Herne. Grundschulen in Herne hissen wegen Überlastung die weiße Flagge: kranke Kinder, kranke Lehrer und negative Schnelltests nach positivem PCR-Pool.

Viele Grundschulen in Herne werden am Mittwoch symbolisch die weiße Fahne der Kapitulation hissen, um auf die Überlastung an den Grundschulen hinzuweisen. „Wir haben uns mit fast allen Herner Grundschulen dazu entschieden, bei der Aktion der GEW mitzumachen“, sagt Monika Müller, Schulleiterin der Grundschule Kunterbunt in Herne-Mitte. Bereits in der vergangenen Woche hatten sich Grundschulen in anderen NRW-Städten an der landesweiten Aktion beteiligt und weiße Bettlaken aus den Schulfenstern gehängt.

„Wir ziehen seit zwei Jahren durch, kleben immer Pflaster, aber die Wunden reißen wieder auf“, sagt die erfahrene Schulleiterin, der man am Telefon anhört, dass die Kraft langsam nachlässt. „Wir gehen alle auf dem Zahnfleisch“, sagt auch die Herner Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini. „Die Kinder sind krank, immer mehr Kollegen sind krank und wir versuchen irgendwie, den Präsenzunterricht aufrechtzuhalten.“

Herne: Lehrermangel an Grundschulen spitzt sich durch Corona zu

Seit vier Wochen verwalte sie eine echte Krise und der personelle Notstand werde immer größer. „Die Zahl der infizierten Lehrerinnen und Lehrer steigt seit einer Woche deutlich an.“ An der Europaschule habe wegen sechs Erkrankungen beim Lehrpersonal in der vergangenen Woche eine Klasse in den Distanzunterricht wechseln müssen, an diesem Montag fehlten an der Josefschule insgesamt zehn Kollegen – nicht nur wegen Corona-Infektionen, sondern auch wegen sonstiger Erkrankungen, die im Winter umgehen. Wie solle das kompensiert werden?

Auch interessant

Und neben dem Lehrermangel fliegt den Grundschulen das Testchaos um die Ohren: Nach den Weihnachtsferien war das Testverfahren an Grundschulen zunächst umgestellt worden. Von nun an sollten zwei Mal in der Woche zwei Proben pro Kind genommen werden – eine für den so genannten Pool, in dem mehrere Teststäbchen zusammen ausgewertet werden, und eine als individuelle Rückstellprobe, die das Labor auswertet, wenn ein Pooltest positiv ist. Doch vom ersten Tag an gab es Probleme bei der Übermittlung der Ergebnisse. Die Auswertung der Einzeltests dauerte zum Teil mehrere Tage, in denen die Kinder vorsorglich in Quarantäne bleiben mussten. Doch die Labore kapitulierten unter der hohen Zahl positiver Tests.

Positive Pooltests, aber negative Schnelltests

Vergangene Woche Dienstag stellte das NRW-Schulministerium deshalb das Verfahren kurzerhand um – wie es in einer Schulmail am Abend verkündete. Von nun an werden zwar weiter die empfindlicheren und genaueren PCR-Pooltests genommen und ausgewertet, positive Pools aber mittels Schnelltests in der Schule „aufgelöst“.

Auch interessant

So zumindest die Theorie. „Ganz oft, eigentlich fast immer, ist der Pooltest positiv, aber die Schnelltests sind alle negativ“, teilt Christoph-Martini die Erfahrung der Herner Grundschulen in der ersten Woche mit. „Wir haben ein Problem mit der Sensitivität“, sagt auch Meike Blind, Schulleiterin der Katholischen Grundschule an der Bergstraße. Doch sind die Schnelltests negativ, nehmen alle Kinder weiter am Präsenzunterricht teil, wohl wissend, dass wahrscheinlich ein oder mehrere Kinder von ihnen eigentlich positiv sind.

Für Eltern ist es planbarer geworden

„Es ist einfacher und planbarer geworden“, sagt Marie-Christin Gerwig, Schulpflegschaftsvorsitzende der Schillerschule. „Die Auswertung der Einzelergebnisse war eine Katastrophe“, sagt die Mutter von zwei Söhnen. In der ersten Woche seien nur an zwei Tagen beide Kinder in der Schule gewesen. Für Berufstätige sei das eine ganz schwierige Situation. „Es gibt überhaupt keine Möglichkeit mehr, das Handy aus der Hand zu legen.“

Auch interessant

Allerdings halte sie von dem aktuellen Verfahren auch nicht viel. „Jetzt ungenauer zu werden in der Teststrategie an Schulen, keine PCR-Tests mehr zu machen, das passt nicht zusammen“, sagt sie. Schließlich steige die Zahl der Infektionen unter Schülerinnen und Schülern enorm an. Für sie sei es keine Frage, ob sich ihre Kinder infizieren, sondern nur wann.

„Die belastende Situation, in der wir uns befinden, wird gefühlt von der Politik sehr unterschätzt“, sagt Blind. Deshalb nehme auch sie mit ihrer Schule an der Fahnen-Aktion teil. Auch die Kinder hat sie aufgerufen, wenn sie wollen, weiße Tücher an ihre Tornister zu knoten als Zeichen der Solidarität – schließlich sei die Situation für alle belastend. Ebenfalls am Mittwoch gebe es eine Krisenteambesprechung mit der Bezirksregierung, bei denen auch die Lollitests auf der Agenda stehen, kündigt Andrea Christoph-Martini an. „Danach könnte es erneut Änderungen in der Teststrategie geben.“