Herne. In Herne gebe es immer mehr Ernährungsstörungen und psychische Erkrankungen, berichtet ein Kinderarzt und fordert Hilfe von Stadt und Politik ein.
Ein Mediziner schlägt Alarm: In Herne seien zu viele Kinder übergewichtig und ernährten sich falsch, sagt der Wanner Kinderarzt Dr. Lars Vogler und fordert mehr Prävention. Und auch die starke Zunahme der psychischen Erkrankungen bei Kindern mache ihm „riesengroße Sorgen“.
Mediziner fordert bessere Vernetzung
Beide Probleme brachte Vogler am Mittwoch in der Sitzung des Sozialausschusses im Volkshaus Röhlinghausen zur Sprache. Der Anstieg bei den psychischen Erkrankungen nehme ein Ausmaß an, den die Gesellschaft sich nicht vorstellen könne, sagte er. „Ich habe früher einmal im Quartal ein Kind akut in die Kinder- und Jugendpsychiatrie geschickt. Zurzeit mache ich das wöchentlich.“
Durch diese Entwicklung „kommt einiges auf die Kommunen zu“. Es sei dringend nötig, sich über eine bessere Vernetzung zwischen Kinderärzten und den vorhandenen Strukturen Gedanken zu machen. Zuständigkeiten und Wegen müssten neu definiert und optimiert werden. „Wir haben den Fall, dass sich sechs Helfer um ein Kind kümmern. Und trotzdem kann ihm nicht richtig geholfen werden.“
Präventionsangebote gegen Ernährungsstörungen
Großen Handlungsbedarf für Herne sieht der Mediziner auch bei sogenannten Regulationsstörungen, wie zum Beispiel Fütter- und Schlafstörungen. „Viele Eltern sind nicht mehr in der Lage, ihre Kinder so zu ernähren, wie wir uns das wünschen.“ Das führe zu Übergewicht bei Kindern und zahlreichen Folgeproblemen. In einer Stadt wie Herne, in der viele Familien in ärmeren Verhältnissen lebten, sei dieses Problem besonders akut. Die Entwicklung bei den betroffenen Kindern beginne nicht in Kita oder Grundschule, sondern schon im Babyalter.
Einladung in den Sozialausschuss
Er betreibe in Herne die größte Kinderarztpraxis, berichtete Dr. Jan Vogler im Sozialausschuss. Pro Quartal würden rund 8000 Kinder in seiner Praxis an der Gerichtsstraße in Wanne versorgt.
In den Ausschuss eingeladen worden war der Mediziner eigentlich zu dem von der SPD beantragten Tagesordnungspunkt „Krankenhausversorgung und ärztlicher Notdienst für Kinder“ (die WAZ kommt darauf zurück).
Vogler nutzte diese Gelegenheit, um auch auf die Probleme bei der Ernährung von Kindern sowie die Zunahme von psychischen Erkrankungen hinzuweisen.
„Wir müssen hier neue Strukturen für die Prävention aufbauen“, appellierte der Kinderarzt an Stadt und Politik. Gegengesteuert werden könne beispielsweise durch Sprechstunden für Ernährungs- und Fütterstörungen. Wenn das Problem ganz früh „angepackt“ werde, könne er versprechen, dass sich die Situation in den nächsten Jahren deutlich verbessern werde.
Politik und Stadt sagen Unterstützung zu
Mit den Krankenkassen könnten derzeit nur Behandlungen und Vorsorge, nicht aber präventive Maßnahmen abgerechnet werden. Es mangele aber nicht nur an finanziellen Mitteln, sondern auch an Strukturen, sagte Vogler und bat Stadt und Politik um Hilfe. Mit seinem Appell stieß er auf offene Ohren: Theres Boneberger (SPD), Bettina Szelag (CDU), Daniel Kleibömer (Linkspartei) und Dorothea Schulte (Grüne) sowie Gesundheitsamtsleiterin Katrin Lindhorst lobten den Vorstoß des Kinderarztes und sagten ihm Unterstützung zu.
Die Stadt konnte sogar schon einen möglichen Weg zur Finanzierung von präventiven Angeboten eröffnen. Katrin Lindhorst berichtete, dass die Stadt just vor zehn Tagen eine Förderzusage der Krankenkassen zum Thema Kindergesundheit erhalten habe. Nun soll geprüft werden, ob und wie aus diesem Topf auch Präventionsmaßnahmen zum Bereich Ernährung gefördert werden können.