Herne. Ein Schuljahr mit Schulschließungen und Distanzlernen: Sind da faire Noten überhaupt möglich? Herner Schulleiter erklären, wie sie bewerten.

In dieser Woche beginnen an den meisten Schulen in Herne die Zeugniskonferenzen, was bedeutet, dass die Leistungen der Schülerinnen und Schüler im vergangenen Schuljahr mit einer Note beurteilt werden müssen. Aber sind faire Noten nach einem Jahr, das geprägt war durch Schulschließungen, Wechsel- und Distanzunterricht aufgrund der Corona-Pandemie, überhaupt möglich? Schulleiter erklären, auf welcher Basis sie in diesen Tagen die Noten vergeben.

„Wir gehen davon aus, dass die Noten an der einen oder anderen Stelle vielleicht etwas schlechter sein werden“, fürchtet Nicole Nowak, Schulleiterin am Haranni-Gymnasium. Je länger der Lockdown gedauert habe, umso schwieriger sei die Situation für die Schüler mit dem digitalen Unterricht gewesen.

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Sylke Reimann-Pérez, Schulleiterin der Mont-Cenis Gesamtschule weist auch darauf hin, dass die technischen Voraussetzungen bei den Schülern zum Teil sehr unterschiedlich waren. „Wenn ein Schüler kein Endgerät hat oder nur ein Handy, um die Aufgaben zu lösen, darf ich ihm dafür dann eine schlechte Note geben?“, fragt sie und kündigt an: „Wir gucken in diesem Jahr mit viel Augenmaß, was für einen Schüler möglich war.“ Das erste Halbjahr sei noch eine gute Basis gewesen, und auch jetzt werde der Präsenzunterricht genutzt, um allen Schülerinnen und Schülern noch einmal die Chance zu geben, sich zu verbessern.

Herner Schulleiter: Lehrer können Leistung gut einschätzen

„Im Zweifelsfall wird für die Kinder bewertet“, das steht auch für Andrea Sdun, Schulleiterin der Schillerschule und Sprecherin der Herner Grundschulen fest. Bedenken habe sie bei der Notenvergabe aber keine, schließlich seien die Lehrer erfahren und könnten die Leistungen der Schüler sehr gut einschätzen. Neben der Halbjahresnote zähle dabei etwa, ob die Aufgaben im Distanzlernen immer abgegeben und an den Videokonferenzen teilgenommen wurde, was Pflicht war.

Natürlich sei das Lernen anders gewesen und manche Dinge hätten nicht gleichermaßen vermittelt werden können. Jetzt, zurück im Präsenzunterricht, sehe man die große Schere vor allem bei den Erst- und Zweitklässlern. Auch im Arbeits- und Sozialverhalten laufe noch nicht alles rund. Aber als Lehrer habe man auch beim Distanzlernen ein Gefühl dafür bekommen, welche Aufgaben das Kind selbst gelöst habe oder wo Eltern oder Geschwister geholfen haben.

Keine Sicherheit, dass Schüler ohne Hilfe gearbeitet haben

Das zweifelt Christoph Schmidt, Vater und stellvertretender Schulpflegschaftsvorsitzender der Realschule Crange, an. „Es wird keine gerechten Noten geben“, sagt er. „Eine Benotung ist deshalb schwierig, weil ich die persönlichen Lebensumstände der Schüler als Lehrer nicht kenne.“ Außerdem könne nicht beurteilt werden, wie weit die Eltern den Kindern geholfen haben. Wenn ein Schüler nie an den Konferenzen teilgenommen hätte, keine Aufgaben eingereicht, sei die Note 5 oder 6 gerechtfertigt. Aber alles zwischen 2 und 4 könne schwierig bewertet werden, findet der Vater.

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Auch Nicole Nowak räumt ein: „Dass es Leistungen sind, die die Kinder alleine erbracht haben, ist nicht immer zu 100 Prozent sicher.“ Mit individuellen Aufgabenstellungen, bei denen die Antwort nicht einfach aus dem Internet kopiert werden konnte, sei aber von jedem Lehrer versucht worden, dem entgegenzuwirken. Die Lehrer hätten sich während der gesamten Zeit Notizen etwa zur Mitarbeit in den Videokonferenzen oder in Gruppenarbeiten gemacht und die Schüler hätten Aufgaben einreichen müssen. Zuletzt sei zudem pro Fach noch eine Klassenarbeit geschrieben worden.

Nachprüfungen in mehreren Fällen möglich

„Wir haben keinen Fall an der Schule, wo wir das Gefühl haben, dass der Schüler nicht ehrlich mit der Leistungsüberprüfung umgegangen ist“, sagt Stefan Lindemann, Schulleiter der Realschule an der Burg. „Die Pandemie mag begünstigt haben, dass Noten in einigen Bereichen abgesackt sind“, räumt er ein, aber in seiner eigenen Klasse sei das Gesamtbild in etwa gleich geblieben.

Insgesamt habe es ausreichend Präsenzunterricht gegeben, um eine gute Basis für die Benotung zu haben, findet Lindemann. Und ansonsten hätten die Schüler in diesem Jahr die Möglichkeit, sich auch in mehreren Fächern nachprüfen zu lassen, um die Noten zu verbessern. Ein Schüler habe sich bei ihm bereits für Nachprüfungen in fünf Fächern angemeldet. „Da wird am Ende der Ferien noch einiges auf uns zukommen.“

>>> WEITERE INFORMATIONEN: Distanzlernen dem Präsenzunterricht gleichgesetzt

■ Das NRW-Schulministerium hat schon zum Beginn des Schuljahres betont, dass - anders als im ersten Lockdown vor einem Jahr - die erbrachten Leistungen im Distanzunterricht gleich zu setzen sind mit dem Präsenzunterricht.

■ Es soll auf dem Zeugnis keinen Verweis auf die Corona-Bedingungen geben.