An Rhein und Ruhr. Ängste, Depressionen und Zwangserkrankungen nehmen zu. Die Zahl der Akutaufnahmen in den Kinder- und Jugendpsychiatrien steigt.

In der Corona-Pandemie hat die Zahl der Akut-Aufnahmen in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie an Rhein und Ruhr zugenommen. Ärzte berichten von einer Zunahme von Depressionen, Angststörungen und Zwangserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.

Probleme gibt es vor allem in Familien, in denen es schon vorher psychische Belastungen gab, und wo nun unterstützende Hilfsmaßnahmen und tagesstrukturierende Angebote wie die Schule wegfallen oder wo es keine Unterstützung mehr durch Angehörige wie die Großeltern gibt. Das berichtet Beate Linnemann, die Chefärztin der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bedburg-Hau. „In diesen Familien steigern sich derzeit die Dynamiken zwischen gestressten Eltern und gestressten Kindern“, so Linnemann.

Routinen fallen weg, das Alleinsein fällt schwer

Es fielen die Routinen weg, auf die beispielsweise Autisten oder Kinder mit ADHS angewiesen sind. Manche Kinder und Jugendliche, die ohnehin rückzügig oder depressiv seien, hätten jetzt umso mehr den Eindruck, dass sie allein auf der Welt sind oder keine Freunde mehr finden. Andere hielten das ständige Zusammensein mit den Eltern nicht aus. „Verstärkt wird das auch durch wirtschaftlichen Druck, der manche Eltern in Not und Angst stürzt“, so die Psychiaterin.

In den drei vollstationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Bedburg-Hau werden derzeit 32 Kinder und Jugendliche betreut. Damit sind die Stationen leicht überbelegt. „Wir haben mehr akute Krisenaufnahmen, dadurch verlängern sich die Wartezeiten für das geplante Therapieangebot“, so Linnemann.

Nach den Schulöffnungen wird die Zahl der Schulvermeider steigen

Eine Tendenz, die auch Claudia Vogt bestätigt. Sie ist Sprecherin der Regionalgruppe Nordrhein der Bundesarbeitsgemeinschaft leitender Ärzte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie: „Die Wartezeiten für elektive (planbare, die Red.) Behandlungen werden länger, die Akutaufnahmen nehmen zu“, sagte Vogt. Zwar gebe es landesweit noch keine Überbelegung, jedoch zunehmend drängenderen Versorgungsbedarf. „Es ist absehbar: Je länger die Krise dauert, desto mehr wird die Inanspruchnahme zunehmen“, warnt Vogt.

Linnemann rechnet zudem damit, dass die Zahl der sogenannten Schulvermeider zunehmen wird, wenn die Schulen wieder geöffnet werden. „Es wird mehr Patienten geben, die eine Sozialphobie entwickelt haben und nicht mehr in die Schule gehen können.“

Beate Linnemann rät Familien: „Wichtig ist, Tagesroutinen beizubehalten. In den Familien sollten Aufgaben verteilt und gemeinsame schöne Aktivitäten verabredet werden. Man sollte auch die guten Effekte von Sport und frischer Luft nutzen – rausgehen, Radfahren, Spazierengehen oder Fußballspielen. Kinder sollten die Möglichkeit haben, ihre Freunde über Video-Telefonie zu sprechen und zu sehen. Wenn möglich, sollte man Unterstützung und Austausch mit Freunden, Bekannten und Angehörigen pflegen, natürlich unter den Bedingungen der Corona-Beschränkungen.“