Herne. Ende Januar werden in Herne die Halbjahreszeugnisse vergeben. Doch können Lehrer ihre Schüler im Distanzunterricht überhaupt bewerten?
An den Schulen in Herne endet mit dem Januar auch das erste Halbjahr des Schuljahres 2020/21. Die Halbjahreszeugnisse stehen an. Doch die Kinder und Jugendlichen sitzen seit Wochen im Corona-Lockdown zu Hause. Einige Eltern sorgen sich daher um die Benotung ihrer Kinder.
Die Grundschüler der Sonnenschule in Herne erhalten ihre Zeugnisse größtenteils per Post, sagt Konrektorin Andrea Nauber. Nur die Schüler der vierten Klassen haben die Möglichkeit, sich die Halbjahreszeugnisse vor Ort abzuholen. "Die Viertklässler brauchen ihre Zeugnisse für die Anmeldung für die weiterführende Schule", sagt Nauber. Die Anmeldungen für die fünften Klassen der städtischen Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien beginnen am 2. Februar – nur wenige Tage nach der Zeugnisvergabe. Damit Eltern nicht ins Schwitzen geraten, geben die Klassenlehrer die Dokumente direkt am Freitag, 29. Januar, zu festgelegten Zeiten an verschiedenen Eingängen aus.
Die Schüler der Mont-Cenis-Gesamtschule erhalten ihre Zeugnisse ebenfalls per Post – "um das
Infektionsgeschehen nicht in die Höhe zu treiben", wie Schulleiterin Sylke Reimann-Pérez sagt. Die Kinder und Jugendlichen trotz des erneut verlängerten Lockdowns für die Abholung ihrer Zeugnisse in die Schule kommen zu lassen hält sie "nicht für klug". Schließlich müssten nicht wenige Schüler dafür den Bus nehmen.
Schüler, die das Haranni-Gymnasium in Herne besuchen, dürfen ihre Zeugnisse und liegengebliebenen Klassenarbeiten – wie bereits im Sommer vergangenen Jahres – nach und nach an der Schule abholen. "Das hat damals sehr gut geklappt", sagt Leiterin Nicole Nowak und freut sich, dass sich Schüler und Lehrer endlich mal wieder sehen könnten.
Herner Schüler werden auch im Distanzunterricht bewertet
Doch nicht alle Eltern blicken der Zeugnisvergabe positiv entgegen: "Viele Eltern sorgen sich in Zeiten des Distanzunterrichts um die Benotung ihrer Kinder", sagt Rahman İşçi, Schulpflegschaftsvorsitzender des Gymnasiums Eickel. Sie befürchteten, dass den Lehrkräften die Bewertungsgrundlage für die Vergabe von Noten fehlt. "Die Lehrer sehen nur 20 kleine Fenster auf ihrem Bildschirm", so der 45-Jährige. Zwar hätten Schüler die Möglichkeit, sich per Mausklick zu "melden" und somit am Unterricht teilzunehmen. Den Lernfortschritt der Schüler könnten Lehrer jedoch kaum verfolgen.
Sylke Reimann-Pérez, Leiterin der Mont-Cenis-Gesamtschule in Sodingen, kann Eltern beruhigen: "Auch die Leistungen, die sie im Distanzunterricht erbringen, werden bewertet – aber wohlwollend." Die Lehrkräfte seien sich bewusst, dass nicht alle Schüler Laptops oder Tablets zur Verfügung haben. So müsse der ein oder andere zuhause mit dem Smartphone arbeiten. Außerdem sei die Hürde, Fragen zu stellen, öfter größer: "Es ist etwas anderes, ob die Lehrer in der Klasse für Rückfragen zur Verfügung stehen oder ob sie nur per Telefon oder Chat erreichbar sind", sagt Reimann-Pérez.
Dem schließt sich Nicole Nowak, Leiterin des Haranni-Gymnasiums, an: "Die Schüler haben kurz vor den Weihnachtsferien noch Klausuren und Klassenarbeiten geschrieben." Und auch in den letzten Wochen des Schulhalbjahres forderten die Lehrer Leistung ein, die selbstverständlich bewertet werde. So laden Schüler zum Beispiel ihre bearbeiteten Aufgaben auf einer Lernplattform hoch oder stellten Gruppenarbeiten und Präsentationen in Video-Konferenzen vor.
"Die Schüler waren ja fast das gesamte halbe Schuljahr im Präsenzunterricht", sagt auch Andrea Nauber, Konrektorin der Grundschule Sonnenschule in Herne. Nur einige wenige Fähigkeiten und Kompetenzen wie die Kontaktspiele im Fach Sport, das Singen im Musikunterricht oder einzelne Themen in Deutsch oder Mathe, die aufgrund der fehlenden Zeit nicht durchgenommen werden konnten, würden in diesem Halbjahr nicht bewertet.
Mutter aus Herne: Kindern fällt das Lernen in der Schule leichter
Mutter Marie-Christin Gerwig drückt bei den Zeugnissen ihrer Kinder in diesen "wahnsinnigen Zeiten" auch mal beide Augen zu. Ihre Söhne Emil und Oskar besuchen die zweite und dritte Klasse der Schillerschule in Herne. Während der Drittklässler bereits Noten in allen Fächern erhält, bekommt ihr Jüngster ein sogenanntes Rasterzeugnis, in dem das Arbeits- und Sozialverhalten bewertet wird. Zwar hätten die Kinder im vergangenen Halbjahr viel Zeit in der Schule verbracht. Vor allem das soziale Verhalten zeige sich jedoch im Spiel oder im Umgang mit anderen Kinder, sagt die 35-Jährige.
"Der Druck auf die Schüler ist ohnehin groß genug", sagt Marie-Christin Gerwig. So versuchten Lehrer, trotz des Distanzunterrichts den gesamten Stoff durchzunehmen. Aber auch einige Eltern setzten ihre Kinder unter Druck, weil sie nicht wollten, dass sie hinterherhängen. Man dürfe jedoch nicht vergessen, wie belastend die Situation für die Kinder sei. "Ihnen fällt das Lernen in der Schule deutlich leichter also zuhause am Küchentisch."
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Die Schüler und Lehrkräfte aller Herner Schulen sollen künftig mit der digitalen Lernplattform MNS Pro arbeiten. Das teilte die Stadtverwaltung beim Schulausschuss am Donnerstag (21. Januar) mit.
Neben digitalen Unterrichtsstunden per Video-Chat haben Schüler dann zum Beispiel die Möglichkeit, ihre bearbeiteten Aufgaben hochzuladen oder gemeinsam mit Mitschülern an Projekten zu arbeiten. Sie erhalten außerdem einen eigenen Mail-Account und können über eine Kalender-Funktion ihren Stundenplan im Blick behalten.