Bochum/Herne. Ein vorbestrafter Stalker soll 2018 eine Wanne-Eickelerin zermürbt haben – die Frau nahm sich das Leben. Jetzt steht der Mann erneut vor Gericht.

Alles noch mal von vorne: Mehr als drei Jahre nach dem Selbstmord einer Frau aus Wanne-Eickel muss sich deren ehemaliger Partner seit Dienstag erneut vor dem Bochumer Schwurgericht verantworten. Der 53-Jährige soll seine „Ex“ durch permanenten Psychoterror praktisch in den Tod getrieben haben.

Ein erstes Urteil vom 31. Juli 2019 (vier Jahre Haft) hatte der Bundesgerichtshof (BGH) wegen Rechtsfehlern aufgehoben. Dutzende Telefonanrufe mit unterdrückter Rufnummer, regelmäßiges Sturmklingeln an der Wohnungstür, dazu hässliche Beschimpfungen auf offener Straße: Nachdem die 49-jährige Frau im Sommer 2017 nach rund eineinhalb Jahren die gemeinsame Beziehung zu dem Angeklagten gelöst haben soll, soll der gelernte Fleischer alles daran gesetzt haben, ihr das Leben zur Hölle zu machen.

Angeklagter ignorierte Kontaktverbote konsequent

Die Anklageschrift beschreibt Belästigungen in unterschiedlichsten Ausprägungen. Bis zu zehn Mal täglich soll er bei seiner „Ex“ angerufen, dazwischen auch immer wieder an ihrer Wohnungstür Sturm geklingelt haben. Während die Frau ihren Hund ausführte, soll der 53-Jährige mehrfach plötzlich aus dem Gebüsch gesprungen sein und sie dann auf offener Straße sexistisch verunglimpft haben.

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Dass die Frau zwischenzeitlich zwei gerichtliche Annäherungs- und Kontaktverbote gegen ihn erwirkt hatte, soll der Angeklagte völlig ignoriert haben. Auch eine Verurteilung zu einer Geldstrafe im November 2017 führte laut Anklage nicht dazu, ihn aufzuhalten. Im Gegenteil: Der Fleischer soll darüber hinaus mehrfach auf den Balkon der Wohnung an der Edmund-Weber-Straße geklettert sein, seine Ex-Partnerin erschreckt und beleidigt haben. Im Mai 2018 soll der Angeklagte seine in ihrem Pkw sitzende Ex-Partnerin sogar einmal mit dem Rad in einen Beinahe-Verkehrsunfall abgedrängt haben.

Der Fleischer schweigt bislang zu den Vorwürfen - so wie im ersten Prozess in Bochum.
Der Fleischer schweigt bislang zu den Vorwürfen - so wie im ersten Prozess in Bochum. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Wanne-Eicklerin nimmt in einem Brief Abschied

Laut Anklage sah die depressiv vorerkrankte Wanne-Eickelerin am 27. Juni 2018 keinen anderen Ausweg mehr und nahm sich mit einer Überdosis von psychopharmazeutischen Tabletten das Leben. In einem Abschiedsbrief an ihren Sohn, der am Dienstag vor Gericht verlesen wurde, lässt die Frau absolute Verzweiflung und Lebensmüdigkeit erkennen. Als Grund dafür benennt sie darin explizit den Angeklagten. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht anders. Der T. (Vorname des Angeklagten) hat mir noch den Rest gegeben“, heißt es unter anderem.

Zu den Vorwürfen wollte sich der 53-Jährige wie schon im ersten Prozess nicht äußern. „Der Angeklagte wird sich zunächst durch Schweigen verteidigen“, erklärte sein Verteidiger Egbert Schenkel. Der Fleischer hat seit Ende 2018 siebeneinhalb Monate in U-Haft gesessen, zeitgleich mit dem ersten Urteil war er vorläufig freigelassen worden.

BGH sieht eine „Beweiswürdigungslücke“

Dass sich nunmehr eine andere Strafkammer am Bochumer Landgericht noch einmal mit dem Fall beschäftigen muss, hatte der BGH mit einer durchgreifenden „Beweiswürdigungslücke“ im ersten Urteil begründet. Indirekten Hinweisen in einem Beschluss zufolge lässt der BGH Zweifel an der Nachweisbarkeit der Verknüpfung von Stalking-Serie und Freitod erkennen. Aus einem Vorgespräch wurde bekannt, dass auch innerhalb der nun zuständigen Kammer die Verurteilungswahrscheinlichkeit wegen Nachstellung mit Todesfolge vorläufig als „eher schwierig“ eingeschätzt wird.

>>> Angeklagter ist bereits vorbestraft

  • Der Wanne-Eickeler ist bereits einschlägig wegen Nachstellung (Stalking) vorbestraft. Der 53-Jährige hat offenbar vor Jahren auch schon seine geschiedene Ehefrau trotz Kontaktverboten massiv belästigt.
  • Im November 2016 war der Fleischer darüber hinaus verurteilt worden, weil er einer Ex-Freundin unter anderem Hundekot unter die Auto-Türgriffe geschmiert hatte.
  • Für den Prozess vor der 3. Strafkammer (als Schwurgericht) sind vorerst noch sechs weitere Verhandlungstage bis zum 11. Januar 2022 anberaumt.
  • Wegen eines geltenden Verschlechterungsverbots kann der 53-Jährigen maximal erneut zu vier Jahren Haft verurteilt werden.

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.