Herne. Jens Spahns Idee, die Impfzentren wieder zu öffnen, hält Hernes OB Frank Dudda für „realitätsfremd“ – und hält schon eine Alternatividee bereit.

Hernes Oberbürgermeister Frank Dudda übt scharfe Kritik am Vorstoß des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn, die Impfzentren für die Auffrischungsimpfungen wiederzubeleben. Erst vor einem Monat war die Schließung der Zentren beschlossen worden – trotz vieler Warnungen vor dem Pandemiegeschehen im Herbst. Das Herner Impfzentrum im Revierpark Gysenberg schloss am 30. September seine Türen.

„Ich kann nur den Kopf schütteln“, sagt Hernes Oberbürgermeister. Die Wiedereröffnung der Zentren sei das „Gegenteil von dem, was wir aktuell brauchen“. Mit Nachvollziehbarkeit und Kalkulierbarkeit von Entscheidungen habe das wenig zu tun. Er wisse nicht, wie man diese Forderung Spahns mit „seinem Ruf als seriöser Politiker“ oder dem „Vertrauen, das man dem Bundesgesundheitsminister entgegenbringen sollte“ in Einklang bringen könne.

DRK-Geschäftsführer hat Herner Impfzentrum erst kürzlich geschlossen

„Nachdem wir jetzt alles abgebaut haben, sollen wir über eine Wiedereröffnung nachdenken. Das ist ehrlich gesagt realitätsfremd“, kommentiert Dudda. „Man kann ein Impfzentrum dieser Art nicht mal eben auf- und ab- und wieder aufbauen“. Dahinter stehe eine „logistische Meisterleistung“ von Sicherheitsdiensten, Apothekern, Ärzten und Baufirmen. Letztere würde die Stadt aktuell für eine Wiedereröffnung des Impfzentrums gar nicht bekommen.

Drei Impfgruppen im Fokus

Auf der Suche nach einer Impfstrategie im Winter hat OB Frank Dudda drei Gruppen im Blick: Erwachsene, die eine Boosterimpfung wollen, Jugendliche und – wohl ab Dezember – Kinder unter zwölf Jahren.

Bei 17 Sonderimpfaktionen in den letzten Wochen seien bloß 800 zusätzliche Erstimpfungen erzielt worden.

In Herne leben rund 17.500 Kinder unter zwölf Jahren, Dudda hofft noch auf 7850 Impfungen, um in ein „relativ sicheres Fahrwasser“ der Pandemie zu kommen.

„Ich bin ein bisschen ärgerlich über die Diskussion“, sagt auch Martin Krause, der als Geschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Herne und Wanne-Eickel das Impfzentrum bis zur Schließung im September organisierte. Bereits im Vorfeld der Schließung hätte er – wie viele andere – darum gebeten, die Zentren im Standby-Betrieb zu halten, falls die Infektionszahlen im Herbst und Winter wieder steigen.

Ende September schloss das Impfzentrum Herne unter Organisator und DRK-Geschäftsführer Martin Krause. Seither ist das Deutsche Rote Kreuz Herne mit mobilen Impfteams unterwegs.
Ende September schloss das Impfzentrum Herne unter Organisator und DRK-Geschäftsführer Martin Krause. Seither ist das Deutsche Rote Kreuz Herne mit mobilen Impfteams unterwegs. © Andreas Buck / FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Eine Wiedereröffnung des Impfzentrums sei „nicht unmöglich aber unrealistisch“, so Krause. „Wir werden das nicht mal eben wieder aufbauen können“ – schon allein aus Finanzierungsgründen. Im vergangenen Winter hätte Herne das Zentrum innerhalb von zwei bis drei Wochen hochgezogen, da war dem DRK allerdings die Übernahme der Kosten sicher. „Gerade sehe ich keine Kostenübernahme durch das Land“, so Krause. „Der Ball liegt jetzt im Spielfeld des Landes.“

Dudda plant „wetterunabhängige Impfstraßen“ in Herne und Wanne

Das DRK Herne und Wanne-Eickel ist seit der Schließung des Impfzentrums noch mit mobilen Impfteams im Einsatz. Allerdings bewerte Krause aktuell „gemeinsam mit der Stadt neu, wie wir die Impfung nun wieder großflächiger anbieten können“.

Wie dieses Angebot aussehen könnte, präzisiert Oberbürgermeister Frank Dudda. „Wir haben zwei potenzielle Standorte für ,wetterunabhängige Impfstraßen’ gesichtet.“ Eine der Stationen solle in Herne, die andere möglichst in Wanne aufgebaut werden. Die Stadt stehe bereits mit den Hauseigentümern in Kontakt. „Aber auch die stellen uns natürlich die Frage: ,Wer zahlt denn meine Miete?’“

„Uns fehlen fünf Prozent weiterer Impfungen, um die Pandemie weitestgehend abgearbeitet zu haben“, so Hernes Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Dabei sieht er das größte Potenzial in der Gruppe der Kinder unter zwölf Jahren, denn: „Nach einem tollen Impfstart sehen wir in Herne erhebliche Probleme, den Rest der erwachsenen Ungeimpften zu motivieren.“
„Uns fehlen fünf Prozent weiterer Impfungen, um die Pandemie weitestgehend abgearbeitet zu haben“, so Hernes Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Dabei sieht er das größte Potenzial in der Gruppe der Kinder unter zwölf Jahren, denn: „Nach einem tollen Impfstart sehen wir in Herne erhebliche Probleme, den Rest der erwachsenen Ungeimpften zu motivieren.“ © FUNKE Foto Services | Alexa Kuszlik

Ein Telefonat mit dem Gesundheitsministerium im Vorfeld der Krisenstabssitzung am Mittwoch könne Klarheit bringen. Nach der Standortsuche müsse noch der Konsens bei der Ärzteschaft erzielt und mit Apotheken die Vakzin-Belieferung abgestimmt werden. Frank Dudda sieht die Stadt in der Lage, diese Impfstraßen „binnen weniger Tage“, innerhalb von ein bis zwei Wochen, aufzubauen.

OB Dudda hofft auf viele Impfungen unter Kindern

„Ich gehe davon aus, dass die Hauptfunktion dieser Stationen bei der Impfung von Kindern unter zwölf Jahren liegt, sobald die Impfstoffzulassung kommt“, so Dudda. Trotz einer aktuellen Impfquote in Herne von 80 Prozent (Erstimpfung) und 78 Prozent (Zweitimpfung) fehlten noch fünf Prozent, um die Pandemie weitgehend einzudämmen.

Aufgrund erheblicher Probleme mit den restlichen erwachsenen Ungeimpften, erwarte Dudda „keine Wunder“. Realistischerweise ließen sich diese rund 7.850 nötigen Impfungen in der Gruppe der Kinder erzielen. Mit der Zulassung des Impfstoffes für diese Altersgruppe und einer Stiko-Empfehlung sei aber erst im Dezember zu rechnen, weshalb die Impfstraßen wohl erst im Januar und Februar „ihre volle Wirkung entfalten“.