Herne. Julia Korbik aus Herne hat eine neue Biografie geschrieben. Mit Françoise Sagan steht wieder eine französische Schriftstellerin im Mittelpunkt.
Julia Korbik hat es mit den starken Frauen. 2017 legte die Autorin und Journalistin aus Herne unter dem Titel „Oh, Simone“ eine Biografie der Schriftstellerin und Feministin Simone de Beauvoir vor, die inzwischen auch ins Französische und ins Koreanische übersetzt worden ist. In „Bonjour Liberté“ wendet sie sich jetzt einer anderen berühmten Französin zu: Françoise Sagan, der 1954 im Alter von 18 Jahren mit ihrem Erstlingsroman „Bonjour tristesse“ der literarische Durchbruch gelang.
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Was hat Julia Korbik an Françoise Sagan fasziniert, die nach heutigen Maßstäben das Zeug zum Glamour-Girl hätte? Sie liebte Pelzmäntel und schnelle Autos und genoss das Leben der Boheme, lernte nach einem Unfall aber auch die Kehrseite kennen, betäubte Schmerzen mit Drogen und Alkohol. „Während man Simone de Beauvoir gerne auf ein Podest gestellt hat, als Übermutter des Feminismus, und sie zu ernst genommen hat“, sagt Julia Korbik, „wurde Françoise Sagan nicht ernst genug genommen. Ich möchte zeigen, dass sie wichtig ist und es sich heute noch lohnt, sie wieder zu entdecken und ihre Bücher zu lesen.“ Sagans „fröhliche Leichtsinnigkeit“, ihre Lässigkeit und ihr Humor hätten ihr immer gefallen.
Debütroman auf Französisch gelesen
Julia Korbik kam schon als Schülerin mit Sagans „Bonjour tristesse“ in Kontakt. Die zunächst leichte, aber dann doch tragisch endende Sommergeschichte um ein junges Mädchen und ihren Vater sei „eines der ersten Bücher gewesen, das ich auf Französisch gelesen habe“. Ein paar weitere Romane folgten im Laufe der Jahre, doch erst durch ein Buch über die „magischen Jahre von Paris“ habe sie Francoise Sagan noch einmal anders kennengelernt, als „Symbol des neuen Frankreich“. Diesen „neuen Typ von Französin“ fand sie so spannend, dass sie vor zwei Jahren mit der Arbeit an ihrem neuen Buch begann.
Wie schon für die erste Biografie über de Beauvoir hat Julia Korbik wieder umfassend recherchiert, und neben über 20 Romanen vor allem französischsprachige Biografien, aber auch Interviews, Berichte und Reportagen ausgewertet. Mehrere Seiten Fußnoten legen Zeugnis ab vom Anspruch, die Arbeit anderer vor ihr zu würdigen. Trotzdem gelingt es Julia Korbik, so leichtfüßig von der Schriftstellerin zu erzählen, als hätte sie selbst mit ihr in Saint-Germain-des-Prés in einem Café geplaudert. Sie wolle nicht die Fachwelt beeindrucken, sagt Korbik, sondern ihre Leserinnen und Leser für eine „spannende, komplizierte Frau“ interessieren und sie „mitnehmen in eine andere Zeit“.
Schlaglicht auf ein aufregendes Jahrzehnt
Zur Person
Julia Korbik (33) lebt als Autorin und freie Journalistin in Berlin. Sie hat im französischen Lille und in Münster European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus studiert.
Erschienen sind von ihr „Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene“ (2014), „Oh, Simone! Warum wir Beauvoir wiederentdecken sollten“ (2017) und „How to be a Girl. Stark, frei und ganz du selbst“ (2018).
Bei einem Besuch in Herne hat Verena Geiger mit Julia Korbik über das neue Buch gesprochen. Das Video ist ab der nächsten Woche auf dem Youtube-Kanal des Literaturhauses zu sehen.
Ein neues Buch ist in Planung. Im Oktober / November 2021 geht Julia Korbik als Schreibstipendiatin nach Scy-Chazelles in der Nähe von Metz / Frankreich.
Mehr auf https://juliakorbik.com/
Julia Korbik konzentriert sich in der Biografie auf die Jahre 1950 bis 1960. Jahre des Aufbruchs nicht nur in Paris, wo die Schulabbrecherin aus bürgerlichem Elternhaus ihren Überraschungserfolg erlebt. Ihren Künstlernamen Sagan hat Francoise Quoirez übrigens einem Roman von Proust entnommen. „Bonjour Liberté“ beginnt mit einer Szene in einem kleinen Buchladen, in dem die Schriftstellerin unerkannt nach einer Buchempfehlung verlangt und die Buchhändlerin ihr widerstrebend das zwar anregende, aber für „zarte Seelen junger Leserinnen denkbar ungeeignete“ Werk aushändigt. Julia Korbik folgt ihrer Protagonistin durch Tage und Nächte in Paris, Saint-Tropez und New York, durch Freundschaften und Liebschaften, bis in die 60er-Jahre, als Sagan ihr politisches Gewissen entdeckt.
Françoise Sagan habe durch ihre freie Art zu leben, vieles vorweggenommen, was dann die 68er-Generation postuliert habe, ist Julia Korbik überzeugt. Eine Feministin sei sie nicht gewesen, auch wenn sie den Kampf gegen das Abtreibungsverbot unterstützt habe. „Dieses Etikett hat sie sich nie angeheftet.“
Julia Korbik, Bonjour Liberté. Françoise Sagan und der Aufbruch in die Freiheit. 304 Seiten. Hanser Berlin. 22 Euro.