Herne. Ein neues System bringt Hernes Leitstelle zusätzliche Funktionen. Was die Verknüpfung mit der Bochumer Feuerwehr für Notrufe aus Herne bedeutet.
Die Anrufleuchten über den Schreibtischen färben sich rot. „Notruf Feuerwehr und Rettungsdienst. Guten Tag!“ – Leitstellen-Disponent Christian Weidensee nimmt den Anruf entgegen, horcht dann aufmerksam, und erwidert schließlich: „Hallo, Sie brauchen hier nicht so zu schreien.“ Im geschäftigen Arbeitsalltag der Leitstelle Herne verlassen sich die Feuerwehrleute auf technische Systeme und routinierte Abläufe. Diese sollen nun mit neuen Systemen beschleunigt werden.
Hernes Leitstelle verknüpft sich mit Bochumer Wache
Die „Einsatzleittische“ mit jeweils fünf Bildschirmen in der Herner Leitstelle für Brandschutz, Hilfeleistung, Katastrophenschutz und Rettungsdienst sehen von Außen so aus wie zuvor – doch die folgenreiche Umrüstung auf ein neues Einsatzleitsystem sowie eine neue Notruffunkabfrage geht bereits vonstatten. Ebenso wie eine Verknüpfung mit der Leitstelle Bochum.
Die gemeinsame Systemumstellung soll also den „Redundanzbetrieb“ sicherstellen, erklärt Leitstellen-Chef Martin Hauke – für den Fall, dass die eigenen Systeme ausfallen und die Bochumer Leitstelle übernimmt. „Vorher haben wir das mit eigener Technik im eigenen Haus garantieren können“, so Hauke. Im Falle eines Brands im Serverraum wäre diese Redundanz allerdings nicht mehr gewährleistet.
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Das neue Einsatzleitsystem der Firma ISE sowie einer Notruffunkabfrage von Frequentis sollen die Abläufe in der Leitstelle, die Notruf-Entgegennahme, die Alarmierung der Einsatzfahrzeuge und Informationsweitergabe effektiver gestalten: zum Beispiel, wenn in Herne Not am Mann oder Einsatzwagen ist, wenn ein Notruf aus Bochum in der Herner Leitstelle ankommt, wenn die Zahl der Anrufe in einer der beiden Leitstellen überläuft oder eben eine Leitstelle komplett ausfällt. Dafür finden sich in der Herner Leitstelle auch Arbeitsplätze, an denen Bochumer Disponenten im Falle des Falles arbeiten könnten.
System spart potenziell 90-Sekunden Notruf-Zeit ein
„Bislang war es so: Die Bürger rufen bei uns an, wir protokollieren das und stellen sie nötigenfalls an die Bochumer Kollegen durch“, so Hauke. Die Bochumer stellen der Anruferin oder dem Anrufer abermals alle Fragen und schicken dann einen Einsatzwagen. „Aber wir in Herne müssen den Fall trotzdem bis zum Ende protokollieren, falls der Anruf abreist.“
Mit dem neuen System könnten die Herner Disponenten bereits beim Erstanruf alle Infos in die „Einsatzmaske“ auf ihrem PC-Bildschirm eintragen, diese würde der Bochumer Leitstelle direkt überstellt. Bei einer durchschnittlichen Notrufdauer von 90 Sekunden könnte ein Anrufer so einen der beiden Anrufe einsparen.
Ein weiterer Vorteil des neuen Systems: Bislang wurden nur bei einer technischen Störung der Telekom die Notrufe an eine andere Leitstelle weitergeleitet. Mit dem neuen System soll diese Notrufübernahme nach einer gewissen Wartezeit automatisch erfolgen – zum Vorteil der Bürgerinnen und Bürger, die sich in einer Notlage befinden.
Disponentin: Arbeit in Herner Leitstelle wird „komplexer“
Auf die Frage, wie sich die Arbeit in der Leitstelle seit der Systemumstellung verändert hat, antwortet Disponentin Sarah Schanz, sie sei komplexer geworden. „Wir hatten zuvor mit dem System einen routinierten Ablauf“, so die Hauptbrandmeisterin. Zu dieser Routine würden sie mit der Zeit auch wieder kommen, „aber da sind wir noch nicht“.
Die enge Zusammenarbeit mit den Bochumer Kollegen ist aus ihrer Sicht ein großes Plus. „Wenn wir Probleme haben, können die Bochumer uns unterstützen – und umgekehrt.“
Ein Wechsel des Systems war in Herne ohnehin notwendig. „Bei unserem erst 2014 eingeführten Leitstellensystem wurde uns bereits im darauffolgenden Jahr vom Dienstleister Siemens mitgeteilt, dass der Service Ende 2015 aufgekündigt wird“, erklärt Hauke. Bei der „interkommunalen Zusammenarbeit“ zwischen den Gelsenkirchener, Bochumer und Herner Rettungsdiensten und Feuerwehren hätte sich gezeigt, dass auch in Bochum ein neues Einsatzleitsystem mit Redundanz notwendig wird. Diese Redundanz könnte die Herner Wache sicherstellen, was auch Kosten einspart.
Der positive Ratsbeschluss folgte in Herne 2017. „Seit 2019 haben wir dann mit Bochumer Feuerwehr-Kollegen in einer Arbeitsgemeinschaft alle nötigen Leistungsmerkmale für das neue System zusammengestellt – mit Unterstützung eines Leitstellenplaners.“ Herne und Bochum seien die „ersten Berufsfeuerwehren, die das machen“, sagt Hauke stolz. „Wenn man diese Zusammenarbeit erlebt, fragt man sich, warum wir das nicht schon viel früher gemacht haben.“
Wer zahlt die Leitstellen-Verknüpfung?
Die eigene Technik zahlt die jeweilige Stadt, so Martin Hauke. „Bei Serverleistung und Wartungskosten der gemeinsamen Schnittstellen, trägt Bochum einen größeren Teil – abhängig von Einwohnern und Einsätzen. Die Kosten 50/50 zu teilen, wäre für uns unfair gewesen.“
Herne hat die Systemverknüpfung rund 1,4 Millionen Euro gekostet, Bochum rund 3,5 Millionen – auch da dort eine neue Leitstelle eingerichtet wurde. In Herne ist diese noch in Planung.
Rund 40.000 Notrufe gehen jährlich bei der Leitstelle Herne in der Feuerwache 1 ein, in der sechs Disponenten im Dienst sind.
Umschaltung der Systeme hat„reibungslos funktioniert“
Seit Anfang 2021 hätten die Leitstellen dann intensiv auf den Umschalttermin im September hingearbeitet – dieser habe „reibungslos funktioniert“. Seither, in der „Optimierungsphase“, würden im täglichen Arbeiten mit den Systemen auch Mängel und Datenbankfehler auffallen. Diese sollen nun nach und nach behoben werden.
Trotz der vielen neuen Möglichkeiten werden einige Funktionen des neuen Systems erst in Zukunft voll ausgeschöpft. Der Notrufüberlauf ist derzeit nur „nach Herne“ im Einsatz – Anfang 2022 sollen auch Notrufe in die andere Richtung überlaufen können. Möglicherweise könnten künftig Herner Disponentinnen oder Disponenten auch verfügbare Fahrzeuge der Bochumer Feuerwehr direkt anweisen. Martin Hauke wünscht sich außerdem für statistische Zwecke eine bessere Berichterfassung.