Herne. Im Interview spricht Markus Köther von der Herner Filmwelt über große Pläne für das Kino, die „Bratkartoffeln“ der Branche und das Filmjahr 2022.
Kino in Zeiten von Corona: Markus Köther (48), Leiter der Herner Filmwelt, spricht im Interview über Panik in der Pandemie, große Pläne für sein Haus und vieles mehr.
Es gibt zurzeit täglich schlechte Nachrichten über Corona und die Folgen. Fangen wir deshalb doch mal mit etwas Positivem an: Worüber haben Sie sich zuletzt in der Herner Filmwelt so richtig gefreut?
Da gibt es tatsächlich etwas: Wir haben eine Förderzusage aus dem Bundesprogramm „Neustart Kultur“ erhalten. Mit den Bundesmitteln und unseren Eigenmitteln möchten wir unsere Säle 2, 3 und 4 ganz neu ausstatten. Durch den Umbau werden die Gäste mehr Abstand zueinander haben. Die Saalkapazitäten werden entsprechend reduziert. Das soll noch in diesem Jahr passieren. Über diese Nachricht haben wir uns sehr gefreut. Zwei der Säle wollten wir bereits 2020 umgestalten, aber dann kam ja Corona um die Ecke.
Wie hoch fällt die Bundesförderung aus?
Das kann ich noch nicht sagen. Was ich sagen kann: Wir wollen im ersten Halbjahr alle drei Säle auf einmal „anpacken“.
Das ist sehr ambitioniert.
Das stimmt. Vor Corona hätte ich keine Nacht ruhig schlafen können, wenn ich gewusst hätte, dass drei von sechs Sälen gleichzeitig ausfallen. Durch den Ausbruch der Pandemie und die zwischenzeitliche Schließung der Filmwelt für acht Monate am Stück bekommt man eine etwas entspanntere Sicht auf ein solches Vorhaben.
Befürchten Sie, dass es 2022 noch einmal zu einem solchen Super-Gau kommen wird und die Kinos für längere Zeit schließen müssen?
Wie sagt man so schön? Wir glauben immer ans Beste und bereiten uns auf das Schlimmste vor. Nach den bisherigen Erfahrungen in der Pandemie kann man eigentlich keine Prognose mehr wagen. Ich bin alles andere als ein Virologe, aber ich hoffe, dass wir irgendwann von der pandemischen in die endemische Lage kommen, in der wir mit dem Virus umgehen können und uns nach und nach in Richtung Normalität vortasten. Es ist und bleibt aber die größte Herausforderung, die wir jemals hatten.
Die aktuellen Verschärfungen in NRW betreffen ja eher die Gastronomie.
Ich bin froh, dass wir unser Kino in Nordrhein-Westfalen haben und nicht in Bayern. Meine Kollegen dort hat es schwer getroffen: Sie haben bereits seit November 2G+, außerdem dürfen sie die Säle nur zu 25 Prozent bespielen. Und es gibt keine Ausnahmen für getestete Kinder und Jugendliche. Das ist eine absolute Ungleichbehandlung gegenüber der Gastronomie in Bayern, was aber auch für uns zu Problemen führt.
Und zwar?
Das Wirtshaus kann seine Bratkartoffeln in der Küche selbst herstellen. Unsere Bratkartoffeln sind die neuen Filme. Die Bundesstarts einiger deutschen Produktionen sind aktuell verschoben worden – vor allem wegen der Situation in Bayern, aber auch aufgrund starker Einschränkungen zum Beispiel für Kinos in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.
An welche Regeln müssen sich die Besucherinnen und Besucher aktuell in der Herner Filmwelt halten?
Bei uns gelten 2G und eine Maskenpflicht, auch am Platz. Für den Verzehr von Speisen und Getränken dürfen die Masken abgesetzt werden. Außerdem sorgen wir schon seit Längerem bei der Belegung der Säle durch eine Art Schachbrettmuster für große Abstände. Damit machen wir mehr, als wir müssen.
Und warum machen Sie das?
Wir wollen den Menschen ein gutes Gefühl geben, wenn Sie bei uns ihre Freizeit verbringen. Unsere Besucherinnen und Besucher sollen sich bei uns sicher fühlen. Und sie sind auch sicher: Man hat sehr viel Platz um sich herum, schaut geradeaus und redet nicht. Die Räume sind unglaublich hoch, außerdem haben wir eine zertifizierte Lüftungsanlage. Mehr Sicherheit kann man in Innenräumen kaum bieten.
War in den vergangenen zwei Jahren in der Herner Filmwelt eigentlich mal der Punkt erreicht, an dem Sie nicht wussten, ob es das Kino auch in Zukunft noch geben wird?
Ich muss für mich ganz ehrlich sagen: Als die Pandemie ausbrach, war ich überfordert und hatte zunächst Panik. Wir hatten aber das Glück, dass wir 2019 das beste Jahr aller Zeiten in der Filmwelt hatten. Auch davor hatten wir ordentliche Jahre und waren demnach gesund, als es mit Corona losging. Und trotzdem: Wenn es von Bund und Land keine Überbrückungshilfen gegeben hätte, gäbe es uns und wohl auch alle anderen Kinos heute nicht mehr. Ich muss in diesem Zusammenhang mal ausdrücklich den Herner Landtagsabgeordneten Alexander Vogt loben, der sich sehr für das „Zukunftsprogramm Kino“ in NRW eingesetzt hat.
Wie fällt Ihre Jahresbilanz bzw. Halbjahresbilanz für die Monate seit der Wiedereröffnung 2021 aus?
Wir hatten durch die Schließung und die Einschränkung der Kapazitäten natürlich deutlich niedrigere Besucherzahlen.
Welcher Film lief am besten?
Der neue „James Bond“, der für uns Ende September am Tiefpunkt der Infektionszahlen genau zur richtigen Zeit kam! Auf Platz 2 steht „Spider-Man: No Way Home“. Sehr gut liefen auch „Paw Patrol – Der Kinofilm“, „Fast & Furious 9“ und als bester deutscher Film „Die Schule der magischen Tiere“.
Was war mit Blick auf die Besucherzahlen die größte Enttäuschung?
Der vierte Teil von „Matrix“ lief sehr schlecht; da hätte ich wesentlich mehr erwartet. Aber dafür hat uns „Spider-Man“ sehr positiv überrascht.
Was erwarten Sie vom Filmjahr 2022?
Ende des Jahres läuft der zweite Teil von „Avatar“ an. Das ist – wenn er denn kommt – der mit Abstand erfolgversprechendste Film.
James Camerons erster „Avatar“-Film war ja 2009 der große Durchbruch für die 3D. Soll die Fortsetzung auch in 3D laufen - vielleicht mit einer neuen Technik?
Schon möglich, aber bisher weiß man so gut wie nichts. Falls für „Avatar 2“ eine neue 3D-Technik weltweit ausgerollt werden soll, dann müsste man vielleicht so langsam damit anfangen …
Spielt 3D in der Herner Filmwelt eigentlich noch eine Rolle?
Nein, das ist bei uns in den vergangenen Jahren immer mehr in den Hintergrund gerückt.
Zurück zum Filmjahr 2022: Auf welche Produktionen setzen Sie außerdem?
Von den neuen „Minions“-Film erwarten wir eine Menge, für Herne ist diese Art von Familienentertainment top. Und „Sing 2“ ist ja nun auch endlich anlaufen. Mein fünfjähriger Sohn war in der Vorpremiere: Er ist noch nie so begeistert aus einem Film herausgekommen. Mehrere deutsche Komödien sind ebenfalls in der Pipeline, zum Beispiel „Wunderschön“ von und mit Karoline Herfurth oder ein neuer Film von „Fack ju Göhte“-Regisseur Bora Dagtekin mit Elyas M‘Barek. Dann laufen in diesem Jahr hoffentlich auch noch Filme wie „Moonfall“ von Roland Emmerich und „Jurassic World“ an.
Die Filmwelt ist mit ihren Eintrittspreisen im Vergleich zu anderen Häusern im Ruhrgebiet am unteren Ende der Skala. Planen Sie Preiserhöhungen – auch vor dem Hintergrund des anstehenden Umbaus?
Nein, das ist zurzeit nicht geplant.
Es geht in der Filmwelt auch anders: Im luxuriösen Relax-Saal kostet die Karte 16 Euro. Wie ist die Resonanz?
Das wird nach wie vor sehr gut angenommen. Viele genießen es einfach, am Platz bewirtet zu werden, um anschließend in einer sehr gemütlichen Position den Film zu sehen. Manche machen daraus ein Pärchen-Event und trinken dazu einen schönen Wein oder einen Cocktail.
Stichwort Streaming: Das Angebot wird immer größer und unüberschaubarer – nicht zuletzt durch neue Akteure wie zum Beispiel Disney plus oder Apple TV, die Netflix und Amazon Konkurrenz machen. Graben diese Kanäle den Kinos das Wasser ab?
Ich sag mal so: Das wird sich zeigen, wenn die Pandemie halbwegs überstanden ist. Alles was jetzt passiert, kann kein Dauerzustand sein. Es müssen neue Wege gefunden werden – im Idealfall von der Kinobranche und den Filmverleihern wie zum Beispiel Disney gemeinsam an einem Tisch. Ich bin aber grundsätzlich überzeugt davon, dass Kinos die Zugmaschinen für die Filmindustrie bleiben werden.
Haben Sie einen Streamingkanal abonniert?
Ich habe Netflix, bin aber schon allein mit diesem Angebot überfordert. Wenn ich mir abends mal einen Film anschauen möchte, sehe ich den Wald vor lauter Bäumen nicht. Ich lande dann meistens bei Filmen, die ich schon kenne.
Ich habe Sie vor drei Jahren in einem Interview gefragt, ob es die Filmwelt Herne in den 30er-Jahren noch geben wird. Ihre Antwort war ein klares: Ja! Gilt das auch heute noch?
Wir arbeiten darauf hin. Was wir hier tun, macht uns großen Spaß. Wir sind am Standort Herne superglücklich, es passt.
Schlussrunde: Beeindruckt von „House of Gucci“ und Ricky Gervais
Ihr Lieblingsfilm im Jahr 2021?
Ich fand „House of Gucci” sehr gut. Meine Frau und ich haben den Film im Kino nach der langen Pause gemeinsam gesehen und es sehr genossen.
Ihre aktuelle Lieblingsserie?
Ich komme schlecht in Serien rein. Früher fand ich „Breaking Bad“ mega. Auch der britische Humor in „After Life“ mit Ricky Gervais gefällt mir. Und von den deutschen Serien fand ich „How to Sell Drugs Online (Fast)“ richtig gut.
Wen wünschen Sie sich nach dem Ausstieg von Daniel Craig als neuen James Bond?
Ich bin zwar Bond-Fan, aber da fällt mir auf Anhieb niemand ein. Bei Daniel Craig konnte ich mir das aber zu Beginn auch nicht so richtig vorstellen.
Vor dem Hintergrund der Inflation an Fortsetzungen im Kino: Von welchem Film sollte es endlich mal einen zweiten Teil geben?
Vielleicht von meinem Lieblingsfilm „The Big Lebowski“, damit wir erfahren, was mit dem „Dude“ passiert ist.
>>> WEITERE INFORMATIONEN: Herner Kino feierte vor 18 Jahren Eröffnung
Die Herner Filmwelt ist 2004 am Berliner Platz in Herne-Mitte eröffnet worden.
Das Kino hat aktuell sechs Säle mit knapp 900 Plätzen.
Markus Köther führt die Filmwelt seit 2007 gemeinsam mit seiner Frau Mareike Politt-Köther, der Tochter des früheren „Kino-Königs“ Gerd Politt.