Herne. Justiz und Rechtsanwälte in Herne … seit wann gibt es sie eigentlich? Der Herner Rechtsanwalt Wolfgang Bruch (65) ist der Frage nachgegangen.
Das Leben in Herne war bis Mitte des 18. Jahrhunderts durch seinen dörflichen Charakter, Landwirtschaft und Viehzucht geprägt. Der Ortskern befand sich im Bereich um die St. Dionysius-Kirche neben der heutigen Kreuzkirche. Erst der aufkommende Bergbau und die Industrialisierung der Ruhrregion führten dazu, dass Herne in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr schnell wuchs.
Eine geordnete, örtliche Gerichtsbarkeit gab es bis zu diesem Zeitpunkt nicht, denn es galt in der Provinz Westfalen immer noch das preußische Landrecht von 1794. Diese Gerichtsbarkeit wurde über die Freiherren von Strünkede und deren Nachfolger ausgeübt. Mit der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 wurden gesetzlich einheitliche Regelungen für das gesamte Reichsgebiet eingeführt, nämlich ein Strafgesetzbuch (1872) und ein Bürgerliches Gesetzbuch (1900).
Amtsgericht nahm 1892 die Arbeit auf
Im Jahr 1888 wurde ein Landgericht in Bochum errichtet; bereits ein Jahr später erfolgte die Errichtung des Amtsgerichts Herne, welches zum 1. Oktober 1892 seine Tätigkeit in einem neu errichteten Gerichtsgebäude an der Bahnhofstraße/Ecke Shamrockstraßeaufnahm. Dort waren sechs Richter tätig. Die erste Zulassung eines Rechtsanwalts erfolgte dort am 10. November 1892 mit Rechtsanwalt Udo Dieckmann. In den nachfolgenden Jahren kamen bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges zehn weitere Rechtsanwälte hinzu. Durch die zunehmende Bevölkerung wuchs der Bedarf an juristischer Tätigkeit. Das Amtsgerichtsgebäude hatte zu wenig Diensträume und Sitzungssäle, so dass in den Jahren 1911/1912 im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Rathauses auch die Errichtung eines neuen Amtsgerichtsgebäudes einschließlich Gefängnistraktes vom Rat beschlossen wurde.
Neubau direkt neben dem Herner Rathaus
Der Bau des neuen Amtsgerichts direkt neben dem Rathaus begann im Februar 1916. Durch die Wirren des ersten Weltkrieges konnte dieses Gebäude erst im Juli 1921 bezogen werden. Erst Mitte der 1920er-Jahre stieg die Zahl der Neuzulassungen von Rechtsanwälten wieder an, so dass bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges 26 Rechtsanwälte, davon sechs Notare, beim Amtsgericht Herne ihre Zulassung hatten. In dem alten Amtsgerichtsgebäude wurde später die städtische Bücherei untergebracht, bevor dieses Ende der 60er-Jahre dem Bau des City Centers weichen musste.
Pläne für Justizzentrum geplatzt
Nicht realisiert wurden aus Kostengründen die 2009 vom Justizministerium NRW verkündeten Pläne zur Einrichtung eines Justizzentrums in Herne.
Es sollte in Herne-Mitte die Amtsgerichtsbezirke Herne-Wanne und Herne vereinigen und auch das Arbeitsgericht mit unterbringen.
Ab 1926 gab es verschiedene Änderungen der Gerichtsbezirke. So kam etwa die Gemeinde Sodingen vom Amtsgerichtsbezirk Castrop-Rauxel zum Amtsgerichtsbezirk Herne. In diesem Bereich war ein Rechtsanwalt und Notar niedergelassen. Darüber hinaus wurde am 1. April 1926 die Errichtung eines eigenen Amtsgerichts in Wanne-Eickel beschlossen. Auch dieses Amtsgericht gehörte zum Bezirk des Landgerichts Bochum. Durch die Machtergreifung der Nationalsozialisten ergingen ab 1933 zahlreiche Maßnahmen zur Änderung der Gerichtsverfassung, ohne dass hierdurch eine grundlegende Neuordnung der Gerichtsbarkeit eintrat. In den Bereichen der Amtsgerichte arbeitete die Justiz letztlich so weiter wie bisher. Allerdings führte dies dazu, dass zwei Herner Rechtsanwälte jüdischer Abstammung 1933 ihre Zulassung in Herne zurückgaben, Rechtsanwalt Hans Rosenthal und Rechtsanwalt Dr. Sigmund Löbenstein.
Herner Amtsgericht blieb unzerstört
Nach der Wiederherstellung einer geordneten Rechtspflege nach dem zweiten Weltkrieg durch ein Kontrollratsgesetz der Alliierten wurde auch beim - völlig unzerstörten - Amtsgericht Herne die Arbeit wieder aufgenommen. Da das Landgericht Bochum teilweise schwer zerstört worden war, wurde ein Teil der Zivilkammern nach 1945 bis Dezember 1950 im Amtsgerichtsgebäude Herne untergebracht.
1949 wurden die Richterstellen im Amtsgericht Herne wieder vollständig besetzt. Als erster Rechtsanwalt nach dem 2. Weltkrieg beantragte Rechtsanwalt Friedrich Schlenkhoff seine Zulassung, weitere Kollegen folgten, so dass Anfang der 50er-Jahre bereits wieder 14 Rechtsanwälte in Herne zugelassen waren.
Die Gründung des Herner Anwaltvereines erfolgte in dieser Zeit unter dem Vorsitz des Rechtsanwalts Dr. Siegfried Hohmann. Das „Wirtschaftswunder“ hatte auch in Herne seine Wirkung: Juristische Tätigkeiten waren von Tag zu Tag mehr gefragt, so dass das Amtsgericht seine Personalstärke mehrfach aufstocken musste. In der Folgezeit waren zwölf Berufsrichter tätig; auch die Zahl der zugelassenen Rechtsanwälte stieg auf insgesamt 61 an, von denen aktuell sieben als Notare bestellt sind.
Amtsgericht Wanne nach dem Krieg im Fernmeldeamt
Einen ähnlichen Verlauf hatte das Amtsgericht Wanne-Eickel zu verzeichnen. Zunächst wurden der Justiz Räume im Wanner Rathaus zur Verfügung gestellt. Zu Beginn waren beim Amtsgericht Wanne-Eickel fünf Richter tätig. Nach dem Krieg wurde das wiedereröffnete Amtsgericht umgesiedelt in das frühere Fernmeldeamt an der Gerichtsstraße. Ein Neubau konnte zum 20. November 1953 an der Hauptstraße eröffnet werden. Die ursprünglich fünf Amtsrichterstellen wurden aufgestockt auf bis heute neun Richterstellen. Im Bezirk des Amtsgerichts Wanne sind derzeit 36 Anwältinnen und Anwälte zugelassen, von denen zwei als Notare bestellt sind.
Ein weiterer Justizzweig in Form des Arbeitsgerichts entstand im Jahre 1946. Dieses wurde zunächst untergebracht in Räumlichkeiten an der Schulstraße 39, ein Umzug erfolgte vier Jahre später in Räumlichkeiten des Polizeigebäudes an der Bebelstraße 11 mit dem Eingang direkt gegenüber dem Rathaus. Ein eigenes Gerichtsgebäude wurde erst 1992 an der Schillerstraße bezogen. Dort sind derzeit fünf Berufsrichter tätig.