Herne. Viele Schüler in Herne tragen auch ohne Pflicht weiterhin ihre Maske. Der Schuldezernent zeigt sich „irritiert“ über den Zeitpunkt der Lockerung.

Offiziell dürfen die Masken seit Dienstag in den Schulen wieder fallen, doch viele Schülerinnen und Schüler behalten sie weiter freiwillig auf. Teilweise haben Schulleitungen alle Beteiligten darum gebeten, anderenorts starteten Schülervertretungen selbst diese Initiative. Denn viele finden: Mit steigenden Inzidenzen und dem beginnenden Herbst kommt diese Lockerung durch das NRW-Schulministerium zur falschen Zeit.

„Wir haben in einem Elternbrief empfohlen, dass die Kinder weiterhin die Masken tragen“, sagt Andrea Sdun, Leiterin der Schillerschule. Besonders an den Grundschulen sehe sie das Problem, dass die Schülerinnen und Schüler allein durchs Alter nicht geimpft sein können. Gleichzeitig sei man inzwischen zum regulären Unterricht zurückgekehrt und die Kinder säßen etwa an Gruppentischen.

Herne: Kompletten Sitzgruppen droht Quarantäne

„Es heißt, dass die Sitznachbarn mit in Quarantäne müssen“, sagt die Sprecherin der Herner Grundschulen, „bei uns würde aber die komplette Sitzgruppe in Quarantänemüssen“, gibt sie zu bedenken. Das seien mindestens vier Kinder und eventuell würde das Gesundheitsamt entscheiden, dass auch noch die Kinder dahinter bei einem Corona-Fall isoliert werden müssen, fürchtet sie.

„Natürlich haben wir die Sorge, dass wir zukünftig häufiger positive Kinder haben“, sagt Andrea Sdun. „Wir hätten es begrüßt, wenn man bei steigenden Zahlen mit dem Ende der Maskenpflicht noch etwas gewartet hätte.“ Aber die Schulen hätten keinen Spielraum – außer eben die Bitte an Schüler und Eltern heranzutragen, die Maske freiwillig weiter zu tragen.

Schuldezernent Andreas Merkendorf kritisiert den Zeitpunkt für das Aus der Maskenpflicht gerade zum Herbst.
Schuldezernent Andreas Merkendorf kritisiert den Zeitpunkt für das Aus der Maskenpflicht gerade zum Herbst. © FUNKE Foto Services | Bastian Haumann

Am Dienstag, so ihre Beobachtung, hätten die meisten Kinder die Maske weiterhin auf. Ein bis maximal vier Kinder pro Klasse hätten sich am Platz vom Mund-Nasen-Schutz getrennt. Im Sitzkreis oder bei Gruppenarbeiten müssten sie dann aber sowieso wieder aufgesetzt werden, betont Andrea Sdun.

Befürworter begrüßen Schritt zu mehr Normalität

„Die Grundschulkinder müssen sich bewegen, es werden Übungen gemacht und es gibt Gruppenarbeit“, sagt Monika Müller, Leiterin der Grundschule Kunterbunt. „Da bleibt wenig Zeit, wo sie an ihrem Platz die Maske ablegen können.“ Sie selbst begrüßt aber, den Kindern wieder in die Gesichter schauen zu können. „Ich finde, wir müssen uns Schritt für Schritt auf die Normalität vorbereiten – auch wenn die Zahl der Infektionen gerade hochgeht“, so Müller.

Ein Stück mehr Alltag für die Kinder erhofft sich auch der fünffache Vater Henrich Kleyboldt vom Wegfall der Masken und befürwortet diese Lockerung. „Die Lehrer sind inzwischen im Regelfall geimpft, bei Kindern sind die Verläufe meist nicht zu schwerwiegend“, so seine Begründung. Deshalb sehe er das Ende der Maskenpflicht am Platz relativ entspannt. Er habe mit seinen Kindern nicht darüber gesprochen, kann sich aber vorstellen, dass sie die Maske „aus Solidarität und vielleicht auch Gruppenzwang“ weiterhin aufbehalten. Wobei Kleyboldt kritisiert: „Wenn die Politik sagt, dass der Maskenzwang aufgehoben wird, warum sollte ein Schulleiter dann andere Erkenntnisse haben als die Politik?“

SV spricht sich für freiwilliges Tragen aus

Am Pestalozzi-Gymnasium ging die Initiative nicht von Schulleiter Volker Gößling, sondern von der Schülervertretung aus. Diese bittet die Mitschüler in einer Stellungnahme, auch im Unterricht weiterhin eine Maske zu tragen. „Wir als SV wollen, dass es möglichst keine Coronafälle gibt, damit wir weiter normal beschult werden können und die Gesundheit von keinem Mitglied der Schulgemeinschaft gefährdet wird“, heißt es darin. Die Schüler hätten sich inzwischen an das Tragen der Maske gewöhnt.

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Gößling befürwortet die Initiative der SV an seiner Schule. Zwar seien in der Q2 inzwischen mehr als 90 Prozent der Schülerschaft geimpft, in den jüngeren Jahrgängen sehe die Lage aber anders aus. Die Entscheidung über das Aus der Maskenpflicht habe er „nicht erwartet“. Zwar sei es langfristig angekündigt, aber kurzfristige Entwicklungen nicht berücksichtigt worden.

Schuldezernent kritisiert Zeitpunkt für Aus der Maskenpflicht

Schuldezernent Andreas Merkendorf begrüßt zwar jeden Schritt hin zu mehr Normalität, sieht die Entscheidung über das Ende der Maskenpflicht aber auch kritisch: „Etwas, das sich so etabliert hat wie die Maskenpflicht, gerade mit Blick auf den Herbst jetzt zu ändern, hat mich schon irritiert“, sagt er. „Warum gibt man dieses Stück Sicherheit auf?“, fragt er. Damit verzichte man auf ein wirksames und gut eingespieltes Mittel, um Infektionen zu verhindern.

Eine Rückkehr zum Wechsel- oder gar Distanzunterricht aufgrund steigender Infektionszahlen fürchte er aber nicht: „Der politische Wille, die Schulen unbedingt offen zu halten, ist da“, betont er. Deshalb wundere ihn das Ende der Maskenpflicht mit dem beginnenden Herbst umso mehr. Er glaube aber, dass sich das Schulministerium die Lage in zwei bis drei Wochen noch mal genau anschauen werde und dann die Maskenpflicht - falls nötig - wieder einführe.

>>>WEITERE INFORMATIONEN: Die neuen Regeln

Ab 2. November besteht für Schülerinnen und Schüler keine Maskenpflicht mehr, solange sie in Klassen- oder Kursräumen auf festen Sitzplätzen sitzen. Die Maskenpflicht entfällt auch bei der Betreuung im Rahmen von Ganztags- und Betreuungsangeboten wie OGS, wenn sie an einem festen Platz sitzen.

• Bei einem Corona-Fall müssen neben dem infizierten Kind auch die unmittelbaren Sitznachbarn in Quarantäne.

• In den vergangenen sieben Tagen gab es in Herne in der Altersklasse der Fünf- bis 15-Jährigen laut RKI 36 nachgewiesene Corona-Fälle.