Herne. Die „Lebenshilfe Kids“ betreibt derzeit sechs Kitas in Herne. Mit einem inklusiven Konzept werden die Kinder gefördert - und das seit 25 Jahren.

Was heute schon fast Alltag zu sein scheint, kam damals Pionierarbeit gleich: 1996 eröffnete die Lebenshilfe Herne und Wanne-Eickel mit „Phantasia“ und „Regenbogenland“ die ersten beiden inklusiven Kindertageseinrichtungen. Zum 25-jährigen Bestehen blicken die Pädagoginnen Gabriele Awiszio und Bettina Raatz, Fachkräfte der ersten Stunde, heute Geschäftsführerinnen der Lebenshilfe Kids, auf die Anfänge zurück.

„Mitte der 90er kamen zwei Dinge zusammen“, erklärt Gabriele Awiszio. „Der Rechtsanspruch für Kita-Plätze und der politische Wille, Sonderkindergärten, in denen Kinder mit Förderbedarf bis dato betreut wurden, aufzulösen, um alle Kinder gemeinsam zu betreuen.“ Da die Lebenshilfe schon seit 40 Jahren in der Frühförderung aktiv war, war es naheliegend, dass sie diese Aufgabe in Abstimmung mit der Stadt Herne übernimmt.

Lebenshilfe: Kitas nehmen Kinder mit unterschiedlichem Förderbedarf auf

Innerhalb weniger Jahre befanden sich fünf inklusive Kitas in ihrer Trägerschaft, die seit 2009 unter dem Dach Lebenshilfe Kids organisiert sind. „Wir haben schon immer einen hohen Standard an unsere Arbeit angesetzt“, betont Gabriele Awiszio. So habe es neben den Erzieherinnen immer einen Heilpädagogen in den Gruppen gegeben. „Wir sind ein interdisziplinäres Team und nehmen jedes Kind auf, das eine Beeinträchtigung hat.“ Sogar Kinder, die beatmet werden müssen, können zur Kita gehen und mit anderen Kindern Alltag erleben und begreifen. Damit in den Gruppen eine wirkliche Inklusion stattfindet, schauen die Geschäftsführerinnen mit ihrem Team genau auf die Verteilung der Kinder mit Förderungsbedarf in den einzelnen Gruppen.

Seit der ersten Stunde ist Gabriele Awiszio bei den inklusiven Kitas der Lebenshilfe in Herne und Wanne-Eickel mit dabei.   
Seit der ersten Stunde ist Gabriele Awiszio bei den inklusiven Kitas der Lebenshilfe in Herne und Wanne-Eickel mit dabei.    © Lebenshilfe Herne und Wanne-Eickel | Arne Pöhnert

In den vergangenen 25 Jahren habe sich viel verändert. Rechtsansprüche wurden verfestigt, die Inklusion gesetzlich verankert. „Der Verwaltungsaufwand ist wesentlich größer geworden, damit auch die Lenkung“, erklärt Bettina Raatz. Um rechtlich alles abzusichern, wurde eine Geschäftsführung eingesetzt, die Lebenshilfe Kids als GmbH etabliert.

Bedarf an Kita-Plätzen wächst

Die Finanzierung sei immer wieder ein Thema: „Gute Qualität kostet immer Geld. Nur mal eben geht halt nicht, da wird man den Menschen nicht gerecht.“ Hier müsse sich an vielen Stellen etwas tun – politisch wie auch gesellschaftlich. „Es muss sich eine Haltung auf die pädagogische Arbeit entwickeln.“ Es gehe nicht nur um die Aufnahme von Kindern, sondern darum, sie nach Bedarf zu fördern. Für manche seien kleinere Gruppen sinnvoller – dazu brauche es aber Fachpersonal und Finanzierung. Zudem wachse der Bedarf: „Herne hat ohnehin schon zu wenig Kita-Plätze. Da ist es politisch schwierig zu sagen, wir verkleinern die Gruppen.“

Auch die Arbeit mit den Kindern ist anders geworden: Das klassische Behinderungsbild sei weniger geworden. Betreuten die Pädagogen in den Anfängen vor allem Kinder mit geistiger oder körperlicher Behinderung, sind es heute eher Kinder mit emotional-sozialen Störungen, (Kriegs-)traumata, Autismus-Spektrumsstörungen ebenso wie Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen.

Gut 100 inklusive Kinder in sechs Einrichtungen

Der Betreuungsbedarf insgesamt sei enorm. „Wir betreuen in unseren sechs Einrichtungen gut 100 Kinder mit Förderbedarf.“ Man könne davon ausgehen, dass auf dem Stadtgebiet in anderen Einrichtungen noch ein Vielfaches mehr an Kindern mit Förderbedarf betreut wird. Deshalb freuen sich die Geschäftsführerinnen, dass sie mit dem „Europagarten“, ihrer sechsten inklusiven Kita, im nächsten Jahr auf die Bahnhofstraße ziehen und mit der interdisziplinären Frühförderung unter einem Dach sind.

„Wir arbeiten jetzt schon eng zusammen und verkürzen so auch die Wege für die Eltern“, sagt Bettina Raatz. „Auch wenn wir viel um die Ohren haben, ist nicht immer alles nur schwer“, stellt Bettina Raatz klar. Die Arbeit mit den Kindern sei eine große Bereicherung: „Ich bin immer wieder verwundert, welche Kräfte sie entwickeln können. Ihre Besonderheit macht Vieles aus.“ Der Spaß an der Arbeit mit Kindern sei im gesamten Team der treibende Motor. Für die Zukunft wünschen sich die Pädagoginnen am Zahn der Zeit zu bleiben: „Inklusion ist ein langer Prozess, zu dem wir unseren Anteil leisten möchten.“

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>>>WEITERE INFORMATIONEN: Sechs Kitas der Lebenshilfe

Die Lebenshilfe eröffnete 1996 die inklusiven Kitas „Phantasia“ und „Regenbogenland“. 1998 kamen „Wilde Wiese“ und „Löwenzahn“, 1999 „Däumling“ dazu. 2020 folgte der „Europagarten“.

• Jede Einrichtung verfügte zu Beginn über eine inklusive und zwei Regelgruppen. Mit Einführung der U3-Betreuung wurden alle Kitas auf fünf bzw. sechs Gruppen aufgestockt.

• Anfangs arbeitete jede Kita als eigenständige Einheit, 2009 fasste die Lebenshilfe die Einrichtungen in der Lebenshilfe Kids zusammen.