Herne. Der ehemalige Obdachlose Michael Richter ärgert sich über die Stadt Herne: Sie wollte ihm die Steuer für seine Hündin „Gina“ nicht erlassen.

40 Jahre lang war Michael Richter obdachlos. Immer wieder fand er Wohnungen, doch jedes Mal zog es ihn wieder zurück auf die Straße. Menschliche Beziehungen blieben stets oberflächlich und kurzfristig, nur eine ist seit zwölf Jahren treu an seiner Seite: Hündin „Gina“, ein Husky-Mix, begleitet den 48-Jährigen, wohin er auch geht. Die Hündin war allerdings nun Gegenstand eines Streits mit der Stadt – denn die wollte Richter die Hundesteuer nicht erlassen.

Richter, gebürtig aus Lüneburg, ist in Herne sesshaft geworden. Im Januar 2021 unterschrieb er den Mietvertrag für eine Wohnung der HGW in Wanne-Eickel – und ist damit offiziell weg von der Straße. Mittlerweile trifft man ihn vor dem Fressnapf-Markt an der Hammerschmidt-Straße, wo er die Straßenzeitung „Bodo“ verkauft. Hündin Gina ist immer dabei, liegt auf einer Decke zu seinen Füßen.

Stadt Herne verweist auf aktuelle Satzung zur Hundesteuer

Eigentlich ist der ehemalige Obdachlose nun also voll in Herne angekommen. Doch es gibt eine Sache, die ihn ärgert. Nach seiner Ankunft habe er bei der Stadt angefragt und sogar einen Brief an Oberbürgermeister Frank Dudda geschrieben, ob man ihm als Bedürftigem nicht die Hundesteuer erlassen könne, erklärt Richter. Der 48-Jährige lebt nach eigener Aussage aktuell von 345 Euro Frührente, die ihm zustehe, weil er aufgrund psychischer Probleme als arbeitsunfähig gelte.

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In einer E-Mail, die auch der WAZ vorliegt, erklärte eine Mitarbeiterin des zuständigen Fachbereichs der Stadt, dass eine Befreiung von der Hundesteuer für Richter nicht möglich sei. „Nach der zurzeit gültigen Hundesteuersatzung der Stadt Herne ist eine Steuerbefreiung/Steuerermäßigung für Personen mit einem geringen Einkommen, wie zum Beispiel Hartz-IV-Empfänger, nicht vorgesehen“, heißt es in dem Schreiben.

Herne: Steuerbefreiung für Schwerbehinderte oder Rettungshunde

Steuerermäßigungen sehe die Satzung gar nicht vor, eine Steuerbefreiung werde laut Satzung zum Beispiel Menschen mit einem Schwerbeschädigtenausweis und entsprechenden Merkmalen gewährt, so die Mitarbeiterin weiter. Gleiches gelte für Hunde, die beispielsweise eine Ausbildung zum Rettungshund absolviert hätten.

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Das hat Richter bisher anders erlebt. Der Ex-Obdachlose kennt viele Städte, war jahrelang immer nur unterwegs. „Ich komme aus blöden Verhältnissen“, sagt er. Das erste mal „auf der Straße gepennt“ habe er mit 13 Jahren, die Schule habe er ohne Abschluss verlassen. Es folgten ein Heim für schwer erziehbare Kinder, Psychiatrien und immer wieder Obdachlosigkeit. Geld verdiente er mit „Schnorren“.

Zwischen Süddeutschland und Hamburg gependelt

„In geschlossenen Räumen kriege ich Angstzustände“, sagt Richter. Deshalb sei er immer weiter gereist, ohne langfristiges Ziel, ohne feste Bindungen. Seine Familie sei seine Hündin: „Gina und ich kennen uns in- und auswendig.“ Dabei habe er durchaus schon schlimme Dinge erlebt, als er draußen übernachtete. „Einmal ist eine Gruppe Jugendlicher mit Sturmmasken auf mich zugekommen und wollte mich wohl überfallen“, erinnert er sich. Seine Hündin habe zum Glück reagiert und die Angreifer in die Flucht geschlagen.

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In all diesen Jahren pendelte Richter vor allem zwischen Süddeutschland und Hamburg hin und her. Dort machte er seine Erfahrungen mit den hiesigen Behörden – und konstatiert: „In vielen Städte der Bundesrepublik werden bedürftige Menschen von der Hundesteuer befreit.“ So habe ihn der Oberbürgermeister von Schwäbisch Gmünd zum Beispiel ganz offiziell für anderthalb Jahre von der Hundesteuer befreit.

Ex-Obdachloser: Stadt Herne sollte allen Bedürftigen Hundesteuer erlassen

Die Stadt Hamburg, so Richter weiter, erlasse bedürftigen Menschen grundsätzlich die Hundesteuer. Gleiches gelte für Gelsenkirchen, wo er zuletzt in einer betreuten Einrichtung gelebt hat. Sogar die kleine Gemeinde Remseck bei Stuttgart habe aus Kulanz auf einen großen Teil der Hundesteuer verzichtet.

Nun scheint es, als habe Richter doch noch Erfolg gehabt. Die Stadt habe ihm nach einem erneuten Gespräch doch die Hundesteuer bis März 2022 gestundet, vermeldet der Ex-Obdachlose: „Sie wurden wohl irgendwie nachdenklich.“ Ein Sprecher der Stadt wollte sich auf Nachfrage nicht dazu äußern und verwies auf das Steuergeheimnis. So oder so ist für Richter an diesem Punkt nicht Schluss: „Ich würde gerne erreichen, dass die Stadt künftig Bedürftige grundsätzlich von der Hundesteuer befreit.“

>>> Hundesteuer: So viele zahlt man in Herne

  • Die Hundesteuer wird in Herne nach Angaben der Stadt für ein Jahr gezahlt. Für einen Hund zahlt man 152 Euro, für zwei 188 Euro und ab drei 206 Euro pro Tier.
  • Hält man Hunde bestimmter Rassen – darunter zum Beispiel Pitbull-Terrier, Staffordshire-Bullterrier oder Rottweiler –, wird mehr Geld fällig.
  • Unter 02323/16-4529 kann man seinen Hund auch telefonisch anmelden.