Herne. Samstags finden in Herne Friedensgebete statt – parallel zu Corona-Demos. Eine Pfarrerin hat nun Morddrohungen erhalten. Staatsschutz ermittelt.

Seit einigen Wochen finden samstags in Herne vor der Kreuzkirche Friedensgebete statt – organisiert von Pfarrerin Melanie Jansen. Damit will die Kirche der Opfer der Corona-Pandemie gedenken und ein Zeichen setzen. Denn parallel zu den Friedensgebeten finden samstags Demonstrationen von Gegnern der Impfpflicht und der 2G-Regeln statt. Nun hat die Herner Pfarrerin zwei Morddrohungen erhalten.

Die erste Drohung habe ihr Mann am 19. Dezember gefunden. Erst habe er einen Haufen Batterien auf dem privaten Grundstück gesehen. Wenig später habe dann in einem Werbeprospekt ein Zettel gelegen – mit der Aufschrift „Ihr seid tot!“ und einem aufgemalten qualmenden Revolver, berichtet Jansen im Gespräch mit der WAZ. Der zweite Vorfall habe sich vor wenigen Tagen ereignet: Auf ihrem Grundstück stehe ein Wohnmobil. „Dort haben wir 60 Zigarettenkippen und Asche gefunden sowie ein Taschentuch, auf dem ‘Tot!’ stand.“

Herner Pfarrerin schickt Kind nicht mehr alleine in die Schule

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„Das macht einem Angst“, sagt sie. „Ich habe ein mulmiges Gefühl.“ Sie überlege sich nun ganz genau, wo sie im Dunkeln langlaufe, und auch ihr Kind schicke sie nicht mehr alleine zur Schule. Was die vielen AA-Batterien zu bedeuten haben, habe sie sich zunächst nicht erklären können. Mittlerweile denkt sie, dass sie vielleicht die Munition aus einem Revolver darstellen sollen.

Pfarrerin Melanie Jansen lässt sich von den Morddrohungen nicht abschrecken: Am kommenden Samstag findet wieder ein Friedensgebet an der Herner Kreuzkirche statt.
Pfarrerin Melanie Jansen lässt sich von den Morddrohungen nicht abschrecken: Am kommenden Samstag findet wieder ein Friedensgebet an der Herner Kreuzkirche statt. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

In beiden Fällen hat Jansen Strafanzeige erstattet. Das bestätigt Polizeisprecher Frank Lemanis auf Nachfrage der WAZ. Diese werde nun beim Staatsschutz bearbeitet. Denn: „Wir halten einen politischen Bezug für wahrscheinlich.“ Der Staatsschutz habe bereits den persönlichen Kontakt zu Melanie Jansen gesucht und Sicherheitsgespräche geführt, „um ihr ein sicheres Gefühl zu geben und zu zeigen, dass sie nicht alleine ist“, sagt Lemanis. Die Ermittlungen laufen nun. Der Polizeisprecher betont, dass sich Zeugen, die Hinweise geben können, bei der Polizei unter 0234 909 4505 melden können.

Bündnis Herne spricht von Eskalation bei den Samstags-Demonstranten

Von den Ereignissen lassen sich Jansen und ihre Kolleginnen und Kollegen nicht abschrecken – sie machen mit den Friedensgebeten weiter. Am Samstag, 22. Januar, findet das nächste auf dem Europaplatz statt. Vor den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird Melanie Jansen aber dieses Mal nicht sprechen. „Es war schon vorher geplant, dass das an diesem Tag Superintendentin Claudia Reifenberger machen wird.“ Von ihren Kollegen erfahre sie viel Unterstützung, „aber wir sind alle sehr fassungslos“.

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Die Morddrohungen bezeichnet das Bündnis Herne, das ebenfalls samstags Flagge gegen die Impfgegner-Demos zeigt, als klaren Angriff auf alle Demokratinnen und Demokraten. „Unsere Gesellschaft darf derartige Entwicklungen nicht tolerieren. In aller Deutlichkeit: Hier geht es nicht mehr um sachliche Auseinandersetzungen.“

Das Bündnis Herne berichtet von einer deutlichen Eskalation bei den Samstags-Demonstranten. Denen gehe es inzwischen nicht mehr um Kritik an einer Impfpflicht oder an den 2G-Regeln, das Spektrum der Demonstranten bewege sich Richtung Querdenker und Coronaleugner. So seien unter anderem die sogenannten Corona-Rebellen aus Düsseldorf mitgelaufen, aus einem mobilen Lautsprecher seien Parolen abgespielt worden, die schon bei den Autokorsos Anfang vergangenen Jahres in Herne zu hören gewesen seien, sagte ein Sprecher im Gespräch mit der Herner WAZ-Redaktion. Das habe mit einer Kritik nichts mehr zu tun, sondern sei Demokratie gefährdend.

Die „Schirme gegen Rechts“ verurteilen die Drohungen aufs Schärfste und sichern Melanie Jansen ihre volle Solidarität zu. Auch sie stellen in den sozialen Medien, in denen sich Herner Corona-Leugner und Querdenker austauschen, eine zunehmende geistige Radikalisierung fest.

>>>Friedensgebete finden weiterhin statt

Das nächste Friedensgebet findet am Samstag, 22. Januar, um 11 Uhr auf dem Europaplatz statt. Von der evangelischen Seite wird Superintendentin Claudia Reifenberger, von der katholischen Seite Pfarrer Meinolf Mika und von muslimischer Seite Tuncay Nasik vor Ort sein. Im Anschluss an das Gebet wird es einen Demozug zum Robert-Brauner-Platz geben.

Dort findet um 11 Uhr eine Kundgebung des Bündnis Herne statt. Die Schirme gegen Rechts versammeln sich um 11 Uhr am Shoah-Mahnmal und ziehen anschließend ebenfalls mit einem Demozug zur Kreuzkirche und zum Robert-Brauner-Platz.