anderem war sie Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens, der ältesten deutschen kulturellen Institution in Japan. „In dieser Tätigkeit bin ich auch mit vielen deutschen Unternehmen vor Ort, aber auch mit japanischen Firmen in Kontakt gekommen“, erzählt sie im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion.

Spezialisiert auf die Beratung zum Toyota-Produktionssystem

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland habe sie sich selbstständig gemacht, „und habe einen Bauchladen mit allen möglichen Dienstleistungen angeboten“, so Romberg. Dolmetschen, übersetzen, Kontaktanbahnung für Firmen nach Japan oder interkulturelle Trainings. Eine Facette war die Koordination von Dreharbeiten für japanischen Fernsehsender, die Berichte über deutsche Weihnachtsmärkte oder deutsches Porzellan oder den Rhein produzieren wollten. Ein wichtiges Thema: japanische Fußballer in der Bundesliga. Sie arbeitet nach wie vor für die Sportredaktion des fünftgrößten japanischen Senders. Im Zuge dieser Arbeit sei sie in fast allen deutschen Fußballstadien gewesen.

Allerdings delegiere sie diese Aufträge inzwischen an jüngere Kolleginnen und Kollegen, weil sie sich seit einiger Zeit auf eine andere Aufgabe konzentriert. Sie hat sich als systemischer Coach ausbilden lassen: Sie berät Unternehmen - auch japanische - mit Blick auf Arbeitsorganisation oder Führungsfragen. Unter anderem sei sie Mentalcoach für die japanische Bob-Nationalmannschaft gewesen. Spezialisiert sei sie allerdings auf die Beratung zum Toyota-Produktionssystem. Dahinter stecke die Art, wie Unternehmen in Zeiten von kleinen Losgrößen und einer großen Variationsbreite ihre Produktion und Arbeitsabläufe steuern müssen. Gemeinsam mit einem japanischen Kollegen berät Romberg Unternehmen bei der Einführung dieser Art der Unternehmensführung. Zu den Kunden gehören Schwergewichte wie Viessmann, Schmitz Cargobull - oder mit BMW ein deutscher Autoproduzent.

Corona bot die Chance, aus dem Hamsterrad auszusteigen

...und mit Corona ist Rombergs Geschäftsmodell von einem auf den anderen Tag zusammengebrochen. Ihr japanischer Kollege habe sich zunächst in sein Heimatland verabschiedet, „und ich stand dann da und habe mit gefragt: Was mache ich denn jetzt“, schildert die 52-Jährige ihre Situation. Was überrascht: Obwohl sie von einem auf den anderen Tag ohne Aufträge dagestanden habe, sie die Pandemie eine „total gute Zäsur“ für sie persönlich gewesen. Sie sei zuvor in einem Hamsterrad gefangen gewesen: Unheimlich viel unterwegs, die Familie selten gesehen, und manchmal sei sie aufgewacht und habe nicht mehr gewusst, in welchem Hotelbett sie gerade liege. Und das sei kein Klischee gewesen. Sie habe nichts gesehen außer Firmen von innen und Autobahnen. „Ich habe mich aber nie getraut, damit aufzuhören.“ Corona habe sie dazu gezwungen, damit aufzuhören. Nun hatte sie ein paar Monate Zeit, sich Gedanken zu machen.

Möbelgeschäft stellt eine „überschaubare Aufgabe“ dar

In dieser Situation sei sie von einem Freund angesprochen worden mit der Frage: „Wenn Du gerade sowieso nichts zu tun hast, willst Du dann nicht einen Laden aufmachen?“ Und das machte Romberg auch. Unter der Marke „Massiv direkt“ verkauft sie seit Juni vergangenen Jahres an der Herner Straße, direkt hinter der Stadtgrenze zu Bochum, massive Holztische sowie Stühle. Das sei ein klar definiertes Sortiment im Mittelpreissegment, und da es sich bei der Marke um ein Franchise-Modell handele, seien einige Dinge klar geregelt und organisiert. „Das ist eine überschaubare Aufgabe“, so Romberg. Zumal sich die Öffnungszeiten auf Samstage von 10 bis 16 Uhr beschränken. Es sei ein Mitnahmemarkt, da immer alle Tischplatten auf Lager seien. Nach einem halben Jahr entwickle sich das Geschäft nach Plan.

Daneben hat sich aber auch ihr Kerngeschäft wieder erholt, sie sei wieder ziemlich ausgebucht. Romberg sieht selbst die Gefahr, dass sie wieder ins Hamsterrad steigt, deshalb habe sie sich vorgenommen, im Möbelladen ein Geschäftsjahr komplett mitzuarbeiten, über kurz oder lang aber das operative Geschäft abzugeben.

>>> AUCH ANDERE STIEGEN IN DIE MÖBELBRANCHE EIN

Skurriler Zufall: Auch ein anderer Herner Unternehmensberater stieg in der Pandemie in die Möbelbranche ein.

■ Christoph Stöcker baute unter dem Namen „Style everyday“ einen Onlineshop für niederländische Möbel und Kleidung auf.

■ Informationen zu den Massivholztischen: www.massiv-direkt.de.