Herne. Die Corona-Krise zeigt Spuren bei den Kindern: Einige Vorschulkinder in Herne werden im Sommer mit starken Defiziten an die Grundschule wechseln.
Einige Vorschulkinder werden im Sommer mit Defiziten an die Grundschule wechseln. Die Corona-Krise und der Lockdown haben Auswirkungen auf die Entwicklung der Kinder, die in einigen Fällen den Übergang an die Schule erschweren werden, fürchten Experten.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Grundschulleiter wie Gabriele Schlemminger von der Europaschule an der Königstraße einen holprigen Schulstart für die künftigen Erstklässler befürchtet. Der Übergang vom Kindergarten zur Schule sei immer schwierig, der lange Lockdown und fehlende Kennenlern-Angebote würden aber zu noch größerer Unsicherheit bei den Kindern führen.
„Es war schon im vergangenen Jahr schwierig, da hat man es den Kindern schon angemerkt“, sagt auch Andrea Sdun, Leiterin der Schillerschule und Sprecherin der Herner Grundschulen. „Wir gehen davon aus, dass man es in diesem Jahr noch stärker spüren wird.“ Spezielle Programme für Vorschulkinder an den Kitas, Schnuppertage für einen sanfteren Übergang - alles entfällt auch in diesem Jahr coronabedingt.
Herne: Arbeit an den Grundschulen ändert sich
Die Arbeit in den ersten Klassen werde sich dadurch sehr ändern, erwartet Sdun. Der Leistungsstand werde wohl deutlicher auseinander gehen. „Die Seiteneinsteiger werden vermutlich ein Jahr länger brauchen“, vermutet die Schulleiterin, aber diese Zeit sollten die Kinder auch bekommen.
„Es wartet im Sommer eine Menge Arbeit auf die Schulen“, befürchtet auch eine Kita-Leiterin aus Herne. Es müsse einiges nachgearbeitet werden, das die Kitas während des Lockdowns und des eingeschränkten Kita-Betriebes nicht wie sonst erarbeiten konnten. Förderprogramme wie ein Bleistift- oder Scheren-Führerschein mussten lange aussetzen und könnten nicht in vollem Umfang nachgearbeitet werden.
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„Gerade für Kinder, die viel zu Hause waren und auch jetzt nicht zur Kita kommen, wird es schwierig“, sagt die Kita-Leiterin, die nicht öffentlich mit Namen genannt werden möchte. Auch soziale Kompetenzen, sich in der Gruppe durchzusetzen aber auch mal zurückzunehmen, hätten wegen des Lockdowns gelitten.
Herner Kinderärztin verschreibt mehr Förderprogramme
„Die Sprache wird massiv fehlen“, sagt die Herner Kinderärztin Dr. Anja Schulenburg. Denn Kinder, die über Monate in ihrer Familie kein Deutsch sprächen, hätten nun große Probleme mit der Verständigung. Aber die Obfrau der Herner Kinderärzte macht in ihrer Praxis auch andere Beobachtungen. „Viele Kinder sind durch die Corona-Pandemie dicker geworden.“ Das treffe nicht nur aber auch auf die Vorschulkinder zu. Diese seien zuletzt teilweise vor dem Fernseher gesetzt worden, da die Eltern arbeiteten oder mit den Geschwisterkindern Schulaufgaben machen mussten.
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„Wir schreiben in diesem Jahr sehr viel großzügiger Logopädie und Ergotherapie auf“, sagt Kinderärztin Schulenburg. So soll zumindest versucht werden, die Kinder bis zum Sommer noch bestmöglich auf den neuen Lebensabschnitt vorzubereiten.
Trotz Pandemie nicht mehr Rückstellungen von Kindern
Die Option, das eigene Kind zurückzustellen und ein Jahr länger in der Kita zu belassen, erhalten Eltern aber nicht. „In Coronazeiten sind wir nicht großzügiger, da sind die Bedingungen eindeutig“, sagt Schulamtsdirektorin Andrea Christoph-Martini. Lediglich schwere Krankheiten, nicht aber Unreife seien Gründe für einen Aufschub des Schulbesuchs um ein Jahr. „Wir hatten aber auch nicht mehr Anträge auf Rückstellung als in den Vorjahren“, sagt Christoph-Martini.
Die Herner SPD hingegen möchte bewirken, dass es generell, aber besonders in diesem Corona-Jahr, leichter ist, sein Kind ein Jahr später einschulen zu lassen. „Die Voraussetzungen sind nicht die besten, dem sollte schon Rechnung getragen werden“, wünscht sich Theres Boneberger. Sie hat das Thema mit ihrer Partei deshalb auf die Tagesordnung für den nächsten Schulausschuss am 12. Mai gesetzt. Die Grundschulen seien nicht in der Lage, dieses Problem alleine zu lösen.